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Fuß- & Sprunggelenk

Statt Versteifung: Künstliches oberes Sprunggelenk

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Wir treten ihn im wahrsten Sinne des Wortes mit Füßen: den Fuß. Versteckt in Socken und Schuhen, trampeln wir mit bis zu siebenfachem Körpergewicht auf ihm herum und wundern uns, wenn er schwitzt und schmerzt. Umknicken, verstauchen, gedehnte und gezerrte Bänder, Bruch des Knöchels, Knorpelverletzungen und Fehlstellungen – der Gelenkverschleiß am oberen Sprunggelenk, die so genannte Arthrose, ist vorprogrammiert. 

Oft dauert es einige Jahre, bis die Schmerzen unerträglich werden. Wenn der Arzt dann wegen der fortgeschrittenen Gelenkzerstörung von einer Versteifung des Sprunggelenks spricht, trifft dies den Patienten wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Doch die Arthrodese, die Versteifung des oberen Sprunggelenks, kann heute in vielen Fällen durch eine Prothese ersetzt werden. Gehen, wandern, Skilanglaufen und arbeiten sind mit dem künstlichen Sprunggelenk wieder möglich. Orthopress sprach mit den Fußchirurgen Prof. Dr. med. Johannes Hamel und Dr. med. Christian Kinast, die seit zwei Jahren in ihrem Münchner Zentrum für orthopädische Fußtherapie diesen Eingriff erfolgreich durchführen.

Herr Prof. Hamel, für welche Bewegungen ist das obere Sprunggelenk zuständig?

Das obere Sprunggelenk ist die Verbindung zwischen Unterschenkel und Fuß. Es ist für das Heben und Senken des Fußes zuständig, für den Abrollvorgang beim Gehen und das Abstoßen beim Springen. Deshalb ist es auch das am stärksten belastete Gelenk des Körpers, das selbst beim normalen Gehen das bis zu siebenfache Körpergewicht trägt.

Wie kommt es zu den häufigen Arthrosen am Sprunggelenk?

Die Arthrose ist eine Verschleißerscheinung des Gelenks. Der Knorpel wird beschädigt, ist rissig, kleine Knorpelteile lösen sich ab und verursachen eine Entzündungsreaktion mit der Gelenkinnenhaut. So können Knochenwülste am Gelenkinnenrand entstehen, die die Gelenkkapsel reizen und Schmerzen verursachen. Die natürliche Antwort des Körpers heißt: zunehmende Einsteifung des Gelenks. Zur Arthrose kommt es meist nach Außenknöchelbrüchen, bei wiederholten Sprunggelenksbänderrissen, die das Gelenk instabil machen, bei Stoffwechselerkrankungen wie der chronischen Gicht oder auch im Rahmen einer ungünstigen Biomechanik am Fuß, nach unfallbedingten Vorschäden sowie im Rahmen des natürlichen Alterungsprozesses. Meist sind davon Menschen betroffen, die älter als 50 Jahre alt sind.

Herr Dr. Kinast, bei welchen Sportarten ist denn das obere Sprunggelenk besonders gefährdet?

Dazu gehören: Skateboard fahren, Hallensportarten wie Basketball, Handball, Volleyball und Fußball. Ich bin gerade vom amerikanischen Fußorthopäden-Kongress zurückgekommen und hörte dort, dass Schülern der Highschools Videos gezeigt werden, damit Sprunggelenksverletzungen nicht weiter als Bagatellverletzungen abgetan werden. Bei 15 Prozent der Verletzungen am oberen Sprunggelenk kommt es nämlich zu Spätschäden, meist in Form von schwerer Arthrose. Vorbeugung ist deshalb ganz wichtig. Das heißt: Die erste Sprunggelenksverletzung muss konsequent behandelt werden und wiederkehrende Mikrotraumen sollten vermieden werden.

Statt der Versteifungsoperation bei fortgeschrittener Sprunggelenksarthrose oder rheumatischer Arthritis wenden Sie eine neue Methode an.

Ja, seit zwei Jahren setzen wir das Prothesenmodell namens STAR ein; das steht für „Scandinavian Total Ankle Replacement“. Seitdem ist das künstliche Sprunggelenk des dänischen Chirurgen Hakon Kofoed vom Frederiksberg Hospital in Kopenhagen auch auf dem deutschen Markt freigegeben. Im Unterschied zu Hüft- oder Knieprothesen sind biomechanisches Verständnis und die Endoprothesen-Technik nämlich trotz jahrzehntelanger Bemühungen erst seit kurzem so weit, auch biomechanisch günstige künstliche Sprunggelenksprothesen zu entwickeln. Für uns stellt es die beste Alternative zur Arthrodese dar, also der Versteifung des oberen Sprunggelenks. Neben dem künstlichen Ersatz des Großzehengrundgelenks ist es übrigens das einzige Gelenk am Fuß, das mit guten Dauererfolgen endoprothetisch ersetzt werden kann.

Was passiert bei der Operation?

Das obere Sprunggelenk wird von vorne freigelegt, dann werden die überknorpelten Gelenkflächen knochensparend entfernt. Danach wird der Gelenkersatz, der ungefähr drei Zentimeter breit und vier Zentimeter lang ist, wie eine Krone auf einen Zahn in die Knöchelgabel gesetzt, verklemmt und fixiert. Das Ganze erfolgt ohne Verwendung von Zement. Nach der Operation wächst das natürliche Knochenmaterial mit dem künstlichen Gelenk zusammen, und zwar so fest, dass man es mit Hammer und Meißel herausmeißeln müsste, falls dies einmal erforderlich sein sollte.

Wer eignet sich für diese Operation, Dr. Kinast, und wer nicht?

Patienten, die über 50 Jahre alt sind und eine relativ schnelle Belastbarkeit ihres Fußes erreichen wollen, sind dafür geeignet. Auch Rheumatiker, denen eine gewisse Beweglichkeit erhalten bleiben muss, kommen für den künstlichen Gelenkersatz in Frage sowie Patienten, die es aus anderen gesundheitlichen Gründen nicht schaffen, drei Monate mit Gehstützen zu gehen – wie es nach der Versteifungsoperation notwendig ist.

Nicht geeignet für eine STAR-Prothese sind Patienten, die eine starke Fehlstellung im oberen Sprunggelenk aufweisen, die starken Knochenverlust nach einem Knöchelbruch haben, bei denen eitrige Gelenkerkrankungen vorgelegen haben oder schwere Bandzerstörungen. Denn der Bandapparat bleibt trotz des künstlichen Gelenks bestehen. Ungeeignet sind auch Patienten, bei denen der Sprungbeinknochen starke Durchblutungsstörungen aufweist; dieser muss nämlich mit der Prothese zusammenwachsen.

Wie lange dauert es, bis der Patient mit dem künstlichen Sprunggelenk wieder einsatzfähig ist?

Ungefähr zwei bis drei Wochen, bis zur Wundheilung, muss der Operierte im Krankenhaus bleiben. Nach sechs Wochen kann der Patient seinen Fuß wieder voll belasten. Für Alltag und Beruf ist er dann in den meisten Fällen wieder fit. Von Sport, beispielsweise Mannschaftssport oder Jogging, müssen wir den Menschen mit Sprunggelenksersatz jedoch abraten, da dadurch die Abnutzung und Lockerung des künstlichen Gelenks verstärkt wird. In Maßen sind jedoch Skilanglauf und Wandern möglich.

Wie lange hält die Prothese?

Über 14 Jahre lang gesehen, halten 75 Prozent der eingesetzten Gelenke; auf einen Zeitraum von sieben Jahren betrachtet, sind es sogar 93 Prozent. Falls Probleme mit der Sprunggelenksprothese auftreten: Sie kann gewechselt werden. Der Vorteil bei der STAR-Prothese ist, dass die Nachbargelenke geschont werden und damit nicht den gleichen Weg gehen wie das bereits verschlissene Gelenk.

Wer zahlt den Gelenkersatz?

Das übernehmen alle Krankenkassen, der Patient muss nichts draufzahlen. Das Implantat kostet rund 3000 Mark.

Ist die STAR-Prothese die Lösung für alle Sprunggelenksprobleme?

Nein, natürlich nicht. Sie ist nur eine Option für einen bestimmten, kleinen Kreis von Patienten mit schwerem Sprunggelenksverschleiß. Diese Patienten fragen uns oft: „Haben Sie noch eine andere Lösung außer der Versteifung meines Sprunggelenks?“. Zudem wird die Operation nur in ausgewählten Zentren in Deutschland durchgeführt.

Was lässt sich bei starken Schmerzen im Sprunggelenk noch machen?

Es existieren noch etliche andere Therapieformen für unterschiedliche Stadien der Arthrose. Zwei Beispiele: die Gelenkspiegelung oder neuerdings auch die Injektionstherapie mit Hyaluronsäure-Präparaten oder Interleukin-I-Rezeptorantagonisten. In unserem interdisziplinären Fußzentrum kümmern sich auch Physiotherapeuten, medizinische Fußpfleger und Orthopädietechniker um den schmerzenden Fuß.

Prof. Hamel und Dr. Kinast, haben Sie vielen Dank für das Gespräch!

Ein Archivbeitrag* aus ORTHOpress 2 | 2001

*Archivbeiträge spiegeln den Stand zur Zeit der Erstveröffentlichung wieder. Die aktuelle Einschätzung des Sachverhalts kann durch Erfahrungszuwachs, allgemeinen Fortschritt und zwischenzeitlich gewonnene Erkenntnisse abweichen.