Der Sommer ist da und spätestens mit ihm beginnt auch die „Sandalenzeit“. Viele Mitmenschen sehen dies allerdings nicht nur positiv: Ca. 80 Prozent der Bundesbürger leiden im Laufe ihres Lebens einmal unter Fußproblemen – viele davon sind so offensichtlich, dass sie sich nur mit geschlossenem Schuhwerk kaschieren lassen.
„Einfache“ Fußdeformitäten wie Platt-, Senk-, oder Spreizfüße können dabei häufig auf konservative Weise, vor allem durch das Tragen eines orthopädischen Schuhwerks oder Gymnastik, behandelt werden. Gewisse Verformungen aber, die aus dem komplizierten Zusammenspiel von Sehnen und Gelenken entstehen, sind oft nur noch operativ zu beheben.
Glücklicherweise ist jedoch nur bei einer Minderheit, etwa 10 Prozent der Patienten mit Fußproblemen, ein operativer Eingriff angezeigt. Doch dann ist dieser auch wirklich sinnvoll. Man verändert die Fußstatik, den Aufbau des Fußes, vor allem am Fußskelett, um die dadurch bedingte Fehlbelastung und die daraus resultierende Verformung des Fußes rückgängig zu machen, man stellt also die anatomischen Verhältnisse wieder her.
„Dabei geht es nicht hauptsächlich um ein kosmetisch ansprechendes Bild der Füße“, betont der Frankfurter Orthopäde Dr. Johannes Pfeifer. Nach seiner Auffassung muss die Fußchirurgie als Intervention bei Schmerz und bei unter Belastung auftretenden funktionellen Problemen verstanden werden und nicht als kosmetischer Eingriff, der ermöglichen soll, eine bestimmte Art von modischen Schuhen zu tragen.
Die häufigste Fußdeformität: Der Hallux valgus
Unter der Bezeichnung „Hallux valgus“ versteht man eine Abweichung der Großzehe im Grundgelenk nach außen. Der Hallux valgus tritt meist beidseits und bei Spreizfüßen auf. „Am häufigsten betroffen sind Frauen im Erwachsenenalter, was sicherlich teilweise auf das jahrelange Tragen modischen, spitz zulaufenden Schuhwerks zurückzuführen ist“, erläutert Dr. Pfeifer. Schmerzen treten hier vor allem am sogenannten Metatarsalköpfchen auf, wo es aufgrund der durch die Fehlstellung entstehenden ständigen mechanischen Reizung zur Entzündung des darüber liegenden Schleimbeutels kommt. Dr. Pfeifer: „Zwar können die von einem Hallux valgus hervorgerufenen Beschwerden in der Anfangsphase durch entsprechende Einlagen und weiches Schuhwerk gelindert werden – häufig ist jedoch später eine operative Korrektur unumgänglich“.
Frühere Operationsmethoden waren meist Verstümmelungen, die funktionell einer Vorfußamputation gleichkamen
In den vergangenen Jahrzehnten haben sich dabei Methoden in der orthopädischen Chirurgie des Fußes etabliert, die durchaus Anlaß zur Kritik bieten. Beim Großzehenballen wurde vor allem in Deutschland unabhängig vom Alter und den Funktionsansprüchen des Patienten radikal operiert. Die Methode nach Keller-Brandes (Wegschneiden der Gelenkfläche des Großzehen) führt im Langzeitverlauf häufig zur Änderung der Biomechanik des ganzen Vorfußes und damit zur Verformung und schließlich erneut zu Schmerzen, die ohne eine weitere Operation nicht zu beseitigen sind. „Heute muss jedoch nicht mehr so rigoros operiert werden“, meint Dr. Pfeifer. „Erhebliche Weiterentwicklungen auf dem Gebiet der Fußchirurgie erlauben heute gelenkerhaltende Eingriffe, die nicht nur kosmetisch, sondern auch funktionell sehr viel ansprechender sind.“
Vor allem beim Hallux valgus hat hier ein Wandel stattgefunden: Häufig lässt sich durch einen reinen Weichteileingriff sehr wirksam das Zusammenspiel von Beuge- und Strecksehnen verbessern, indem man entsprechende Sehnen umsetzt. So muss das Gelenk in den meisten Fällen nicht mehr geopfert werden. Hierbei wird in einem ersten Schritt der „Adduktor“ abgelöst. Das ist derjenige Muskel, der normalerweise das Heranziehen der Großzehe Richtung Kleinzehe bewirkt. Dieser Muskel setzt an der Basis des 1. Grundgliedknochens an. Beim milden Hallux valgus führt dieser Muskelzug eher zu einer Verschlimmerung der Situation. Mit der oben ganannten Weichteiloperation wird dann durch die Verlagerung des Adduktors die gewünschte Zugwirkung wiederhergestellt. Aber auch bei einem stärkeren Hallux valgus kann heute z.B. durch eine lediglich verkürzende Umstellung (Operation nach Reverdin-Green), welche eine umfassende Resektion vermeidet, ein hervorragendes funktionelles Ergebnis erreichen. Dr. Pfeifer: „Überdies ermöglicht die L-förmige Schnittführung eine Fixierung, welche eine frühzeitige postoperative Belastung des Fußes erlaubt.“
Auch arthrotische Veränderung kann heute operiert werden
Selbst eine Arthrose des Großzehengrundgelenks muss heute nicht mehr zu einer operativen Verstümmelung führen: „Häufig reicht es, im Rahmen eines ‚Shaping’ des Mittelfußköpfchens nur die arthrotischen Anteile zu entfernen. Hierbei kann die Kontur entsprechend modelliert und so ein optimales Ergebnis erzielt werden“, sagt Dr. Pfeifer. „Durch einen Kapsellappen, der um das Mittelfußköpfchen herumgeschlagen wird, kann gleichzeitig ein Schutz und eine stoßdämpfende Funktion erreicht werden.“
Großzehengrundgelenksersatz bei schwerer Arthrose
Auch bei fortgeschrittener Arthrose gibt es Möglichkeiten, die Funktionalität eines intakten Großzehengrundgelenks wiederherzustellen – inzwischen gibt es auch hier Endoprothesen, welche die Funktion des körpereigenen Gelenks ersetzen. „Insbesondere die neuen Titanimplantate überzeugen durch ein hervorragendes Einwachsverhalten und eine große Primärstabilität“, erläutert Dr. Pfeifer. „Dies ist deswegen besonders wichtig, weil die beim Auftreten entstehenden Scherkräfte eine erhebliche Gefahr für den Operationserfolg darstellen können.“ Prothesen der neuesten Generation gewährleisten dennoch Bewegungsfreiheit auf allen Ebenen – so hat der Patient schnell wieder das Gefühl der „gewohnten“ Mobilität und kann schon bald zu seinen alltäglichen Aktivitäten zurückkehren.
aus ORTHOpress 03|2002
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