Über 20.000 Osteoporose-Tote jährlich
Viele Therapieansätze bei Osteoporose stützen sich vor allem auf die Verminderung der Gefahr von Knochenbrüchen durch Knochenaufbau. Das ist gut und wünschenswert, lässt aber eine Tatsache außen vor: Zu dem gefürchteten Oberschenkelhalsbruch, an dem jährlich in Deutschland über 20.000 ältere Menschen sterben, gehört immer auch der vorangegangene Sturz. Unser Gang und das Vermögen, nicht bei kleinsten Hindernissen umzufallen, beruhen auf einer beim gesunden Menschen nahezu perfekten Koordinationsmaschinerie, an der Augenlicht, Tastsinn, Gehör, Gleichgewichtssinn, Muskeln und Nerven gleichermaßen beteiligt sind.
Koordinationsfähigkeit lässt im Alter nach
Im Alter lässt diese hochkomplizierte Automatik nach: Wir benötigen Hilfsmittel wie Gehstöcke und im Winter besonders rutschfeste Sohlen, um die verloren gegangenen Fähigkeiten wenigstens teilweise zu kompensieren. Dennoch stürzen etwa 100.000 Menschen pro Jahr so unglücklich, dass sie eine Hüftfraktur erleiden – über 30% von ihnen bleiben danach trotz intensiver Rehamaßnahmen für den Rest ihres Lebens Pflegefälle und weniger als 50% der Überlebenden erreichen später wieder ihre ursprüngliche Mobilität und Lebensqualität.
Gabe von D-Hormon senkt das Sturzrisiko um 50%
In einer dreijährigen, an 489 durchschnittlich 71 Jahre alten Frauen durchgeführten Studie hat sich jetzt gezeigt, dass durch die Gabe von D-Hormon (Alfacalcidol) das Sturzrisiko signifikant gesenkt werden konnte. Es zeigte sich, dass sich bei der Vergleichsgruppe, die eine Östrogen-Therapie erhalten hatte, zwar ein Knochenaufbau nachweisen ließ – bei der Auswertung der tatsächlichen Knochenbrüche jedoch war das Ergebnis überraschend: Diese ließen sich nämlich mit der Einnahme von D-Hormon (nicht jedoch mit Östrogen) um 50% senken. Bisher hatte man angenommen, dass der Aufbau der Knochenmasse das wichtigste Therapieziel sei, und der Sturzvermeidung vergleichsweise wenig Aufmerksamkeit geschenkt.
Vitamin D allein reicht nicht
Auch eine Zufuhr von Vitamin D allein reicht beim älteren Menschen möglicherweise nicht aus, um einem Sturzrisiko vorzubeugen. Zwar wird Vitamin D im Körper in D-Hormon umgewandelt, jedoch reduziert sich im Alter die Fähigkeit dazu beträchtlich. Die Erkenntnis: Durch die direkte Gabe von D-Hormon kann dieser Verlust der körpereigenen Fähigkeiten jetzt wettgemacht werden.
Sturzvermeidung gewinnt auch in der Nachbehandlung höheren Stellenwert
Auch in der Nachbehandlung von osteoporosebedingten Frakturen wird daher im Zuge dieser Erkenntnisse großes Augenmerk auf die Sturzvermeidung gelegt. In den Reha-Kliniken setzt man inzwischen gezielt auf ein Muskel- und Gleichgewichtstraining, mit welchem die Patienten auf die Bewältigung alltäglicher Hindernisse wie Schotterwege, Treppen und glatte Fußböden vorbereitet werden. Fazit: Nicht nur der Aufbau der Knochenmasse muss gefördert, auch das Sturzrisiko selbst muss gesenkt werden – ohne Sturz kein Oberschenkelhalsbruch!
ORTHOpress 3 | 2001
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