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Fuß- & Sprunggelenk

Fußchirurgie mit Hand und Fuß

Mann mit Fußverletzung

Neue Operationsverfahren in einem lange Zeit vernachlässigten Gebiet der Orthopädie

„Zeigt her eure Füße, zeigt her eure Schuh’…“, singt der Volksmund. Beschwerden an den Füßen haben die Menschen schon länger, als es das bekannte Volkslied gibt. Heute weiß man, dass sie oft aus Fehlstellungen der Gelenke resultieren – die nicht selten auf die besungenen Schuhe zurückzuführen sind. Denn die allermeisten Menschen werden mit gesunden Füßen geboren. Lässt sich der Großteil der Beschwerden auch auf konservativem Wege beheben, so ist doch bei etwa 10–20% der Fußgeschädigten ein operativer Eingriff erforderlich. So zum Beispiel beim schmerzhaften Großzehenballen, dem Hallux valgus. Bis vor einigen Jahren wurden Fehlstellungen wie diese aber eher stiefmütterlich behandelt. Die Orthopädie schien sich für die Füße nicht so recht zu interessieren. Und während die Behandlung der Hüfte, des Knie- und Schultergelenkes in den vergangenen Jahrzehnten enorme Fortschritte gemacht hat, schien sich um Spreizfüße oder Hammerzehen, wenigstens in Deutschland, methodisch jahrelang kaum jemand wirklich kümmern zu wollen. Meist waren es Berufsanfänger, die in den Krankenhäusern mit den lästigen Operationen beschäftigt wurden, und die Operationsmethoden wurden jahrzehntelang nicht fortentwickelt. Noch heute operiert die überwiegende Zahl der Orthopäden Spreizfüße und deren Folgen – Hallux valgus, Hammerzehen, Krallenzehen – wie vor vierzig Jahren: Das eigentlich funktionsfähige Großzehengrundgelenk wird im unteren Drittel durchtrennt, womit die Fehlstellung zwar beseitigt wäre – mit ihr aber auch die Funktionsfähigkeit des Gelenks. Die Zehe bleibt dran, wird aber „funktionell amputiert“, wie Fußspezialisten es ausdrücken. Der wichtige große Zeh, der den Gang nach vorn treibt, spielt beim Laufen keine Rolle mehr. Das muss heute längst nicht mehr sein.

Neue OP-Methoden aus Nordamerika

Fehlstellungen an den Füßen lassen sich heutzutage nämlich schonender als früher und vor allem ohne einen Funktionsverlust der entsprechenden Gelenke beheben. Wie so oft kommt die Operationsmethode aus den USA, wo sie mitunter schon seit Jahrzehnten praktiziert wird. „In Deutschland hat die Fußchirurgie erst seit Anfang der Neunzigerjahre deutlich aufgeholt“, weiß der Berliner Orthopäde Dr. Jürgen Wied zu berichten, der seit vielen Jahren fußchirurgische Eingriffe nach den modernen Operationsmethoden durchführt, die die Gelenke in ihrer natürlichen Funktion erhalten.

Die Behandlung des Spreizfußes

Beim Spreizfuß weicht der erste Mittelfußknochen in übertrieben V-förmiger Form von den anderen Mittelfußknochen ab. Das führt zu Fehlstellungen der Großzehe (Hallux valgus) sowie der übrigen Zehen (Hammer-, Krallenzehen) und damit zu schmerzhaften Beeinträchtigungen: Starke Druckstellen einerseits am Großzehengrundgelenk, dem so genannten „Ballen“, andererseits unter den Mittelfußknochen plagen die Patienten. Der gesamte Bewegungsablauf des Fußes ist in Mitleidenschaft gezogen. Betroffen sind Menschen jeden Alters, wenn auch die älteren Patienten die Mehrheit stellen. „Um die natürliche Funktion des Fußes wiederherzustellen, müssen die beiden Schenkel der Zehengelenke in ihre ursprüngliche Position zurückgebracht werden“, erläutert Dr. Wied den chirurgischen Eingriff. Der natürliche Abstand zwischen dem ersten und zweiten Mittelfußknochen und damit zwischen dem großen Zeh und seinem Nachbarn beträgt etwa neun Grad. Beim Spreizfuß sind es teilweise über 25 Grad. Dieser Abstand wird operativ verringert.

Abhängig vom Grad und Ort der Fehlstellung stehen verschiedene Operationsmethoden zur Verfügung. Bei den modernen Operationsverfahren wird der erste Mittelfußknochen je nach erforderlicher Korrektur zunächst unter Wasserkühlung mit einer sehr feinen Säge V-förmig oder Z-förmig durchtrennt und in die gewünschte Stellung gebracht. Anschließend wird der Knochen dann mit Hilfe einer oder mehrerer versenkter Titanschrauben wieder zusammengefügt. Die auf Grund der Fehlstellung verschobenen Weichteile um das Gelenk sind zuvor gelöst worden, um sie an die veränderten räumlichen Verhältnisse im Gelenk anzupassen. So können die verschiedenen Komponenten der Fehlstellung durch eine komplette Rekonstruktion der natürlichen Verhältnisse auf einmal korrigiert werden. Operiert wird nicht am Symptom, sondern an sämtlichen Ursachen. Operationsdauer: weniger als eine Stunde. Ebenso lässt sich eine Fehlstellung des kleinen Zehs beheben, wenn dieser sich unter oder über seine Nachbarzehe schiebt.

Hammerzehen

Weil sie im letzten Gelenk so unnatürlich gekrümmt sind, heißen sie Hammerzehen, oder, wenn das Mittel- und Grundgelenk ebenfalls betroffen sind, auch Krallenzehen. Das Problem: Menschen mit solch einer vergleichsweise kleinen Verformung passt nur schwerlich ein industriell gefertigter Schuh. Orthopäde Dr. Wied hatte einen 13-jährigen Patienten mit Hammerzehe, ein leidenschaftlicher Fußballer. Irgendwann schmerzte ihn jeder Schuss, weil der überlange zweite Zeh dabei auf die Brandsohle des Fußballschuhs gedrückt wurde. Durch die Schonhaltung bei der Belastung tat der ganze Fuß weh. Dem jungen Mann konnte geholfen werden, der Zeh und seine Funktion konnten erhalten werden. Wurde bei den so genannten Hammerzehen früher schlicht der Knochen durchtrennt und ein ganzes Gelenkstück entfernt – was ebenfalls einer funktionellen Amputation gleichkam –, führen moderne Orthopäden heute eine mikrochirurgische Sehnenverlängerung durch. Bei einzelnen Hammerzehen kommt auch eine Sehnenverlagerung in Betracht, erklärt Dr. Wied. Die an der Zehenunterseite liegende Beugesehne, die die Zehe verkrümmt hält, wird versetzt, sodass sie die Zehe anschließend streckt.

Nach der Operation

Sowohl ein Hallux valgus als auch Hammerzehen lassen sich heute ambulant oder kurzstationär operieren. „Bei uns sind die meisten Patienten spätestens am Tag nach der OP wieder auf den Beinen, die Entlassung erfolgt am zweiten oder dritten Tag “, berichtet Dr. Wied von seinen Patienten. Da die Knochen, wie oben beschrieben, ja übungsstabil verschraubt sind, ist ein Gips nicht erforderlich. Wichtig: Bei fußchirurgischen Eingriffen helfen intensive Krankengymnastik und aktive Beübung der Gelenke, deren Beweglichkeit zu erhalten und den Operationserfolg nachhaltig zu sichern. „Ohne geht’s halt nicht“, meint Dr. Wied. Aber bei den Fortschritten, die auf dem Gebiet der Fußchirurgie in den vergangenen Jahren erzielt werden konnten, dürfte schließlich jeder Patient gern mithelfen, den Behandlungserfolg zu sichern. Denn hinterher hat er einen Fuß, fast wie neugeboren.

aus OrthoPress 1 | 2000

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