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Fuß- & Sprunggelenk

Der Patient wählt „mit den Füßen“

Moderne Fußchirurgie im 21. Jahrhundert

In den letzten Jahren hat sich die Fußchirurgie in den USA zu einem weit entwickelten Teilgebiet der Chirurgie entwickelt. Dieser Trend zeichnet sich nunmehr auch in Deutschland ab.

Immer mehr Ärzte erkennen, dass die Fußchirurgie nicht weiter Stiefkind der Chirurgie bleiben kann – dennoch wird sie in vielen Krankenhäusern immer noch so behandelt: Einer Hand voll seit Jahrzehnten beschriebener Deformitäten und funktioneller Störungen stehen nur einige standardisierte Behandlungsmethoden gegenüber, die der heutigen differenzierten Diagnostik nicht einmal annähernd gerecht werden. „Viel zu häufig wird der Fuß nicht als Ganzes gesehen. Es werden Knochen entfernt und Gelenke versteift. Mit der Folge, dass aus der scheinbaren Problemlösung in vielen Fällen schnell neue Beschwerden resultieren“, weiß der Hamburger Chirurg Omar Omar-Pasha. „Erst allmählich erkennt man, dass bei jeder Fehlstellung oder unklaren Beschwerden individuell nachgedacht werden muss.“ Bei der Analyse der Beschwerden darf man heute nicht nur von der offensichtlichen Fehlstellung ausgehen. Man sollte nicht „Röntgenbilder operieren“, sondern die Ursache der Beschwerden behandeln. Fußoperationen sind keine Eingriffe, die man unüberlegt durchführen sollte – die Nachbehandlung ist gemessen an anderen Eingriffen eher lang und braucht etwas Geduld, dessen sollte sich der Patient bei Beginn der Behandlung bewusst sein. Er wird aber in der Regel durch eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität belohnt. Dass die richtige Funktion unserer Füße unser gesamtes körperliches Wohlbefinden beeinflusst, ist eine Binsenweisheit. Die Folgen von häufig anzutreffenden Fehlstellungen des Vorfußes können von Knie- und Hüftproblemen bis hin zu schweren Rücken- und Nackenschmerzen reichen.

Häufigste Fußdeformität ist heute der so genannte „Hallux valgus“, der schmerzhafte Großzehenballen. Bewusst wird den Betroffenen die krankhafte Verformung nicht allein durch die schmerzhaften Begleiterscheinungen, sondern natürlich auch durch die damit verbundenen kosmetischen Probleme: Die unschöne Vorwölbung des Großzehenballens, die den Fuß seines Trägers in beinahe jedem Schuh unförmig und geschwollen aussehen lässt. Aber auch das lebenslange Tragen von optimal auf den Fuß abgestimmten Schuhen ist kein Garant für einen problemfreien Fuß – vielfach ist die Neigung zum Hallux valgus angeboren oder auch erblich bedingt. Früher waren die Operationen dieser Deformität tatsächlich simple Eingriffe, bei denen durch die meist durchgeführte Entfernung des Großzehengrundgelenks die Abrollcharakteristik des Fußes insgesamt unwiederbringlich beeinträchtigt wurde. Heute kann man dagegen gelenkerhaltend operieren – ein großer Gewinn für den Patienten. Der vortretende Ballen wird also nicht mehr nur entfernt, sondern die Fehlstellung des Zehenstrahls chirurgisch korrigiert. Dadurch, dass der Zeh wieder in seine physiologische Ausgangsform zurückgeführt wird, tritt neben einer Entlastung auch der gewünschte kosmetische Effekt ein. Nur bei Vorliegen einer verschleißbedingten Zerstörung des Gelenkes muss der Chirurg heute noch auf andere Methoden, wie z.B. den Gelenkersatz oder die Gelenkversteifung, zurückgreifen. Dabei können fast alle Fußoperationen heute problemlos ambulant durchgeführt werden. Nach dem Eingriff kann der Patient also am selben Tag wieder nach Hause gehen – nicht einmal ein Gips ist erforderlich; lediglich ein Entlastungsschuh muss getragen werden. Hauptvorteil dabei ist, dass der Patient sich nach der Operation in seinem gewohnten Umfeld erholen kann. In der Regel kann er im Anschluss an die Operation gut ohne medizinische Betreuung den Heimweg antreten. Kurz darauf kann bereits mit einer speziellen Krankengymnastik und Mobilisierung begonnen werden.

Nicht nur der berüchtigte Hallux valgus kann so ambulant operiert werden. Omar-Pasha: „Auch Sehnenverlagerungen, Resektionen von knöchernen Gelenkanteilen (Überbeine, Fersensporn) und Sehnenverpflanzungen können heute von erfahrenen Fußchirurgen in Praxiskliniken, Tageskliniken und von operativ tätigen niedergelassenen Ärzten durchgeführt werden, da nur noch selten ein stationärer Krankenhausaufenthalt erforderlich ist. Bei der Wahl des Chirurgen kann man sich als Patient natürlich selbstverständlich bei anderen Patienten erkundigen, wie der Eingriff bei ihnen verlaufen ist und wie sie selbst den Erfolg der Operation beurteilen – dies kann zusätzlich die Sicherheit geben von einem erfahrenen Operateur behandelt zu werden. Patienten wählen buchstäblich ‘mit den Füßen’.“

Operationen bei Patienten ohne funktionelle Beschwerden oder Schmerzen, die lediglich aus kosmetischen Gründen durchgeführt werden, müssen allerdings sehr gründlich überdacht werden: Nicht nur ist es nicht immer gesichert, dass das Resultat auch den hohen Erwartungen entspricht, die körperbewusste Menschen an Narbenfreiheit und Ästhetik stellen – auch die Fähigkeit, z.B. nach einer Hammerzehenoperation wieder modische, spitz zulaufende Schuhe schmerzfrei und optisch befriedigend tragen zu können, wird kaum ein verantwortungsbewusster Chirurg seinen Patienten zusichern. Darüber hinaus, so der Hamburger Chirurg, zeige sich, dass solche Patienten auf Grund des rein medizinisch eher geringen Leidensdruckes „häufig nicht die nötige Geduld aufbringen, um einen solchen Eingriff durch die notwendige Schonung und Rehabilitation zum Erfolg zu bringen“.

Ein Archivbeitrag* aus ORTHOpress 3 | 2001
*Archivbeiträge spiegeln den Stand zur Zeit der Erstveröffentlichung wieder. Die aktuelle Einschätzung des Sachverhalts kann durch Erfahrungszuwachs, allgemeinen Fortschritt und zwischenzeitlich gewonnene Erkenntnisse abweichen.