Biotechnologische und zellbiologische Wiederherstellung von lokalen Knorpelschäden am Kniegelenk
Es gibt verschiedene Ursachen, die zu einer Schädigung des Knorpels im Gelenk führen. Liegt einmal ein Knorpelschaden vor, so kommt es im Verlauf zu einer weiteren Ausdehnung bis hin zum kompletten Aufbrauch des Gelenkknorpels, dem Endstadium der Arthrose. Reparationsvorgänge werden bei Verletzungen zwar eingeleitet, die Antwort der Knorpelzellen hält jedoch nicht lange genug an, um eine vollständige Wiederherstellung, wie man es z.B. von Knochenbrüchen kennt, zu erreichen.
Oberflächliche Knorpelaufbrüche liegen meistens als Auffaserungen vor, die unter der Belastung zu einem Abrieb der Fasern und hierdurch zur Freisetzung von Entzündungsmediatoren, den sog. Zytokinen, aus der Gelenkinnenhaut führen. Das Zytokin Interleukin-1 spielt für den weiteren Knorpelabbau eine entscheidende Rolle, wenn die Knorpelmatrix einmal beschädigt ist. Dieses erkennt man auch an der Schwellneigung mit Ergussbildung und Schmerzhaftigkeit der betroffenen Gelenke. Das Fortschreiten der Knorpelläsionen durch die Entzündungsmediatoren und den Abrieb ist vorprogrammiert.
Reicht der Knorpelschaden nicht bis auf den Knochen, kann er mit “Orthokin” behandelt werden. Liegt der Knochen durch Verlust des Knorpels frei, so kann durch eine Operation eine Besserung erreicht werden. Bei komplettem Knorpelverlust eines Gelenkes kommt nur ein künstlicher Oberflächenersatz als Möglichkeit in Betracht.
Operative Möglichkeiten der Behandlung von umschriebenen Knorpelläsionen
Bisher konnten bis zum Knochen reichende Knorpelschäden durch arthroskopische Verfahren nur mit mäßigem Erfolg behandelt werden. Arthroskopische Techniken, wie Anbohren des Knochens, die Abrasionsarthroplastik oder die Mikrofrakturierung, führen über den Austritt von Knochenmarkstammzellen zu einer Knorpelregeneration. Beim neu gebildeten Knorpel handelt es sich allerdings um Faserknorpel mit verminderter Belastbarkeit und der Gefahr eines erneuten frühzeitigen Abriebs.
Knorpeltransplantationstechniken
Seit 1996 wenden wir Operationstechniken an, die den „verloren gegangenen“ Knorpel mit möglichst hohem Anteil des ursprünglichen Gelenkknorpels wiederherstellen können. Es gilt hier anzumerken, dass diese Formen der Knorpeltransplantation Patienten mit umschriebenen Knorpelschäden des Kniegelenkes vorbehalten sind. Arthrotische Veränderungen sollten nicht vorliegen, da der hierbei verdichtete Knochen ein Anheilen der Knorpelzellen verhindert. Auch Begleitschäden wie Meniskusentfernungen, Instabilität durch Kreuzbandschaden und Achsabweichungen der Beine sollten nicht vorhanden sein oder ausgeglichen werden.
Bei Läsionen bis zu einer Größe von 2 cm2 wird die Form der arthroskopischen Knorpelknochentransplantation bevorzugt eingesetzt. Hierbei werden aus minder belasteten Stellen im Kniegelenk ein oder mehrere Knorpelknochenzylinder entnommen und in den Defekt eingesetzt. Bei dieser direkten Transplantation des Knorpels kommt es nicht zu einer Zerstörung des Verbundes zwischen Matrix und Knorpelzellen. Die Verbindung zwischen Knorpel und Knochen bleibt ebenfalls erhalten. Bei größeren Defekten käme es bei dieser Methode jedoch zu einer starken Schwächung der Entnahmestelle.
Bei Schäden bis zu einer Größe von 10 cm2 besteht die Möglichkeit der autologen Knorpelzelltransplantation.
Neue Operationstechnik zur autologen Knorpeltransplantation über Miniarthrotomie
Es wird arthroskopisch ein kleiner, etwa Reiskorn-großer Knorpelchip aus einer weniger belasteten Zone des Kniegelenkes entnommen und im Labor angezüchtet, bis eine Vermehrung der Zellen auf etwa 10 Millionen erlangt wird. Durch eine von uns entwickelte neue Technik der zusätzlichen Anzüchtung auf einem Kollagenvlies wird schon im Labor eine dreidimensionale Knorpelstruktur erreicht. Nach etwa 4 Wochen kann dann die Transplantation vorgenommen werden. Hierzu wird das Kniegelenk durch einen kleinen Schnitt eröffnet. Freie Knorpelzellen werden mit Fibrinkleber vermischt. Die Kollagen-Knorpelmatrix wird über das Gemisch aus Fibrin und Knorpelzellen auf den Knorpeldefekt geklebt.
Die Anzüchtung der Zellen erfolgt im eigenen Labor mit patienteneigenem Serum, die Transplantation wird mit „frischen“ Transplantaten vorgenommen. Es wird keine Konservierung zum Transport benutzt, da hierbei die Gefahr eines Zellsterbens gegeben ist.
Vorteile sind der wesentlich kleinere Schnitt bei der Operation, das Einbringen einer dreidimensionalen Matrix mit freien „aktiven“ Zellen und das Vermeiden von Schädigung des umliegenden gesunden Knorpels durch Nähte, welche bei der „herkömmlichen“ Technik mit Annähen eines Knochenhautlappens entstehen. Ein Abscheren des Knorpeltransplantates wird dadurch vermieden, dass die Matrix unterhalb des gesunden, umliegenden Knorpelrandes liegt. Durch Wachsen der Knorpelzellen wird das normale Knorpelniveau erreicht, ohne dass es zu einer überschießenden Neubildung des Knorpels über das normale Niveau kommt, wie es früher öfter zu sehen war.
Nachbehandlung
Nach der Operation darf das Gelenk über 8 Wochen nicht voll belastet werden. Umbauvorgänge des Knorpels dauern über ein Jahr, so dass eine starke sportliche Belastung erst nach diesem Zeitraum sinnvoll ist. Joggen ist nach etwa 5 Monaten bei guter muskulärer Kraft und Beweglichkeit des Gelenkes erlaubt.
Nach etwa 6–8 Wochen ist die Kollagenmatrix, die nur als Träger des Knorpeltransplantates diente, aufgelöst. Das Gelenk wird nun mit dem von uns entwickelten, biotechnologisch hergestellten körpereigenen Orthokin (Interleukin-1-Rezeptorantagonisten) behandelt.
Neben der knorpelabbauenden Wirkung stört Interleukin-1 auch eine Reparatur des Knorpels. Wird dieses durch den Rezeptorantagonisten blockiert, kann die Einheilung des Knorpeltransplantates verbessert werden. Erste Ergebnisse zeigen ein komplettes Einheilen der Transplantate in der Kernspintomografie.
Durch diese neuen biotechnologischen Möglichkeiten kann die Knorpeltransplantation nicht nur mit wesentlich geringerem operativem Aufwand für das Gelenk und den Patienten durchgeführt werden. Insbesondere durch das Transplantieren einer dreidimensionalen Struktur des Knorpeltransplantates und die gezielte Nachbehandlung mit dem körpereigenen Interleukin-1-Rezeptorantagonisten wird der Umbau des Transplantates vor allem in der sensiblen Frühphase verbessert, wo ansonsten die Knorpelzellen durch störende Faktoren einer frühen Schädigung durch abbauende Botenstoffe im Gelenk beeinträchtigt werden können.
Die Kostenübernahme der Knorpeltransplantation wird derzeit nur nach Prüfung im Einzelfall genehmigt. Wirtschaftlichkeitsanalysen zeigen, dass vor allem nach vorherigen Operationen die Knorpeltransplantation auf lange Sicht kostengünstig ist, da insbesondere bei jungen Patienten keine wirklichen Behandlungsalternativen vorhanden sind.
Ein Archivbeitrag* aus ORTHOpress 2 | 2001
*Archivbeiträge spiegeln den Stand zur Zeit der Erstveröffentlichung wieder. Die aktuelle Einschätzung des Sachverhalts kann durch Erfahrungszuwachs, allgemeinen Fortschritt und zwischenzeitlich gewonnene Erkenntnisse abweichen.