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Krankheitsbilder

Die Behandlung der rheumatoiden Arthritis mit den sog. Tumor-Nekrose-Faktor α-Hemmstoffen

Senior Woman With Arthritic Hands Doing Crochet

Die rheumatoide Arthritis ist eine chronisch entzündliche Erkrankung, welche typischerweise gleichzeitig mehrere Gelenke betrifft. Sie beginnt an der Gelenkinnenhaut und kann im Verlauf zur Zerstörung des Gelenkknorpels und des darunter liegenden Knochens führen – mit in vielen Fällen schweren Bewegungs- und Funktionseinbußen. Besonders in der letzten Zeit sind jedoch neue Behandlungsmethoden entwickelt worden, mit denen das Fortschreiten der Erkrankung verhindert werden kann.

Etwa ein Prozent der Bevölkerung leidet an einer rheumatoiden Arthritis: Das sind in Deutschland etwa 800.000 Menschen. Jedes Jahr erkranken ca. 2000 Patienten neu. Die Erkrankung tritt üblicherweise zwischen dem 35. bis 45. Lebensjahr auf; Frauen sind etwa 3-mal so häufig betroffen.

Die rheumatoide Arthritis kann alle Gelenke des Körpers befallen. Typisch ist der symmetrische Verlauf, bei dem beide Körperseiten gleichzeitig betroffen sind. Zu Beginn sind überwiegend Fingergrund- und -mittelgelenke, gleichzeitig auch die Zehengrundgelenke betroffen. Ebenfalls typisch sind so genannte Rheumaknoten, die im Verlauf der Erkrankung im Bereich der Unterarme und des Ellenbogens auftreten. Auch andere Organe wie Herz, Lunge, Gefäße und Augen können betroffen sein. Die Erkrankung verläuft überwiegend fortschreitend und schubweise (60–70%), seltener mit einem milden Verlauf.

Die Ursache der rheumatoiden Arthritis

Die eigentliche Ursache der rheumatoiden Arthritis ist unbekannt. Man geht aber davon aus, dass durch eine Fehlsteuerung des körpereigenen Abwehrsystems Zellen des eigenen Körpers angegriffen werden, insbesondere der Gelenkinnenhaut, aber auch diejenigen anderer Körpergewebe – mit der Folge einer umfassenden Entzündungsreaktion. Der Entzündungsauslöser, nämlich die Fehlsteuerung des Immunsystems, bleibt bestehen, so dass die Entzündungsreaktion immer wieder in Gang gesetzt wird, bis es schließlich zur Versteifung der Gelenke kommt.

Für die anfängliche Fehlsteuerung des Immunsystems spielen möglicherweise neben erb­lichen Veranlagungen Infektionen mit Bakterien und Viren eine Rolle, u.U. auch Faktoren wie Stress, Ernährung und sonstige Lebensführung.

Der Entzündungsvorgang ist in den letzten Jahren weitgehend aufgeklärt worden. So konnten Medikamente entwickelt werden, die speziell diejenigen Botenstoffe ausschalten können, welche für Entzündung und Gelenkzerstörung verantwortlich sind. Unter den vielen Botenstoffen, die an der Entzündung beteiligt sind, spielt das Zytokin Tumor-Nekrose-Faktor α eine herausragende Rolle. Es ist dies der Botenstoff, der am Anfang der Entzündung von den Abwehrzellen im Gelenkinneren freigesetzt wird und die Zellen zur Entzündungsreaktion aktiviert. 

Eine ursächliche Behandlung der rheumatoiden Arthritis gibt es nicht. Ziel ist es, mit den derzeit verfügbaren Medikamenten die Aktivität der Erkrankung und Schmerzen bzw. die Funktionseinschränkung und das Fortschreiten der Gelenkzerstörung zu verhindern. Mit Medikamenten wie z.B. den Immunsuppressiva (Methotrexat), Anti-Malaria-Mitteln (Quensyl) oder anderen Substanzen wie Azulfidine RA lässt sich die Gelenkzerstörung durch Unterdrückung der Entzündungsreaktionen erzielen. Andere Medikamente wie Leflunomid (Arava) hemmen die Vermehrung spezieller Lymphozyten. Kortison ist eine Substanz mit großer Wirkung auf die Entzündungsreaktionen und auch auf die Gelenkzerstörung. Die nicht-steroidalen Antirheumatika und COX2-Hemmer (siehe Orthopress Ausgabe 3/2000) dienen im Wesentlichen der Entzündungshemmung.

Häufig bleiben diese Basistherapeutika jedoch erfolglos. Für solche Fälle wurden so genannte biologische Substanzen entwickelt. Dabei galt ein besonderes Augenmerk dem Botenstoff Tumor-Nekrose-Faktor α. Er spielt eine herausragende Rolle in der Entzündungsauslösung und im Fortschreiten aller damit verbundenen entzündlichen Reaktionen. Mit den biologischen Hemmstoffen des Tumor-Nekrose-Faktor α ist es möglich, selbst in solchen Fällen, in denen die bisher erhältlichen Medikamente keine oder eine nicht ausreichende Wirkung hatten, eine deutliche Besserung und Linderung der Entzündungsaktivität zu erzielen. Sie sind daher zunächst nur solchen Patienten vorbehalten, bei denen mehrere Basistherapien nicht effektiv waren. Die entsprechenden Medikamente werden, dem Körpergewicht angepasst, in Infusionen alle acht Wochen über etwa 2 Stunden hinweg zugeführt oder mittels einer subkutanen Spritze (wie beim Diabetiker) zweimal pro Woche injiziert. Die allgemeine Verträglichkeit dieser Medikamente ist dabei als gut zu bezeichnen.

Folgende Substanzen stehen zur Verfügung

(solche, die noch in der Entwicklung sind, sollen hier nicht aufgeführt werden):

Infliximab (Remicade): Das Medikament wird als Infusion zugeführt. Die Wirksamkeit tritt rasch nach der Infusion auf. Nach zwei bis sieben Tagen zeigt sich eine deutliche Abnahme der Schwellung und des Druckschmerzes der Gelenke. Der Effekt hält über Wochen an. Um keine körpereigene Reaktion gegen das biologische Medikament auszulösen, empfiehlt sich die gleichzeitige Gabe von Methotrexat. Als Nebenwirkungen sind Kopfschmerzen, Gliederschmerzen und eine leichte Übelkeit nach der Infusion anzumerken. Selten sind allergische Reaktionen auf das Medikament. Eine allgemeine Infektanfälligkeit unter dem Medikament ist zu beachten; Patienten mit akuten Infektionen dürfen nicht behandelt werden. Dies gilt auch für die Substanz Etanercept (Enbrel): Hier wird eine subkutane Injektion zweimal pro Woche durchgeführt, wobei an der Injektionsstelle eine leichte Rötung auftreten kann. Diese ist jedoch meist vorübergehender Natur. Die Wirkung setzt auch hier innerhalb von Tagen ein. Es empfiehlt sich auch hier zugleich eine Methotrexat-Therapie zur Verhinderung der Ausbildung von körpereigenen Abwehrstoffen.

Die Anwendung beider Substanzen ist ein deutlicher Fortschritt in der Behandlung der rheumatoiden Arthritis. Die Langzeittherapie überblickt jetzt fast sieben Jahre. Die allgemeine Verträglichkeit über Jahrzehnte hinweg wird sich jedoch noch zeigen müssen. Zur Verhinderung der Krankheitsprogression stellen beide Substanzen aber eine wichtige und grundlegende Neuentwicklung dar.

Ein Archivbeitrag* aus ORTHOpress 4 | 2000
*Archivbeiträge spiegeln den Stand zur Zeit der Erstveröffentlichung wieder. Die aktuelle Einschätzung des Sachverhalts kann durch Erfahrungszuwachs, allgemeinen Fortschritt und zwischenzeitlich gewonnene Erkenntnisse abweichen.

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