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Rücken

IDET

Ein Doktor erklärt einem Patienten den Grund für seine Rückenschmerzen

Kann eine Wärmesonde endlich die chronischen Rückenschmerzen nehmen?

Ähnlich wie in anderen Bereichen der Medizin erlangen auch im Bereich der Wirbelsäulenerkrankungen neben den minimalinvasiven operativen Techniken auch die interventionellen Verfahren zunehmend an Bedeutung. Zusätzlich zu den üblichen bildwandlergesteuerten Therapieverfahren im Bereich der Wirbelsäule, die eine präzise Behandlung schmerz­hafter Strukturen erlauben, hat das Wirbelsäulenzentrum der Orthopädischen Klinik München-Harlaching als eine der ersten Kliniken in Europa das IDET-Verfahren als Therapiemöglichkeit für Patienten mit chronischen Rückenschmerzen eingeführt. Hierbei wird eine Wärmesonde in die Bandscheibe eingeführt, um schmerzhafte Einrisse im Bereich der Bandscheiben der Lendenwirbelsäule durch Erwärmung wieder zu verschließen. Das Wirbelsäulenzentrum nimmt dabei eine internationale Vorreiterrolle in der wissenschaftlichen Untersuchung dieses Verfahrens ein und hofft, dass somit bei bestimmten Patienten aufwändigere Operationen vermieden werden können.
Viele Rückenschmerzpatienten träumen davon: Unter lokaler Betäubung wird ein Katheter an den schmerzenden Bereich der Wirbelsäule geführt und nach wenigen Minuten ist der plagende Kreuzschmerz Vergangenheit. Durch die Entwicklung z.B. von Endoskopen in der Gastroenterologie oder spezieller Herzkatheter in der Kardiologie konnten in anderen Bereichen der Medizin wenig belastende Therapieverfahren entwickelt werden, durch die größere und nebenwirkungsreichere operative Eingriffe häufig erfolgreich vermieden werden können. Die bisher in der Behandlung von Wirbelsäulenproblemen erprobten weniger invasiven Verfahren haben sich dabei jedoch leider bisher langfristig nicht durchsetzen können. Das IDET-Verfahren mag dabei einen neuen Weg für die zukünftige Entwicklung weiterer für den Patienten wenig belastender Eingriffe im Bereich der Wirbelsäule aufzeigen. IDET (Intradiskale Elektrothermale Therapie) wurde von den Brüdern Jeff und Joel Saal an der Stanford-Universität in Kalifornien entwickelt und wird seit 1998 weit verbreitet in den USA eingesetzt. Bisher wurden bereits mehr als 7.000 Patienten behandelt, vor allem in den USA. Die bisherigen Ergebnisse sind ermutigend: Über 70% der bisher behandelten Patienten geben eine deutliche Beschwerdebesserung an, nach zum Teil jahrelangen therapieresistenten Rückenschmerzen.
Eine wichtige Erkenntnis, die zur Entwicklung von IDET geführt hat, sind die Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschungen der letzten Jahre über die Entstehung von Rückenschmerzen. Der Bandscheibenverschleiß wird dabei zunehmend nicht nur als ein Grund für einen möglichen Bandscheibenvorfall erkannt (bei dem die Schmerzen typischerweise in die Beine ausstrahlen), sondern auch als Auslöser für chronische Rückenschmerzen ohne wesentliche Ausstrahlung in die Beine (Lumbalgien). Als Ursache hierfür wird angesehen, dass es mit zunehmendem Alter bei vielen Menschen zu einem Verlust der Stoßdämpferfunktion des inneren Anteils der Bandscheibe (Nucleus pulposus) kommt; der äußere Faserring (Annulus fibrosus) wird brüchig und es kann zu Einsprossungen von schmerzübertragenden Nervenfasern kommen. Es resultiert ein diskogener Schmerz, d.h. die Bandscheibe selbst wird zum Schmerzauslöser.

Als einzige Behandlungsmöglichkeit nach Versagen konservativer Maßnahmen blieb bisher nur eine größere Operation: Bei der Fusionsoperation wird meistens das schmerzende Bandscheibengewebe entfernt und durch einen Knochenspan oder Metall ersetzt. Durch IDET bietet sich jedoch für Patienten mit noch mäßigem Bandscheibenverschleiß eine andere, schonendere Behandlungsmethode an, bei der keine Entfernung der Bandscheibe notwendig ist.

Indikationen für das IDET-Verfahren:

  • chronische lumbale Rückenschmerzen für länger als sechs Monate
  • wenig Beinschmerzen (Ischialgien)
  • intensive konservative Behandlungsmaßnahmen ohne anhaltende Beschwerdebesserung
  • Hinweise für mäßige Bandscheibendegeneration in der Kernspintomografie
  • Alter: jünger als 60 Jahre
  • bisher keine Operationen im Bereich der betroffenen Bandscheibe
  • Schmerzreproduktion bei einer Diskografie

Wie funktioniert IDET?

Zunächst muss der Arzt feststellen, ob der jeweilige Rückenschmerz tatsächlich von einer verschlissenen Bandscheibe kommt, denn auch andere Strukturen, wie z.B. die Facettengelenke und die Muskulatur und Weichteilgewebe, können eine wesentliche Ursache für Rückenschmerzen sein. Hierzu sind neben der Krankheitsgeschichte die klinische Untersuchung, Röntgenbilder, Kernspintomografien und in der Regel eine Diskografie notwendig. Bei der Diskografie wird unter Röntgenkontrolle ein Kontrastmittel in die Bandscheibe eingebracht, um den Zustand der Bandscheibe und deren Rolle als Schmerzauslöser zu beurteilen. Sollte bei der Diskografie festgestellt werden, dass die betroffene Bandscheibe tatsächlich für die Schmerzsymptomatik verantwortlich ist, besteht, unter Berücksichtigung bestimmter Einschränkungen (vgl. Tabelle), prinzipiell die Indikation zur IDET-Therapie. Hierbei wird nach Lokalanästhesie und nur leichter Sedierung unter sterilen Bedingungen ein spezieller Katheter unter Röntgenkontrolle in die betroffene Bandscheibe eingebracht. Dabei soll der Katheter so positioniert werden, dass der hintere Anteil der Bandscheibe gänzlich durch den Katheter abgedeckt wird. Danach erfolgt das Erhitzen einer Wärme­spule, die in den letzten sechs Zentimetern des Katheters eingebaut ist. Durch das Erhitzen kommt es zu einer Umwandlung des Kollagengewebes des äußeren Faserrings der Bandscheibe, kleine Fissuren werden wieder verschlossen und die schmerzübertragenden Nervenfasern werden koaguliert. Nach Entfernung des Katheters nach etwa 15-minütiger Erhitzungszeit kann der Patient bereits wieder nach wenigen Stunden aufstehen und umherlaufen. Für etwa drei Monate nach dem Eingriff darf der Patient sich jedoch nicht stark körperlich belasten, insbesondere schweres Heben ist zu vermeiden, um den Umwandlungsprozess des Kollagens nicht zu beeinträchtigen. Bei sachgerechter Durchführung sollte der Patient außer einem für ein paar Tage anhaltenden verstärkten Rückenschmerz keine wesentlichen Nebenwirkungen haben.

Im Rahmen einer klinischen Studie werden die Behandlungserfolge mit anderen Behandlungsmethoden verglichen. Ebenso erfolgen standardisierte kernspintomografische Nachuntersuchungen, um mögliche Veränderungen im Bandscheibengewebe darstellen zu können. Die Hoffnung besteht, mit dem IDET-Verfahren bestimmten Rückenschmerzpatienten ein neues wirksames und wenig belastendes Behandlungsverfahren anbieten zu können.

aus OrthoPress 1 | 2000

Alle Beiträge dienen lediglich der Information und ersetzen keinesfalls die Inanspruchnahme eines Arztes*in. Falls nicht anders angegeben, spiegeln sie den Stand zur Zeit der Erstveröffentlichung wider. Die aktuelle Einschätzung des Sachverhalts kann durch Erfahrungszuwachs, allgemeinen Fortschritt und zwischenzeitlich gewonnene Erkenntnisse abweichen.