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Rücken

Stufenkonzept bei Rückenschmerzen: Genaue Diagnose ist wichtig

Rueckentherapie

Wohin mit den Rückenschmerzen? Sie gehören zu den häufigsten Beschwerden und doch ist man als Betroffener oft ratlos: Zum Hausarzt gehen? Oder zum Orthopäden? Dann die Ungewissheit, welche notwendigen Schritte wohl eingeleitet werden müssen –Wer hat nicht Angst vor einer Operation, auch wenn die Eingriffe heute immer schonender werden? Im Laufe seines Lebens leidet heute beinahe jeder einmal unter Rückenschmerzen – nach Erkältungskrankheiten sind sie in Deutschland der häufigste Grund für Krankschreibungen. Betroffen sind dabei nicht etwa nur Menschen, welche ihre Wirbelsäule besonders beanspruchen – „Schreibtischtäter“ gehören genauso dazu wie Bauarbeiter oder Profisportler.

„Nicht alle Schmerzen, welche an der Wirbelsäule auftreten, haben die gleiche Ursache. Eine Vielzahl von mechanischen Irritationen, muskulären Dysbalancen und statischen Problemen können Beschwerden verursachen“, erläutert der Orthopäde Dr. Robert Döhmen die Problematik. Zusammen mit seinen Kollegen René Conrads und Dr. Georg Schmitt von der orthopädischen Privatpraxis „Orthopädie am Stadtwald“ hat er sich auf die Behandlung des am meisten belasteten Bereichs des gesamten menschlichen Körpers spezialisiert. Dabei ist die Unterscheidung der Schmerzursachen voneinander nicht immer einfach. Neben dem gefürchteten Bandscheibenvorfall können auch degenerative Veränderungen an den Wirbelkörpern, eine Höhenminderung einzelner Wirbeletagen oder aber auch ein angeboren oder erworben enger Spinalkanal dafür sorgen, dass die in der Wirbelsäule verlaufenden Nerven schmerzhaft bedrängt werden.

Damit die verschiedenen Ursachen jeweils am wirkungsvollsten bekämpft werden können, haben die Orthopäden ein Stufenkonzept entwickelt, welches der Schwere der Probleme auf verschiedenste Arten gerecht wird.

Die entsprechenden Therapieformen sind dabei aber nicht nur abhängig von der Grunderkrankung: Auch die jeweilige Schwere der Verlaufsform und die damit einhergehenden Funktionsstörungen können so auf individuelle Art und Weise berücksichtigt werden.

Therapiestufe I

Die Therapiestufe I umfasst im wesentlichen eine konservative Therapie, d.h. es wird kein „Eingriff“ vorgenommen. Sie kommt zur Anwendung bei verschleißbedingten Veränderungen der Wirbelkörper und der Bandscheiben ohne motorische Ausfälle, welche aber oft mit schmerzhaften Verspannungen einhergehen. Hier stehen Maßnahmen wie Chirotherapie, Krankengymnastik, Massagen, Bestrahlungen und Streckbankbehandlungen zur Verfügung.

Therapiestufe II

Sie findet Anwendung bei fortgeschrittenen Erkrankungen der Wirbelgelenke und bei weniger schweren Bandscheibenvorwölbungen. Solche „Protrusionen“ führen nicht selten zu stechendem, belastungsabhängigem Schmerz und zu Nervenwurzelreizungen. Die Folge können Schmerzen und Gefühlsstörungen sein, welche in Arme und Beine ausstrahlen. Sie  werden durch gezielte Infiltrationen unter Bildwandlerkontrolle bekämpft. Hierbei werden schmerzstillende und entzündungshemmende Medikamente verabreicht, welche die Reizung der schmerzenden Nerven verringern und zum Rückgang der Entzündungsreaktion führen.

Therapiestufe III

Bei Dauerschmerzen, welche sich nicht mehr funktionell beheben lassen, muss eine reine Schmerzbehandlung in Betracht gezogen werden. Auch dazu ist heute kein großer Eingriff mehr notwendig: Über eine nur wenige Millimeter dünne Sonde können die schmerzenden Nervenfasern oder auch degenerativ veränderte Anteile von Wirbelkörpern durch Hitze oder Kälte selektiv verödet werden. Ohne Nebenwirkungen kann so eine große Schmerzlinderung bzw. Schmerzfreiheit erreicht werden.

Therapiestufe IV

Ihre Grenzen finden die vorherigen Therapiestufen dann, wenn zur Reizung der Nervenwurzel eine noch bestehende starke mechanische Nervenkompression hinzutritt, wie z.B. beim akuten Bandscheibenvorfall, wenn der vorgefallene Faserring der Bandscheibe direkt auf den Nerv drückt: Hier kommt in vielen Fällen eine Behandlung mit dem sog. Epiduralen Katheterverfahren in Betracht. Bei diesem Verfahren ist ein dreitägiger stationärer Aufenthalt des Patienten erforderlich. Hier wird ein Katheter in den Epiduralraum gelegt, über den im Abstand von 24 Stunden eine Kombination aus einem Cortison-Präparat (nur bei der ersten Einleitung), Enzymen und einer Kochsalzlösung eingespült wird. Hier erfolgt nicht nur eine Beruhigung des bedrängten Nervs, sondern es erfolgt durch die Kochsalzlösung auch eine Schrumpfung des Bandscheibengewebes, wodurch eine mechanische Druckentlastung eintritt. „Im Gegensatz zu einer Operation ist nach dem Katheterverfahren keine gesonderte Reha-Behandlung erforderlich, es sollte aber nach etwa drei Wochen zur Sicherung des Therapieerfolgs mit gezielten krankengymnastischen Übungen begonnen werden“, betont René Conrads.

Therapiestufe V

Diese letzte Stufe des Therapiekonzeptes gelangt glücklicherweise immer seltener zur Anwendung. Nur bei schweren motorischen Ausfällen und Lähmungserscheinungen muss heute noch operiert werden. Dennoch sind die Zeiten früherer „Radikaloperationen“ vorbei: Viele Bandscheibenvorfälle können heute bereits mikrochirurgisch entfernt werden, so dass nur eine geringe Traumatisierung des umliegenden Gewebes zu befürchten ist. Durch die kleinen Zugänge, welche heute möglich sind, sinkt das Risiko einer schmerzhaften Vernarbung nach der Operation.

aus ORTHOpress 03|2002

Alle Beiträge dienen lediglich der Information und ersetzen keinesfalls die Inanspruchnahme eines Arztes*in. Falls nicht anders angegeben, spiegeln sie den Stand zur Zeit der Erstveröffentlichung wider. Die aktuelle Einschätzung des Sachverhalts kann durch Erfahrungszuwachs, allgemeinen Fortschritt und zwischenzeitlich gewonnene Erkenntnisse abweichen.