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Rücken

Erfolgreiche Bandscheibenbehandlung ohne Skalpell – wie empfindet der Patient?

A hurting woman, who is sitting on a couch and holding her lower back with her left hand.

Orthopress sprach im Wirbelsäulenzentrum Köln/Rhein-Sieg mit den Orthopäden René Conrads, Dr. Robert Döhmen und Dr. Georg Schmitt sowie der Verwaltungsangestellten Ingrid Irmer (51) aus Bonn, die vor zwei Jahren die Behandlung mit dem Katheterverfahren nach Prof. Racz der „offenen“ Operation vorzog.

Beim dem neuartigen Verfahren zur Behandlung von Wirbelsäulenschmerzen wird ein dünner Katheter durch eine natürliche Öffnung am Steißbein in den Wirbelkanal eingeführt und bis zum eingeengten Nerv vorgeschoben. Dort werden dann spezielle Medikamente eingespritzt, welche die vorgefallene Bandscheibe gezielt schrumpfen lassen. Die Nervenreizung kann so in vielen Fällen beseitigt und eine Operation umgangen werden. Die „sanfte“ Kathetermethode gilt – zumindest bei Bandscheibenvorfällen ohne schwere Lähmungserscheinungen – als revolutionär. Nicht nur, weil der Patient schneller wieder auf den Beinen ist, sondern auch, weil mit ihr weitgehend die gefürchtete Narbenbildung nach dem Eingriff vermieden wird, die bei den herkömmlichen Operationsmethoden oft zu neuen, schlecht zu therapierenden Schmerzen führt.

OP: Frau Irmer, wann haben Sie zum ersten Mal gemerkt, dass mit Ihrem Rücken irgend etwas nicht stimmte?

Irmer: Das muss so etwa 1995 oder 1996 gewesen sein. Ich hatte ab und zu Kreuzschmerzen, die aber in Schüben auftraten und sich eigentlich auch nicht großartig verschlimmerten …

OP: … bis zu jenem unheilvollen Tag im Sommer 1998?

Irmer: Stimmt! Ich kam gerade von der Arbeit nach Hause. Mein Wagen stand mit laufendem Motor vor der Garage, und ich beugte mich vorn­über, um das Garagentor zu öffnen.
Auf einmal hatte ich einen stechenden Schmerz im Rücken. Meine Beine haben mir nicht mehr gehorcht, ich bin sofort auf die Knie gesackt. Ich glaube, das waren die furchtbarsten Schmerzen, die ich je erlebt habe.

OP: Was geschah dann? Haben Sie selbst sofort an einen Bandscheibenvorfall gedacht?

Irmer: Ich arbeite selbst in einer orthopädischen Praxis in Bonn. Mir war daher schon in etwa klar, was passiert sein musste. Ich bin dann zunächst geröntgt worden, um das Ausmaß des Vorfalls zu bestimmen. Als man mir gesagt hat, dass eine Operation unumgänglich ist, war ich aber schon geschockt. Ich bin mein ganzes Leben lang ein sportlich aktiver Mensch gewesen, früher mit Leichtathletik, später dann mit Gerätetraining im Studio. Das Erste, was einem durch den Kopf schießt, ist doch: Das kann ich jetzt alles abschreiben.

OP: Wann haben sie zum ersten Mal von der Kathetertechnik gehört?

Irmer: Ehrlich gesagt habe ich in der Orthopress darüber gelesen (lacht). Ich habe mir aber nicht vorstellen können, dass mir dieses Verfahren noch helfen könnte. Es wurde mir auch von Anfang an gesagt, dass der Erfolg ungewiss ist, wenn bereits Lähmungserscheinungen in den Beinen auftreten.
Ich wollte aber auf keinen Fall eine offene OP. Ich sehe täglich Patienten, die das über sich haben ergehen lassen. Es ist schon abschreckend, wenn man jeden Tag hautnah mitbekommt, wie lange es dauert, bis solche Patienten auch nur wieder sitzen können, ganz zu schweigen vom oft mangelhaften Erfolg der Operation.

Dr. Schmitt: Man muss dazu sagen, dass die kernspintomografische Untersuchung bei Frau Irmer einen Bandscheibenvorfall zwischen dem 5. Lendenwirbelkörper und dem als S1 bezeichneten Kreuzbein ergeben hat. Es lag daher aus medizinischer Sicht eine geradezu ideale Indikation für die Anwendung des Epiduralkatheters vor.

OP: Frau Irmer, wie haben Sie den Eingriff empfunden? Er wird ja nicht unter Vollnarkose durchgeführt, sondern nur mit einer lokalen Betäubung.

Irmer: Man spürt natürlich, wenn der Katheter gelegt wird. Es ist aber, wie Dr. Conrads mir erklärt hat, eine natürliche Öffnung am Steißbein. Es wird also kein Knochen bei dem Eingriff verletzt. Und der kleine Einstich ist kein Vergleich zu den Schmerzen des Bandscheibenvorfalls selbst.
Ich bin dann nochmals geröntgt worden, um den richtigen Sitz des Katheters zu überprüfen. Vom Einspritzen der Enzymlösung habe ich dann aber außer einem leichten Kribbeln nichts gespürt.

OP: Wie lange mussten Sie nach dem Eingriff das Bett hüten? Wann konnten Sie das erste Mal wieder aufstehen?

Irmer: Ich bin bereits am nächsten Tag wieder über den Flur gelaufen und habe – natürlich in Begleitung eines Pflegers – eine Tasse Kaffee in der Caféteria des Krankenhauses getrunken.

OP: Und wie sah es mit den Schmerzen aus?

Irmer: Die ersten Tage hatte ich noch leichte Schmerzen vom Katheter. Die Bandscheibenschmerzen waren aber praktisch sofort weg und ich hatte auch den Eindruck, dass ich bis auf ein leichtes Ziehen in der Steißbeingegend keine Probleme mehr hatte. Nach meiner Einschätzung hätte ich eigentlich wieder sofort alles unternehmen können.
Dr. Döhmen: Der schmerz­­­­­lindernde Effekt des Katheters ist bei den meisten Patienten relativ zeitig, d.h. in einem Zeitraum von ca. 4–12 Tagen, festzustellen. Wichtig ist allerdings, dass sich der Patient in dieser Zeit schont. Auch wenn er den Eindruck hat, er könne sich bereits wieder belasten, so sollte er sich keinesfalls körperlichen Belastungen aussetzen.

OP: Die Lähmungen waren auch sofort verschwunden?

Irmer: Das war ja das eigentliche Problem. Wenn man Lähmungserscheinungen hat, bekommt man es ja richtig mit der Angst zu tun. Vor dem Katheter hatte ich ja schon kein Gefühl mehr in der großen und mittleren Zehe. Nach dem Eingriff war das aber sofort verschwunden, obwohl ich anfänglich schon meine Zweifel hatte.

OP: Wann sind Sie dann aus dem Krankenhaus entlassen worden?

Irmer: Ich bin nach einer Woche entlassen worden, was aber wohl an meinem schwachen Kreislauf liegt. Ich habe sehr niedrigen Blutdruck, und Dr. Conrads wollte mich daher nicht am Tag nach der Behandlung nach Hause gehen lassen.

OP: Haben Sie seitdem wieder Sport getrieben? Wie lange hat es gedauert, bis Sie wirklich „rundum“ schmerzfrei waren?

Irmer: Ich bin montags aus dem Krankenhaus entlassen worden und habe mittwochs mit leichter Krankengymnastik angefangen und auch Massagen bekommen. Natürlich wollte ich auch so schnell wie möglich wieder fit werden. Wann ich komplett schmerzfrei war, kann ich gar nicht genau sagen. Darüber habe ich noch nie nachgedacht. Jetzt, wo Sie mich fragen: Richtige Schmerzen habe ich ja gar nicht mehr gehabt nach der Behandlung. Vielleicht sechs, sieben Tage danach habe ich noch die Stelle gespürt, wo der Katheter gelegen hat. Aber ich weiß es nicht mehr, wirklich nicht. Nach 14 Tagen habe ich dann mit der ambulanten Reha begonnen, 25 Trainingseinheiten. Und danach habe ich weitergemacht.

Conrads: In der Tat zeigt sich bei Frau Irmer ein idealer Behandlungsverlauf. Gelegentlich kann es bis zu 14 Tagen dauern, bis sich weitgehende Schmerzfreiheit einstellt. Es muss allerdings gesagt werden, dass sich die Prognose des Eingriffs nach der Schwere der zu Grunde liegenden Erkrankung richtet. Die Erfolgsrate schwankt daher zwischen 70 und 95%. Im Übrigen kommt hier der krankengymnastischen Nachbehandlung eine große Bedeutung zu. Ein intensives Mus­kelaufbautraining zur Stabilisierung der Wirbelsäule ist absolut unverzichtbar.

OP: Frau Irmer, Sie sind nach eigenen Angaben immer ein aktiver Mensch gewesen. Hat sich Ihr Leben nach dem Bandscheibenvorfall verändert?

Irmer: Vielleicht insofern, als ich heute mehr auf die „richtige“ Bewegung achte. Ich habe ja gesehen, dass selbst ein sportlicher Mensch wie ich nicht vor einem Bandscheibenvorfall sicher sein kann. Und ich würde heute bereits bei den ersten Anzeichen von Rückenproblemen zum Arzt gehen, nicht erst nach zwei Jahren. Es hätte ebenso gut zu spät sein können. Ich bin dankbar, dass es so weit nicht gekommen ist. Vor allem bin ich aber überzeugt, dass ich mit dem epiduralen Katheterverfahren die richtige Entscheidung getroffen habe. Ich weiß nicht, ob ich heute so unbeschwert hier säße, wenn ich mich für eine Operation entschieden hätte.

OP: Frau Irmer, vielen Dank für das Gespräch.

Ein Archivbeitrag* aus ORTHOpress 2 | 2002

*Archivbeiträge spiegeln den Stand zur Zeit der Erstveröffentlichung wieder. Die aktuelle Einschätzung des Sachverhalts kann durch Erfahrungszuwachs, allgemeinen Fortschritt und zwischenzeitlich gewonnene Erkenntnisse abweichen.