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Behandlungsmethoden

Selbst ist der Patient:

The specialist are checking continuous renal replacement therapy equipment and injection pump and hemodialysis machine.

Die Eigenblutspende

„Das mit der Eigenblutspende vor jeder Operation hat eigentlich immer gut geklappt“, sagt Gerhard Eller, „nur beim letzten Mal nicht – da brach mein Kreislauf zusammen“. Der 83-Jährige hat bereits drei Hüftoperationen hinter sich: Die Arthrose im rechten Hüftgelenk war 1994 so schlimm geworden, dass es ohne Prothese nicht mehr ging. Leider lockerte sich das einzementierte Kunstgelenk schon bald – nach nur vier Jahren musste es ersetzt werden. Und weitere zwei Jahre später blieb Gerhard Eller erneut nichts anderes übrig, als sich unters Messer zu legen: Nun waren die Schmerzen auf der linken Seite unerträglich geworden.

Der Einbau einer Endoprothese zählt zu den großen orthopädischen Operationen, bei denen der Patient unter Umständen viel Blut verliert. Um den Verlust zu ergänzen, muss häufig noch während des Eingriffs eine Bluttransfusion erfolgen. Viele Patienten erhalten dann ihre eigene Konserve: Sie hatten sich rechtzeitig vor der Operation bis zu viermal Blut abzapfen lassen. Diese Eigenblutspende trägt dazu bei, eine Transfusion von Fremdblut möglichst zu vermeiden – denn die birgt zwar sehr kleine, aber nicht gänzlich auszuschließende Risiken. Der fremde Lebenssaft könnte gefährliche Viren oder Bakterien enthalten oder allergische Reaktionen auslösen. Nicht-körpereigenes Blut schwächt außerdem das Immunsystem: Immerhin jeder vierte Empfänger erkrankt nach dem Eingriff an einer Infektion. Insgesamt ist das Risiko höher, durch Fremdblut zu sterben, als durch die Narkose oder eine Flugreise.

Eigenes Blut abzugeben hat besonders bei orthopädischen Eingriffen noch einen weiteren Vorteil: Es schützt vor Thrombose. Tiefe Beinvenenthrombosen sind eine speziell in der Endoprothetik von Hüfte und Knie gefürchtete Komplikation. Bei Patienten, die vorher Eigenblut spendeten, tritt dieses Problem deutlich seltener auf – mit jedem Aderlass vor der Operation verringert sich die Gefahr.

Seit der AIDS-Epidemie diskutieren Fachleute verstärkt die Risiken von Transfusionen. In diesem Zusammenhang setzte sich die Eigenblutspende seit zehn Jahren mehr und mehr durch: Wenn möglich, muss diese Maßnahme heute jedem Patienten angeboten werden, urteilte schon 1993 der Bundesgerichtshof. So geschah es auch bei Gerhard Eller. Sein Operateur empfahl vor jedem Eingriff, rechtzeitig einen ausreichenden Vorrat an Eigenblut zu sammeln. Die endgültige Entscheidung trifft der Patient: Eller erklärte sich sofort einverstanden.

Nach einer gründlichen Untersuchung wurden seine Spendetermine festgelegt. Der erste lag immer genau vier Wochen vor dem fixierten OP-Termin – denn Eigenblutkonserven sind nur begrenzt haltbar. Gerhard Eller sollte dreimal einen halben Liter spenden; so blieb ihm jeweils eine Woche Zeit, um genügend Hämoglobin nachzubilden und die verlorenen roten Blutkörperchen zu ersetzen.

Bevor der Arzt die Vene ansticht, misst er zunächst den Blutdruck. Anschließend zapft er etwas Blut, um sicherzustellen, dass es genügend Hämoglobin enthält. Der Vorgang unterscheidet sich insgesamt nicht wesentlich von einer normalen Blutspende. Am Ende erfolgt nochmals eine Blutdruckkontrolle – der Patient sollte zur Sicherheit noch mindestens 45 Minuten auf der Station verweilen und danach nicht selber Auto fahren.

„Vor der ersten Operation lief das alles reibungslos“, berichtet Gerhard Eller. „Ich fühlte mich vor und nach der Entnahme fit und hätte auch sofort wieder gehen können.“ Dank der Eisentabletten, die Eller täglich einnahm, hatte er vor jeder Spende stets wieder genug Hämoglobin im Blut. „Bei der zweiten Operation war eigentlich alles genauso“, erinnert sich der Pensionär, „nur habe ich da gemerkt, dass ich älter geworden bin – jedes Mal dauerte es länger, bis ich mich erholt hatte. Meine Frau musste mich immer abholen.“ Zur dritten Operation konnte der dann 82-Jährige kein Eigenblut mehr liefern: Der Anästhesist brauchte zunächst lange, um die Vene zu finden – und als die Nadel endlich traf, wurde Gerhard Eller plötzlich übel und schwummerig, sein Blutdruck sackte in den Keller. Der Arzt musste die Prozedur sofort abbrechen und ein Mittel spritzen, das den Kreislauf stabilisiert.

Bei Eigenblutspenden treten zwar selten Nebenwirkungen auf, aber sie stellen vor allem für ältere Patienten eine Belastung dar. Die häufigsten Probleme sind Blutdruckabfall oder verlangsamter Pulsschlag. Eine klinische Untersuchung muss deshalb vorher klären, ob die Kreislaufverhältnisse eine Blutspende erlauben. Bei manchen Personen kann sie von vornherein ausgeschlossen sein, zum Beispiel bei Herz-Kreislauf-Krankheiten. Falls der Patient wegen einer Arteriosklerose vorbeugend Acetylsalicylsäure einnehmen muss, ist sein Blutplasma nicht für eine Transfusion geeignet. Und bei Diabetikern könnte ein Aderlass den Zuckerspiegel aus dem Gleichgewicht werfen.

Eine Transfusion von Fremdblut lässt sich noch durch weitere Maßnahmen vermeiden. Als wichtigste gilt eine strenge Indikation: Braucht der Patient unbedingt die Transfusion? Kritische Wissenschaftler behaupten, dass viele der jährlich in Deutschland verbrauchten vier Millionen Blutkonserven eingespart werden könnten. Die Experten berufen sich dabei auf zahlreiche Studien, die zeigen, dass der Blutverbrauch bei vergleichbaren Eingriffen sehr stark variiert. Als besonders aufschlussreich erwiesen sich Untersuchungen mit Patienten, die aus religiösen Gründen jegliche Übertragung von fremdem Blut ablehnen. So verglichen amerikanische Forscher zwei Gruppen von Operierten, die alle eine Hüft-Endoprothese erhalten hatten. Bei der einen Hälfte der Probanden handelte es sich um Zeugen Jehovas: Während sie kein Blut bekamen, wurden in der anderen Gruppe fast 90 Prozent transfundiert. Dieser Unterschied hatte jedoch keinen Einfluss auf den klinischen Verlauf: Den Patienten mit Transfusion ging es nach der Operation nicht besser als den Zeugen Jehovas.

Als wesentliches Kriterium für Transfusionen gilt das Hämoglobin (Hb-Wert). Die roten Blutkörperchen transportieren lebenswichtigen Sauerstoff zu den Organen. Fällt ihre Konzentration unter eine bestimmte Grenze, drohen schwere Schäden. Besonders gefährdet ist das Herz, das Organ mit dem höchsten Sauerstoffverbrauch. Normalerweise liegt der Hb-Wert gesunder Menschen bei etwa 15 Gramm pro Deziliter Blut. Moderne Operationstechnik macht es heute möglich, dass selbst ein Wert von 7,5 noch als sicher gelten kann. Durch die Kombination von Eigenblut mit verschiedenen weiteren Maßnahmen gelingt es einigen Chirurgen sogar, den Einsatz von Fremdblut trotz extremer Blutverluste zu vermeiden. Dabei kamen junge und sonst gesunde Patienten mit minimalen Hb-Konzentrationen von weniger als 4 Gramm pro Deziliter aus; Voraussetzung dafür ist allerdings eine Beatmung mit reinem Sauerstoff.

Trotz solcher Fortschritte kommt die operative Orthopädie nicht ohne Blutkonserven aus. Denn nicht alle Patienten können Eigenblut spenden, und vor allem ältere und chronisch kranke Menschen brauchen höhere Hämoglobinwerte. Dann kann Fremdblut Leben retten. Leider stehen dafür noch immer zu wenig Konserven zur Verfügung: Nur zwei Prozent der 18- bis 60-jährigen Bürger spenden Blut.

Ein Archivbeitrag* aus ORTHOpress 2 | 2001
*Archivbeiträge spiegeln den Stand zur Zeit der Erstveröffentlichung wieder. Die aktuelle Einschätzung des Sachverhalts kann durch Erfahrungszuwachs, allgemeinen Fortschritt und zwischenzeitlich gewonnene Erkenntnisse abweichen.