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Rücken

3D – Hightech-Diagnostik ohne Strahlenbelastung

Computergesteuertes lichtoptisches Verfahren erlaubt Wirbelsäulenvermessung mit bislang nicht gekannter Präzision

Kaum ein anderer Bereich der Medizin hat in den letzten Jahrzehnten solche Fortschritte aufzuweisen wie die bildgebende Diagnostik. Für die ständige Therapiekontrolle sind allerdings nur diejenigen Verfahren geeignet, die keine oder nur eine geringe Belastung für den Patienten darstellen – wie z.B. die Sonografie.

Mit der so genannten 3D-Rasterstereografie steht der modernen Orthopädie nun ein Verfahren zur Verfügung, das nicht nur vielfältige diagnostische Probleme löst, sondern auch therapeutisch effizient genutzt werden kann. Geknüpft ist diese Methode – wie so viele medizinische Errungenschaften der vergangenen Jahre – an die Möglichkeiten neuer Technologien. So hat die Medizintechnik ein Gerät hervorgebracht, das mit Hilfe einer digitalen Bildverarbeitung eine 3D-Körpervermessung erlaubt, und zwar mit bislang nicht gekannter Präzision. Mit Hilfe der rasterstereografischen Untersuchung, deren Kosten von den privaten Kassen ohne Einschränkung übernommen werden, können eine mögliche Fehlstatik der Wirbelsäule sowie muskuläre Dysbalancen objektiv sichtbar gemacht werden. „Liegen hier Fehlfunktionen vor, so kommt es zu einer Kettenreaktion, welche die gesamte Muskelbalance bis hin zur Kiefermuskulatur negativ beeinflussen kann. In der Folge können als Langzeitauswirkungen Be­cken­­­schief­stand, Rückenverkrümmungen und Muskelverspannungen auftreten, welche sich im täglichen Leben als Schmerz oder auch als stark verminderte Beweglichkeit (sog. Blockaden) bemerkbar machen. Oft sind quälende chronische Schmerzen die Folge“, erläutert der Berliner Orthopäde Dr. Detlef Kaleth. Die Therapie sollte daher darauf abzielen, die Ursachen der Fehlstatik zu erfassen und dort korrigierend einzugreifen. Letztendlich soll der Körper aus sich selbst heraus die Fehl- und Schonhaltung aufgeben.

Gearbeitet wird bei der 3D-Wirbelsäulenvermessung mit Lichtprojektion, gänzlich ohne Strahlenbelastung – also ohne Nebenwirkungen und Kontraindikationen. Damit eignet sich diese Untersuchungsform auch in besonderer Weise zur frühzeitigen Erkennung, Verlaufsbeurteilung und Behandlung etwa von Skoliosen bei Kindern und ist ab etwa dem fünften Lebensjahr problemlos durchführbar. Bei der Vermessung werden von dem zu vermessenden Rücken zwei Teilbilder aus unterschiedlichen Richtungen aufgenommen. Entsprechend der räumlichen Form und Lage des Rückens unterscheiden sich die beiden Bilder. Durch geeignete Bildanalyse kann man daraus Form und Lage des Rückens dreidimensional rekonstruieren – im Prinzip eine perfekte Weiterentwicklung der 3D-Filmtechnik.

Ersetzt man nun eine der beiden Kameras durch einen Projektor mit einem Rasterdiapositiv, werden auf das abzubildende Objekt, die Körperoberfläche, parallele Linien projiziert. Entsprechend der dreidimensionalen Oberflächenform erscheinen die Linien am Objekt deformiert. Das deformierte Linienmuster wird von einer Videokamera aufgenommen, in einen Rechner eingelesen und mit den üblichen Methoden der digitalen Bildverarbeitung analysiert. Hierdurch gelingt es, die dreidimensionale Form der Wirbelsäule und Abweichungen von der Norm zu erfassen. Entsprechende Computer-Software sowie eine Balancewaage, die Beckenschiefstände ausgleichen und die daraus resultierende veränderte Rückenform direkt messen kann, komplettieren das System.

So kann der Arzt mit Hilfe verschiedener Programmoptionen die Wirbelsäule des Patienten im Profil und von der Seite beurteilen, es können eventuelle Beckenschiefstände oder Rotationen (Drehungen) auf allen Wirbelsäulenabschnitten vermessen werden, die vom Computer auf Punkt und Komma als Gradwerte errechnet werden. Hierdurch werden sowohl Fehlstellungen oder -haltungen der Wirbelsäule an sich, aber auch als Folge z.B. des Tragens einer Knie- oder Hüftprothese millimetergenau erfasst. Die für die Therapie relevante Besonderheit des Messverfahrens gründet nicht zuletzt in der interaktiven Struktur der Anlagestationen: Nicht nur nimmt der Arzt die Untersuchungen praktisch am digitalen Stellvertreter des Patienten vor, es ist ihm auch möglich – wiederum computergesteuert – auf den Patienten einzuwirken. Er kann über weitere Menüoptionen die Balancewaage, auf der der Patient steht, entsprechend dem gemessenen Beckenstand anheben und damit z.B. einen Beinlängenausgleich simulieren. Durch eine erneute Messung nach demselben Prinzip kann dann bei simuliertem Beinlängenausgleich die Wirksamkeit dieser Situation, z.B. durch eine Schuherhöhung oder Einlage, festgestellt werden. Die Messmethode eröffnet verschiedene Möglichkeiten, sich millimeter- und probeweise einem Idealwert, der lotrechten Aufrichtung der Wirbelsäule jedes Patienten, individuell anzunähern.

Wo dies nicht möglich ist, muss anders verfahren werden, zumal wenn es darum geht, nicht nur die Symptome, sondern auch die Ursache der Beschwerden zu behandeln. Bei gröberen Abweichungen der Rotation, etwa beim Ausgleich von Drehungen der Beckenregion, muss man auf die Verbesserung des Lotes verzichten, wenn sich dadurch die Rotation oder Seitabweichung massiv verschlechtern würde. Grundlage dieser individuell angepassten Entscheidungen aber sind objektive Messergebnisse. Wichtig ist es, eine individuelle Therapie-Entscheidung unter Berücksichtigung aller Messwerte zu treffen.

Die Therapie chronisch schmerzhafter Fehlfunktionen der Wirbelsäule ist multimodal, d.h. sie umfasst verschiedene, sich ergänzende Therapieebenen. Am wichtigsten ist die Behandlung der zu Grunde liegenden Ursachen. Dafür bietet die 3D-Rasterstereografie ideale Voraussetzungen. Wirbelkörperblockierungen, Beinlängendifferenzen sowie muskuläre Ungleichgewichte können korrigiert werden. Hinweisen auf andere Ursachen muss nachgegangen werden, damit auch hier eine ursächliche Therapie erfolgen kann. Neben einer Schmerzreduktion durch physikalische und medikamentöse Maßnahmen ist die krankengymnastische Behandlung eine wichtige Säule der Therapie. Der Erfolg der Therapie lässt sich nebenwirkungsfrei mit Hilfe der lichtoptischen 3D-Wirbelsäulenvermessung erfassen, was ggf. zu neuen Behandlungsstrategien Anlass gibt. Dabei stellen sich die Erfolge oft schon nach wenigen Wochen ein. Es ist daher nicht ungewöhnlich, dass bei der Anfangsuntersuchung gefundene Fehlstatiken bei Nachmessungen bereits deutlich reduziert oder gar verschwunden seien. Der Berliner Orthopäde Dr. Kaleth: „Chronische Schmerzzustände des Bewegungsapparates werden allzu oft nicht mehr durch eine funktionelle Behandlung, sondern rein medikamentös zu lösen versucht. Solange die Ursache nicht beseitigt und der Körper durch ein geeignetes Training gezielt gekräftigt wurde, treten die Beschwerden oft nach kurzer Zeit wieder auf. Dies ist ein Teufelskreis, den man nach Möglichkeit zu durchbrechen versuchen sollte. Hervorragender Erfolg einer solchen Behandlung ist, wenn auf die hochdosierte Gabe von Schmerzmitteln verzichtet werden und der Patient einem normalen Tagwerk nachgehen kann.“

Ein Archivbeitrag* aus ORTHOpress 3 | 2001
*Archivbeiträge spiegeln den Stand zur Zeit der Erstveröffentlichung wieder. Die aktuelle Einschätzung des Sachverhalts kann durch Erfahrungszuwachs, allgemeinen Fortschritt und zwischenzeitlich gewonnene Erkenntnisse abweichen.