Neue Entwicklungen bei der Fußchirurgie
Während über Hüft-, Knie- oder auch Schulterchirurgie sehr viel berichtet und geredet wird, fristete die Chirurgie des Fußes eher ein Schattendasein. Landläufig herrscht oft noch die Meinung, dass man – außer Einlagen tragen – an den Füßen sowieso nichts machen kann. Und die teilweise funktionell doch recht schlechten Ergebnisse der Fußchirurgie in der Vergangenheit konnten an diesem negativen Bild auch nur wenig ändern. Dabei hat gerade in der Fußchirurgie in den letzten fünf bis zehn Jahren eine kleine, stille Revolution stattgefunden. Neue Materialien und Operationsmethoden, sowie völlig neue Behandlungskonzepte haben Eingang in die Operationssäle gefunden. Orthopress sprach mit dem Hofheimer Orthopäden Holger Falk, der operative Eingriffe sowohl ambulant also auch kurzstationär durchführt, über moderne Strategien in der Fußchirurgie.
Herr Falk, wann muss man Füße operieren? Genügen nicht fast immer konservative Maßnahmen, wie richtige Schuhe und Einlagen?
Es ist tatsächlich so, dass die meisten Beschwerden an den Füßen primär konservativ behandelt werden können. Das heißt, mit Einlagen, Abrollhilfen, orthopädischem Schuhwerk oder spezieller Krankengymnastik kann den meisten Patienten geholfen werden. Trotzdem liegen bei vielen derartig ausgeprägte Deformierungen vor oder die Schmerzen sind so ausgeprägt, dass nur ein operativer Eingriff noch Abhilfe schaffen kann. Dies sind vor allem Fälle, in denen die Statik des Fußes verändert ist und knöcherne Verformungen vorliegen. Ziel der Operation ist es, die normalen anatomischen Verhältnisse wieder herzustellen. Dabei wird man keinesfalls bei jeder kleinen Normabweichung oder gar um besser irgendwelches modische Schuhwerk tragen zu können, zum Messer greifen. Die Fußchirurgie ist kein kosmetischer Eingriff, sondern eine hochwirksame Therapie zur Behebung von Schmerzen oder funktionellen Störungen.
Woher rühren denn die großen Bedenken, die die meisten Menschen gegen Operationen an den Füßen haben?
Zum einen haben Füße in jeder Beziehung eine tragende Rolle und sind damit sehr sensible Körperteile. Zum anderen erbrachten die früher bekannten Operationsmethoden funktionell oft keine befriedigenden Ergebnisse. Etliche, verschieden verursachte Veränderungen wurden alle gleich behandelt. Die meist durchgeführte Teilentfernung der Großzehe im Grundgelenk wirkte fast wie eine Amputation mit all den Nachteilen für den Abrollvorgang beim Gehen. Nicht nur die resultierende Instabilität machte den Patienten zu schaffen, sondern es kam auch häufig durch den Kraftverlust im ersten Zeh zu Überbelastungen des zweiten oder dritten Zehgliedes. Heute sollte eine solche Operation nur noch in ganz speziellen Fällen und nicht mehr routinemäßig angewandt werden.
Was hat sich denn nun ganz konkret geändert? Auf welchen Prinzipien „fußen“ die neueren Verfahren?
Wir wissen heute sehr genau, welche Eingriffe wir an Knochen und Gelenken vornehmen müssen, um ganz bestimmte Ergebnisse zu erzielen. Dies jeweils in Abhängigkeit von Art und Ausprägung der Deformität, vom Alter der Patienten und den Erwartungen an das Ergebnis, so dass wir heute, die für jeden Patienten optimale Lösung individuell anbieten können. Dazu muss jeder Fall präzise analysiert werden, so dass niemals ein Standardverfahren bei jedem Fuß angewandt werden kann. Voraussetzung dafür ist immer eine sehr sorgfältige Diagnostik, die neben der eigentlichen Untersuchung mit Abtastung des Fußes oft auch spezielle Röntgenaufnahmen und unter Umständen auch eine Ganganalyse erfordert. Außerdem hat ein Umdenken stattgefunden. Wir korrigieren heute nicht mehr nur knöcherne Veränderungen, sondern stellen auch bei Muskulatur und Sehnen wieder normale anatomische Verhältnisse her.
Heißt das mit anderen Worten, dass bei den modernen Operationstechniken auch die speziellen Entstehungsmechanismen berücksichtigt werden?
Ganz genau. Wir wissen heute, dass eine Korrektur nicht nur die Knochen, sondern auch die Weichteile betreffen muss. Bei der operativen Korrektur des Hallux valgus ist es zum Beispiel oft nötig, in einem ersten Schritt die Sehne des Muskels, der die Großzehe normalerweise zum zweiten Zeh hin zieht, zu durchtrennen. Erst im zweiten Schritt – natürlich während des gleichen Eingriffs – werden die knöchernen Veränderungen angegangen. Auf der Grundlage eines im Stehen – also bei belastetem Fuß – angefertigten Röntgenbildes wird schon vor der Operation, nach Vermessen der Knochenwinkel, das entsprechend geeignete Verfahren ausgewählt und geplant. Ziel der Operation ist, die Winkel wieder so herzustellen, dass erste und zweite Mittelfußknochen wieder einen nahezu parallelen Verlauf aufweisen. Dazu muss der Knochen durchtrennt werden. Aber ob dies nun z-förmig oder v-förmig geschieht, hängt vom Einzelfall ab. Wichtig für ein gutes Ergebnis ist, dass die Korrektur dreidimensional erfolgt und sich nicht nur auf eine Ebene beschränkt. Bei sehr ausgeprägten Abspreizwinkeln müssen auch schon mal kleine Knochenkeile entfernt werden, um den Winkel wieder optimal gestalten zu können. Je nach individueller Ausgangssituation kennen wir heute über dreißig verschiedene Schnittführungen im Bereich des Knochens.
Hat sich auch bei anderen Fußveränderungen etwas geändert bei der operativen Therapie?
Ja sicher. Bei einem anderen Krankheitsbild der Großzehe, dem Hallux rigidus, handelt es sich im Grunde um eine Arthrose im Großzehengrundgelenk mit eingeschränkter Dorsalextension, das heißt, die Zehe kann während des Abrollvorgangs nicht mehr zum Fußrücken hochgezogen werden. Dadurch kann jeder Schritt für die Betroffenen zur Qual werden. Ursache sind Verletzungen, Überbeanspruchung oder auch eine Überlänge der Großzehe. Auch hier stehen uns je nach Ausmaß der Veränderungen verschiedene Operationsmethoden zur Verfügung, die ganz individuell ausgesucht werden – je nach Beschwerdebild des Patienten und des Zustandes des Gelenkes. Leitgedanke bei der Therapieplanung ist die Wiederherstellung der entscheidenden anatomischen Merkmale des Fußes. Er soll also genauso beweglich und belastbar sein wie vorher, aber die Deformität beseitigt sein.
Am Fuß können nun nicht nur Veränderungen an der Großzehe auftreten. Oft sind auch die Kleinzehen deformiert. Beim Hammerzeh liegt eine Beugefehlstellung des Mittel- und Endgliedes im Verhältnis zum Grundglied vor. Bei Klauenzehen fehlt durch eine Ausrenkung im Grundgelenk der Bodenkontakt. Entscheidend für die Planung der operativen Therapie ist in all diesen Fällen die Unterscheidung, ob die Fehlstellung beweglich oder fixiert ist. Zudem liegen diese Kleinzehenfehlstellungen oft nicht isoliert vor, so dass häufig in einem Kombinationseingriff verschiedene Fehlstellungen gleichzeitig zu einem guten Ergebnis korrigiert werden müssen.
Das klingt nach langer Bettlägerigkeit und heftigen Schmerzen.
Durchaus nicht. Durch die modernen Konzepte in der operativen Nachbehandlung lässt sich ein zu erwartender starker Wundschmerz fast auf Null bzw. ein doch erträgliches Niveau reduzieren. Sehr gute Erfahrungen haben wir mit einer langwirkenden Art der Lokalanästhesie des Fußes gemacht, verbunden mit stark abschwellend wirkenden Medikamenten. Diese hochdosierten Mittel, die zum Teil eine „Anleihe“ aus der Kieferchirurgie sind, wo ja ebenfalls starke Schwellungen zu erwarten sind, werden schon routinemäßig am OP-Tag bis zwei bis drei Tage nach der Operation verabreicht. So werden schon im Vorfeld die Schwellung und damit die Schmerzen vermieden. Durch diese modernen Verfahren können Fußoperationen nun auch ambulant durchgeführt werden.
Aber sind die Patienten nicht gehunfähig nach so einer Operation?
Mitnichten. In der Regel wird nach den Operationen kein Gips mehr angelegt, so dass die Patienten mit bestimmten Entlastungsschuhen am Nachmittag nach der Operation nach Hause gehen können. Durch den Verzicht auf Gips konnte übrigens auch das Thromboserisiko erheblich reduziert werden. Je nach zugrunde liegender Erkrankung erfolgt dann eine gezielte Krankengymnastik. Innerhalb von fünf bis sechs Wochen sind die Restschwellungen abgebaut und es treten auch nach Belastungen keine Schmerzen mehr auf. Die volle Belastbarkeit ist nach etwa einem halben Jahr wieder erreicht, dann können die Patienten – von ihren Füßen her – sowohl wieder Tanzen als auch Ski fahren.
Herr Falk, herzlichen Dank für Ihre Ausführungen.
ORTHOpress 4 | 2001
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