Schmerzbehandlung durch Neuromodulation – den Schmerz an der Wurzel packen
Schmerzerleben ist als ein wichtiges Warnsignal von überlebenswichtiger Bedeutung. Durch die Aktivierung von speziellen Schmerzfühlern (Nozizeptoren) wird der Organismus auf eine Schädigung hingewiesen, um sinnvolle Reaktionen einzuleiten und weitere Schädigung zu vermeiden. Dieser „nozizeptive Schmerz“ hat eine sinnvolle Funktion und ist zeitlich begrenzt. Wenn das Nervensystem ständig Schmerzinformationen verarbeiten muss, kann eine eigenständige chronische Schmerzerkrankung entstehen. Besonders quälend sind „neuropathische Schmerzen“, die nach einer Schädigung des Nervensystems entstehen können. Die Ursachen dieser Nervenschmerzen sind vielfältig: durch offensichtliche Verletzungen, Autoimmunerkrankungen (z.B. Multiple Sklerose), Medikamente und Gifte (z.B. Alkohol, Chemotherapeutika), Zuckererkrankung (diabetische Polyneuropathie), oder nach operativen Eingriffen und unscheinbaren Verletzungen (so genanntes komplexes regionales Schmerzsyndrom, „CRPS“) können Nervenschmerzen auftreten. Ein Viertel der Deutschen leidet an chronischen Schmerzen; etwa drei Millionen sind schwer schmerzkrank. Dies führt zu vielen Problemen – z.B. auf psychischer Ebene (Angst, Depression) sozialer Ebene (Rückzug, Isolation, Arbeitslosigkeit, finanziellen Problemen). Eine Behandlung richtet sich daher nach dem Bio-Psycho- Sozialen-Schmerzmodell und umfasst neben Medikamenten besonders aktivierende Therapien sowie psychologische Verfahren wie Entspannungsverfahren, um die Lebensqualität zu verbessern. Manche Schmerzen, besonders Nervenschmerzen, können auch durch elektrischen Strom gelindert werden. Man spricht hierbei von „Neuromodulation“. Hierzu platziert man feine Drähte, so genannte Elektroden, nahe an den zu stimulierenden Nerven – wo genau, hängt vom jeweiligen Schmerz ab. Am häufigsten werden die schmerzleitenden Nerven im Rückenmark stimuliert, die so genannte Spinal Cord Stimulation (SCS), z.B. zur Behandlung von Schmerzen nach Bandscheibenoperationen, bei CRPS oder bei Durchblutungsstörungen von Herz und Extremitäten. Dabei werden die Elektroden so platziert, dass der Schmerz durch ein sanftes Kribbeln überlagert ist – zur Kontrolle der korrekten Elektrodenlage. Bei vielen Verfahren ist das Kribbeln im weiteren Verlauf nicht mehr zu spüren. In einer Testphase wird die Wirkung auf den Schmerz im Alltag erprobt und bei guter Schmerzlinderung wird ein Schrittmacher („Neurostimulator“) eingesetzt und mit der Elektrode unter der Haut verbunden.
Bei umschriebenen Schmerzen, z.B. nach einer Operation an Knie oder Leiste, kann statt der breiten Wirkung der SCS ein gezielterer Ansatz verfolgt werden. Die Schmerzinformationen erreichen das Rückenmark nämlich über die so genannten Spinalganglien der Hinterwurzel (engl. Dorsal Root Ganglion, DRG), die paarweise im Verlauf der Nerven liegen, die die Wirbelsäule und jeweils ein bestimmtes Köperareal versorgen. Feine Elektroden werden unter Röntgensicht direkt auf den „zuständigen“ Spinalganglien platziert und an einen äußerlichen Schrittmacher zur Testung im Alltag angeschlossen. Weil die Elektroden sehr nah an den Nerven liegen, benötigt man sehr wenig Strom und die Stimulation ist nicht zu spüren. Wenn sich eine zufriedenstellende Reduzierung der Schmerzen zeigt, wird auch hier wie bei der SCS ein Schrittmacher unter der Haut, z.B. am Gesäß, eingesetzt. Die Risiken der Neuromodulation sind u.a. sehr seltene Nervenschädigungen, aber hauptsächlich mechanische Probleme, wie Bruch der feinen Elektroden. Vorteilhaft neben der guten Wirkung ist die Reversibilität der Methode, das heißt, eine Entfernung der Implantate ist möglich. Ob und welche Neuromodulation im speziellen Fall in Frage kommt, und welche spezifischen Risiken und Erfolgsaussichten bestehen, kann im Einzelfall im Rahmen einer ärztlichen Beratung geklärt werden.
OA Dr. med Michael Schrey,
Klinikum Nürnberg
Universitätsklinik für Neurochirurgie der Paracelsus medizinischen Privatuniversität
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