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Knie

Wenn der Knorpel krankt …

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Neuer Therapieansatz mit Orthokin

Die Behandlung von Knorpelschäden zählt zu den großen Herausforderungen der Medizin – heute mehr denn je. Nicht nur Extremsportarten, auch Übergewicht und mangelnde Bewegung sind dafür verantwortlich, dass die Arthrosepatienten immer jünger werden. Eine ursächliche Behandlung, ein „Wundermittel“, welches den angegriffenen oder zerstörten Gelenkknorpel wieder wachsen lässt, gibt es bislang nicht.

Es wurden zwar in den letzten Jahren immer wieder gewisse Erfolge mit Knorpeltransplantationen und Anzüchtung von Knorpelmasse im Reagenzglas publik, den großen Durchbruch hat jedoch noch keine dieser umfassend beforschten Technologien vermelden können. Transplantationen eignen sich in der Regel nur für eng begrenzte Knorpelschäden beispielsweise nach Sportunfällen – der als Transplantat benutzte „Reserveknorpel“ von der Rückseite des Kniegelenks steht nur in sehr begrenzter Menge zur Verfügung. Die Anzüchtung von Knorpel außerhalb des Körpers scheint zwar vielversprechend zu sein, glückt bislang aber nur unter Laborbedingungen: Die Frage, wie denn der nicht durchblutete Knorpel dazu gebracht werden könnte, im menschlichen Gelenk anzuwachsen, ist weiterhin ungelöst.

Aber was kann man tun, um die Arthrose wirksam aufzuhalten bzw. die Schmerzen zu lindern? „Es gibt heute eine Reihe von Präparaten, mit welchen der drohende Gelenkersatz weiter hinausgeschoben werden kann“, erläutert der Kölner Orthopäde und Sportmediziner Dr. Günther Enderer. „Sinnvoll kann die Gabe von Hyaluronsäurepräparaten wie z.B. Suplasyn sein (das sind Präparate, die der natürlichen Gelenkflüssigkeit nachempfunden sind), welche die Ernährungssituation im Gelenk verbessern und eine lubrizierende Wirkung haben. Sie können die Schmerzen für einen längeren Zeitraum lindern und so die Beweglichkeit des erkrankten Gelenks verbessern helfen.“

Ein neuer vielversprechender Therapieansatz zeigt sich jetzt auch mit der intraartikulären Injektion von Zytokin-Antagonisten wie Orthokin. Dr. Enderer: „Grundlage dieser Methode ist die Erkenntnis, dass die so genannten Zytokine (spezielle Botenstoffe) eine entzündliche Gelenkerkrankung hervorrufen können, wenn die komplizierte Balance von Zytokinen und ihren natürlich vorhandenen Gegnern, den Zytokin-Antagonisten, gestört ist. Beim gesunden Menschen produziert der Körper den schützenden Zytokin-Antagonisten in ausreichender Menge selbst und hält damit das Interleukin-I gewissermaßen ‘in Schach’. Wenn – durch welche Einflüsse auch immer – das IL-I in diesem Kampf irgendwann einmal die Oberhand gewinnt, so ist die Entstehung einer Entzündung nicht mehr aufzuhalten. Durch die neue Therapie ist es nun jedoch möglich geworden, die Zahl der Zytokin-Antagonisten wirksam für längere Zeit zu erhöhen.“

Für diese Behandlung wird dem Patienten dabei mit einer besonderen Spritze, der Orthokin-Spritze, Blut entnommen. Die spezielle innere Oberfläche der Spritze führt dann während der 24-stündigen Lagerung bei 37° C zu einer Produktion der etwa hundertfachen Menge des Zytokin-Antagonisten. Das solcherart angereicherte Serum wird im Labor von den Blutzellen getrennt und in 6–8 Ampullen zu je 2 ml aufgeteilt. Diese werden dann im Abstand von wenigen Wochen in das erkrankte Gelenk eingespritzt. So wird der Knorpel durch die künstlich erhöhte Anzahl der Zytokin-Antagonisten vor weiterer Zerstörung geschützt und die Entzündung wirksam zurückgedrängt. Eine solche antiinflammatorische Wirkung war bislang in der Regel nur durch die Injektion von Kortisonpräparaten erreichbar – diese jedoch sind durch ihre zum Teil schweren Nebenwirkungen nur über einen begrenzten Zeitraum hinweg anwendbar. Ein weiterer Vorteil gegen­über anderen Arthrosetherapien ist auch die universelle Einsetzbarkeit von Orthokin. Dazu der Kölner Orthopäde Dr. Michael Heyl: „Die hohe Entzündungshemmung des Zytokin-Antagonisten lässt sich nicht nur in praktisch allen Gelenken der Extremitäten wirkungsvoll einsetzen, sondern beispielsweise auch an den so genannten kleinen Wirbelgelenken. Dadurch eröffnet sich auch für viele Rückenpatienten eine Behandlungsmöglichkeit, ohne wie bisher die schmerzenden Nerven­enden zu veröden. Dies ist insbesondere deshalb wünschenswert, weil statt der bloßen Beseitigung des Symptoms ‘Schmerz’ auch der Entzündungsprozess bekämpft wird.“

Die Behandlung mit Orthokin könnte sich so zum Mittel der Wahl entwickeln, wenn keine offensichtlichen Begleitschäden vorliegen oder ein narkosepflichtiger Eingriff vom Patienten nicht gewünscht wird. Dr. Heyl: „Viele Patienten mit Kniearthrose leiden nicht nur unter der fortschreitenden Knorpelschädigung selbst, sondern oft auch unter den Begleiterscheinungen oder aber unter konkurrierenden Erkrankungen wie etwa Meniskusschäden. Hier kann zusätzlich – ungeachtet eines vorhergehenden Einsatzes von Hyaluronsäure oder Orthokin – eine Arthroskopie angezeigt sein, um die Ursache der Beschwerden genauestens abzuklären und gegebenenfalls frei im Gelenk umherwandernde Knorpelteilchen auszuleiten oder auch Ein- und Abrisse der Menisken zu versorgen.“

Der Wermutstropfen bei der Behandlung mit Orthokin: Die Therapie wird leider nicht von den gesetzlichen Krankenkassen bezahlt – aus eigener Tasche werden so für Aufbereitung des Serums und die Bemühungen des behandelnden Arztes rund 2.500 DM fällig.

Ein Archivbeitrag* aus ORTHOpress 2 | 2001

*Archivbeiträge spiegeln den Stand zur Zeit der Erstveröffentlichung wieder. Die aktuelle Einschätzung des Sachverhalts kann durch Erfahrungszuwachs, allgemeinen Fortschritt und zwischenzeitlich gewonnene Erkenntnisse abweichen.