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Fuß- & Sprunggelenk

Der leidige Ballen

Smiling toes with sky and trees.

Deformation des Großzehengrundgelenkes („Hallux valgus“)

In der – zugegebenermaßen blutrünstigen – Urversion des Märchens „Aschenputtel“ muss die böse Stiefmutter am Ende in glühenden Eisenpantinen tanzen, bis sie tot umfällt. So heiß sind moderne Schuhe zwar selten, aber die Gesundheit beeinträchtigen können sie auf lange Sicht auch, und zwar durch die schleichende Deformation des Großzehengrundgelenkes („Hallux valgus“).

Die Füße spielen in unserem Leben eine wahrhaft tragende Rolle. Entscheidungen jeglicher Art wie auch Zinssätze „fußen“ auf irgendetwas. Piloten messen traditionell ihre Flughöhe inflationär in Füßen. Dem Fuß, mit welchem wir morgens aufgestanden sind, billigt man gar zu unsere Laune für den ganzen Tag maßgeblich zu beeinflussen. Das klingt zunächst witzig – wer aber fußkrank ist, findet das überhaupt nicht zum Lachen.

„Die richtige Funktion unserer Füße beeinflusst unser gesamtes körperliches Wohlbefinden“, weiß auch der Kölner Chirurg Dr. Oliver Tobolski von der Gemeinschaftspraxis für ambulantes Operieren Dr. Pieczykolan/Dr. Tobolski in Köln-Zollstock. Die Folgen von häufig anzutreffenden Fehlstellungen des Vorfußes können von Knie- und Hüftproblemen bis hin zu schweren Rücken- und Nackenschmerzen reichen. Auslöser für solche Fußfehlstellungen sind heute nicht zuletzt modische Vorgaben: Zu enges, zu hohes und spitz zulaufendes Schuhwerk, wie es insbesondere von Frauen bevorzugt wird, führt beim Tragen über Jahre hinweg beinahe zwangsläufig zum so genannten „Hallux valgus“, dem schmerzhaften Großzehenballen. Bewusst wird den Betroffenen die krankhafte Verformung zunächst jedoch nicht durch die schmerzhaften Begleiterscheinungen, sondern durch die damit verbundenen kosmetischen Probleme: die unschöne Vorwölbung des Großzehenballens, die den Fuß der Trägerin in jedem noch so eleganten Schuh unförmig und geschwollen aussehen lässt.

Aber auch das lebenslange Tragen von optimal auf den Fuß abgestimmten Schuhen ist kein Garant für einen problemfreien Fuß – vielfach ist die Neigung zum Hallux valgus angeboren oder auch erblich bedingt. Dr. Pieczykolan: „In vielen Fällen bleibt es glücklicherweise bei der kosmetischen Beeinträchtigung. Diese schränkt zwar – zugegebenermaßen – die Wahl des Schuhwerks ein, äußert sich aber nicht in einem behandlungsbedürftigen Krankheitsbild.“ Kommen jedoch Schmerzen, schnelle Ermüdung und Haltungsschäden hinzu, dann sollte ein Besuch bei einem spezialisierten Arzt erfolgen. „Vielen dieser Patienten kann aber auch in diesem Stadium heute noch ohne Operation geholfen werden“, betont Dr. Tobolski. Voraussetzung dafür ist allerdings eine optimale Diagnose, zum Beispiel durch eine lichtoptische 3D-Wirbelsäulenvermessung. So kann – ohne Strahlenbelastung – festgestellt werden, inwieweit die Fußfehlstellung für eine Dysbalance in der Körperhaltung verantwortlich ist. Durch die Anfertigung spezieller Schuh­einlagen sowie eine auf das Beschwerdebild abgestimmte Krankengymnastik kann so in vielen Fällen bereits weit gehende Beschwerdefreiheit erreicht werden.

Was aber, wenn eine Operation zur Wiederherstellung der optimalen Funktionsweise des Fußes unumgänglich ist? „Auch wenn heute nur noch etwa 10% aller Hallux-valgus-Patienten operiert werden müssen, so ist es wichtig, umfassend über diesen Eingriff zu informieren“, meint Dr. Tobolski. Früher waren solche Fußoperationen tatsächlich schwere Eingriffe, bei denen am Ende die Probleme oft größer waren als vorher, da man durch die meist durchgeführte Entfernung des Großzehengrundgelenks die Abrollcharakteristik des Fußes insgesamt unwiederbringlich beeinträchtigte. Heute wird dagegen fast ausschließlich gelenkerhaltend operiert. Der vortretende Ballen wird also nicht mehr nur entfernt, sondern die Fehlstellung des Zehs chirurgisch korrigiert. Dadurch, dass der Zeh wieder in seine physiologische Ausgangsform zurückgeführt wird, tritt neben einer Entlastung auch der gewünschte kosmetische Effekt ein. Erst bei Vorliegen einer verschleißbedingten Zerstörung des Gelenkes muss der Chirurg auf andere Methoden wie z.B. die Gelenkversteifung zurückgreifen. Dabei kann ein solcher Eingriff heute problemlos ambulant durchgeführt werden. Nach dem Eingriff kann der Patient also am selben Tag wieder nach Hause gehen – nicht einmal ein Gips ist erforderlich; lediglich ein Entlastungsschuh muss getragen werden. Hauptvorteil dabei ist, dass der Patient sich nach der Operation in seinem gewohnten Umfeld erholen kann. Durch die Art der Narkose spürt der Patient noch etwa 36 Stunden nach der OP keinerlei Schmerz und kann gut ohne medizinische Betreuung den Heimweg antreten. Auch der danach auftretende Wundschmerz lässt sich durch moderne Analgetika auf ein Minimum reduzieren. Durch den Verzicht auf einen Gips kann bereits wenige Tage später mit einer Mobilisierung begonnen werden. Die Nachkontrolle über den Erfolg kann dann nach wenigen Wochen sowohl radiologisch als auch mit einer erneuten 3D-Wirbelsäulenvermessung vorgenommen werden, die Aufschluss über die Auswirkung des Eingriffs auf die Körperstatik gibt.

Die Frage, ob ein solcher Eingriff auch aus rein kosmetischen Gründen durchgeführt werden kann, beantwortet Dr. Pieczy­kolan jedoch zurückhaltend: „Die Fußchirurgie ist ein Mittel, um bei anhaltendem Schmerz und schwerer funktioneller Beeinträchtigung so schonend wie möglich Abhilfe zu schaffen. Sie ist sicherlich nicht in erster Linie kosmetisch zu sehen. Auch besteht die Frage, ob es sinnvoll ist, den funktionell wiederhergestellten Fuß nach einer erfolgten Hallux-Operation wieder in denselben engen Schuh zu zwingen. Grundsätzlich kann bei einem solchen individuell verschiedenen Eingriff auch nicht garantiert werden, dass ein spitzer, hochmodischer Schuh beschwerdefrei getragen werden kann.“

Ein Archivbeitrag* aus ORTHOpress 3 | 2001
*Archivbeiträge spiegeln den Stand zur Zeit der Erstveröffentlichung wieder. Die aktuelle Einschätzung des Sachverhalts kann durch Erfahrungszuwachs, allgemeinen Fortschritt und zwischenzeitlich gewonnene Erkenntnisse abweichen.