Die Energie aus der Dunkelheit
In einer Zeit, in der die wichtigsten Güter des täglichen Lebens für die meisten von uns im Überfluss zur Verfügung stehen, leiden viele Menschen Mangel an einer lebenswichtigen Ressource, dem Schlaf. Während ein durchschnittlicher Deutscher vor 100 Jahren noch rund neun Stunden pro Tag schlief, sind es heute nur wenig mehr als sieben Stunden. Neben der Quantität lässt auch die Qualität des Schlummers zu wünschen übrig. So finden viele Menschen in der Nacht nicht die gewünschte Erholung und wachen morgens so „übermüdet“ und „zerschlagen“ auf, als ob sie kein Auge zugetan hätten. Die Folgen dieses Defizits lassen sich an Hand der Unfallstatistik belegen. Daraus geht hervor, dass Karambolagen auf deutschen Autobahnen vor allem durch Müdigkeit hervorgerufen werden. Und es ist sicher kein Zufall, dass es auf unseren Straßen vor allem dann scheppert und kracht, wenn der Körper ein besonderes Ruhebedürfnis hat, also in den frühen Morgenstunden und nachmittags gegen zwei Uhr.
Anders als es bei einer Maschine der Fall ist, benötigen Organismen regelmäßige Erholungsphasen. Wir Menschen brauchen je nach Veranlagung täglich zwischen sechs und zehn Stunden Schlaf. Manche Forscher glauben, dass sich bestimmte lebenswichtige physiologische Prozesse wie z. B. die Ausschüttung des Wachstumshormons sozusagen in den Schlaf „eingenistet“ haben. Werden diese aufgrund von Schlafmangel unterbrochen, bricht der gesamte Organismus zusammen. Bereits eine einzige durchwachte Nacht führt dazu, dass die Reflexe so stark gelähmt werden, als befänden sich 0,8 Promille Alkohol im Blut. Wir sind eben nicht in der Lage, ungestraft gegen das Diktat unserer inneren Uhr vorzugehen. Sie bestimmt, wann wir in Hochform sind und wann wir schlafen müssen. Die Starrheit dieses Zeitschemas wird anhand des so genannten Jetlags deutlich, wenn der Organismus nach einem Flug über mehrere Zeitzonen hinweg mitten am hellen Tag auf Tiefschlaf schaltet. Auch Schichtarbeiter bekommen es zu spüren, wenn ihr Rhythmus aus dem Takt gerät. Sie tragen ein erhöhtes Risiko, an Depressionen, Herz-Kreislauf-Beschwerden oder Magengeschwüren zu erkranken.
Unsere innere Uhr bestimmt auch die Schmerzempfindlichkeit
Unsere innere Uhr tickt in einem ganz bestimmten Rhythmus. Versuchspersonen, die wochenlang in einem „Bunker“ eingeschlossen waren, standen immer zu einem bestimmten Zeitpunkt auf und gingen etwa um dieselbe Zeit zu Bett. Allerdings betrug der Tageszyklus bei ihnen nicht 24, sondern etwa 25 Stunden. Wissenschaftler sprechen auch von einem cirkadianen Zyklus. Dieser bestimmt fast alle unsere Körperfunktionen. Selbst auf den Zeitpunkt einer Erkrankung hat er Einfluss. So tritt Fieber bei bakteriellen Infektionen in der Regel vormittags auf, während Viruserkrankungen meistens am frühen Abend ausbrechen. Und wer zum Zahnarzt geht, sollte dies am besten nicht frühmorgens tun, denn dann ist die Schmerzempfindlichkeit etwa viermal so hoch wie am Nachmittag.
Schlaf ist mehr als die Abwesenheit von Wachheit
Auch im Schlaf werden unsere Gehirn- und Nervenfunktionen keineswegs „heruntergefahren“ oder gar abgeschaltet. US-amerikanische Forscher fanden in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts heraus, dass sich unsere Augäpfel während bestimmter Schlafphasen hinter den geschlossenen Lidern bewegen. Die Nervenzellen in der Großhirnrinde sind zu dieser Zeit, in der sich die meisten Träume vor unserem inneren Auge abspielen, mindestens ebenso aktiv wie im Wachzustand. Gleichzeitig tritt eine vollständige Erschlaffung der Muskeln ein. Diese Phase wird als REM-Schlaf (REM steht für Rapid Eye Movement = schnelle Augenbewegung) bezeichnet. Davon zu unterscheiden ist der Tief- oder Non-REM-Schlaf. Misst man die Hirnströme der Schläfer, so stellt man fest, dass die EEG-Wellen zu diesem Zeitpunkt langsamer verlaufen und höher ausschlagen, also eine größere Amplitude besitzen als während der REM-Phase. Das Gehirn schwingt also zunehmend im Gleichtakt. REM- und Non-REM-Phasen lösen einander in regelmäßigem Turnus ab. Sie bilden Zyklen von jeweils etwa 90 Minuten, von denen etwa fünf bis sechs pro Nacht auftreten. Die Non-REM-Phasen werden im Laufe der Nacht immer weniger tief, während die REM-Phasen immer länger andauern.
Manchmal kommt die Lösung im Traum
Inzwischen wurde nachgewiesen, dass Lerneffekte hauptsächlich in der traumreichen zweiten Nachthälfte stattfinden. So könnten auch die nächtlichen „Eingebungen“ zu erklären sein, von denen manche Künstler und Wissenschaftler berichten. Lösungswege, die ihnen im Wachzustand trotz stundenlangen Nachdenkens verschlossen blieben, erschienen im Traum plötzlich vor ihrem geistigen Auge. Vielleicht müssen wir uns den Schlaf wie eine Art Schutzraum oder Labor vorstellen, in dem wir Probleme, die wir tagsüber nicht zu lösen imstande sind, noch einmal gefahrlos „durchspielen“ können, ohne mit der harten Außenwelt zusammenzustoßen. Für die körperliche Erholung dagegen ist vor allem der Tiefschlaf verantwortlich. Beim gesunden Menschen ist diese Fähigkeit erstaunlich gut ausgebildet. So kommt es, dass die meisten Menschen nach einer durchwachten Nacht in der darauf folgenden Nacht in der Regel kaum länger, aber dafür intensiver schlafen. Das lässt sich im Labor anhand des höheren Ausschlags der EEG-Wellen überprüfen. Der verpasste Schlaf wird also wahrscheinlich durch eine erhöhte Aktivität der Nervenzellen „nachgeholt“. Das extremste, allerdings nicht zur Nachahmung empfohlene Beispiel für dieses Phänomen lieferte der US-amerikanische Student Randy Gardner, der 1965 den bislang längsten Rekord im Wachbleiben aufgestellt hatte. Nach elf durchwachten Tagen und Nächten schlief er „nur“ 14 Stunden und 40 Minuten und fühlte sich anschließend wieder frisch und erholt.
Für viele bleibt erholsamer Schlaf ein Wunsch
Leider sind nicht alle Menschen in der Lage, sich nachts so zu erholen, wie es wünschenswert wäre. Manch einer hat erhebliche Schwierigkeiten, abends einzuschlafen oder wacht zwischendurch wieder auf und wartet dann oft stundenlang auf den erlösenden Schlummer. Wenn jemand über einen längeren Zeitraum nicht ausreichend Schlaf findet, spricht man von einer Insomnie oder einem chronischen Schlafdefizit. Als leichte Insomnie gilt, wenn die Betroffenen ca. eine Stunde pro Nacht weniger schlafen als der Durchschnitt der Bevölkerung. Bei einer schweren Insomnie beträgt dieses Defizit drei und mehr Stunden. Wenn manche Menschen das Gefühl haben, nachts überhaupt nicht schlafen zu können, so dürfte dieser Eindruck in den meisten Fällen auf einer Fehleinschätzung beruhen. Denn unser Körper kommt ohne ein gewisses Quantum Schlaf einfach nicht aus und „holt sich“ die entsprechende Menge unter Umständen eben „heimlich“, ohne dass wir es merken.
Schlaf ist keine verordnete Zwangspause
Der Anteil der Menschen, die vorübergehend oder dauerhaft unter einer Schlafstörung leiden, liegt bei etwa einem Drittel. Die genaue Zahl ist nur schwer zu ermitteln. Denn nicht immer verbergen sich hinter den Symptomen tatsächlich ernsthafte gesundheitliche Probleme. Schließlich ist es grundsätzlich ein ganz normaler Vorgang, dass wir nachts mehrmals aufwachen. Man sollte daran denken, dass unsere heutigen Schlafgewohnheiten erst relativ „jung“ sind. Denn anders als wir verbrachten unsere Vorfahren die Nacht jahrtausendelang hauptsächlich im Freien oder in einfachen Hütten. An eine geräuscharme oder gar -freie Nachtruhe war dabei selbstverständlich nicht zu denken, zumal fast immer mehrere Menschen zu einer Schlafgemeinschaft gehörten und ständig irgendwelche Geräusche produzierten. Anders als es heute in unseren Breiten der Fall ist, wo jeder Mensch, wenn er nicht gerade kleine Kinder hat, in der Regel allein oder zu zweit mit seinem Partner schläft und dabei von der Außenwelt relativ gut abgeschirmt ist, war es damals fast unvermeidlich, dass man in der Nacht mehrmals geweckt wurde. Mal stand ein Gruppenmitglied auf, um Holz aufs Feuer nachzulegen, mal heulte ein Schakal oder Wolf. Noch heute gibt es Südseevölker, deren Angehörige davon überzeugt sind, dass die Seele den Körper in der Nacht verlässt. Da immer die Gefahr bestehe, dass sie nicht mehr zurückfindet, bedürfe es des „Schutzes“ der Gemeinschaft, die sie immer wieder rechtzeitig zurückruft. Krasser könnte sich dieser Glaube von dem Bild, das wir vom Schlaf haben, gar nicht unterscheiden. Für viele von uns ist der Schlaf weniger ein wohlverdientes Geschenk als eine Art verordneter Zwangspause, die an keiner Stelle unterbrochen werden darf. Wenn sie nachts aufwachen, bekommen sie daher sofort ein schlechtes Gewissen und versuchen so schnell wie möglich wiedereinzuschlafen. Nun lässt sich Schlaf aber nicht auf Kommando erzwingen. Wer sich verzweifelt bemüht, in Morpheus Arme zurückzufliehen, wird stattdessen noch wacher werden. So entsteht ein Teufelskreis, der für die Betroffenen zu einem echten Problem werden kann, wenn er sich verselbständigt und Nacht für Nacht wiederholt. Dabei ist es medizinisch gesehen überhaupt nichts Auffälliges nachts aufzuwachen. Wissenschaftler haben experimentell nachgewiesen, dass dies auch bei „gesunden Schläfern“ mehr als 20-mal passieren kann. Diese „Unterbrechungen“ dringen in den meisten Fällen allerdings nicht ins Bewusstsein.
Im Laufe eines Lebens wandelt sich der Schlaf
Manche „Störung“ relativiert sich, wenn man die Veränderungen berücksichtigt, denen der Schlaf im Laufe unseres Lebens unterworfen ist. So schläft ein Baby pro Tag noch etwa 16 Stunden. Diese Menge reduziert sich dann kontinuierlich, bis es schließlich beim Erwachsenen im Durchschnitt ca. sechs bis acht Stunden sind. Während die REM-Phasen beim Säugling ca. die Hälfte des Schlafes und dementsprechend intensive Traumerlebnisse ausmachen, verringert sich deren Anteil mit zunehmendem Alter. Bei älteren Menschen nimmt der Tiefschlafanteil immer mehr ab. Von diesen natürlichen Vorgängen sind die echten Schlafstörungen deutlich zu unterscheiden. Anlass zur Sorge besteht, wenn mindestens drei Mal pro Woche über einen Monat lang Probleme beim Ein- und Durchschlafen auftreten und die Qualität des Schlafs äußerst schlecht ist. Die Betroffenen sind dadurch auch tagsüber stark beeinträchtigt und fühlen sich sowohl sozial als auch beruflich eingeschränkt. Die Ursachen können recht unterschiedlich sein. Häufig sind es psychische Probleme wie z. B. unbearbeitete Konflikte, die gerade dann, wenn man endlich „abschalten“ möchte, „aufs Bett steigen“ und die Nacht zum Tage machen. Daneben können auch organisch bedingte Faktoren wie hormonelle Störungen oder Tumoren eine Rolle spielen.
Schlafapnoe kann zum Herzinfarkt führen
Von den eigentlichen Schlafstörungen unterscheidet man die sogenannten Parasomnien. Darunter versteht man störende Vorgänge mit körperlichen oder physischen Ursachen, die während des Schlafs ablaufen, ohne seine Erholungsfunktion zwingend zu beeinträchtigen. Dazu gehören neben dem Schlafwandeln und den sogenannten Einschlafmyoklonien (rasche, unwillkürliche Muskelzuckungen) auch Albträume und nächtliches Zähneknirschen. Eine wesentlich gefährlichere Beeinträchtigung stellt die Schlafapnoe (a-pnoe griech. = ohne Luft) dar. Typische Symptome dieser Erkrankung, die auf eine Erschlaffung der Schlundmuskulatur und eine Verengung der Atemwege zurückzuführen ist, sind lautes, unregelmäßiges Schnarchen mit zum Teil längeren Atemaussetzern. Dies führt dazu, dass die Betroffenen am Tage unausgeschlafen und unkonzentriert sind und Gefahr laufen, immer wieder in den berüchtigten „Sekundenschlaf“ zu verfallen. Außerdem steigt das Risiko eines Herzinfarkts.
Im Schlaflabor werden wichtige Körperfunktionen überprüft
Schlafapnoiker und Menschen, die unter anderen Schlafstörungen leiden, haben die Möglichkeit, sich an einem der zahlreichen schlafmedizinischen Zentren untersuchen und behandeln zu lassen, die es heute in Deutschland gibt. Eine Adressenliste dieser Einrichtungen wird von der Deutschen Gesellschaft für Schafforschung und Schlafmedizin im Internet bereitgestellt. Ob der Aufenthalt in einem Schlaflabor erforderlich ist, kann man zuvor ambulant abklären lassen. Dies kann entweder im schlafmedizinischen Zentrum selbst oder auch bei einem niedergelassenen Lungenfacharzt geschehen. Ein Schlaflabor besteht aus einem oder mehreren speziell eingerichteten Patientenzimmern sowie einem zusätzlichen Raum für die Monitoring- und Aufzeichnungsgeräte. Während der gesamten Nacht werden verschiedene Körperfunktionen aufgezeichnet. Erfasst werden Atemfluss- und Bewegung, Herzrhythmus, Hirnströme, Augenbewegungen, Muskelspannung, Körperlage oder die Sauerstoffsättigung des Blutes. Mit Hilfe dieser Messwerte lässt sich ein detailliertes und äußerst präzises Schlafprofil für die einzelnen Schlafphasen erstellen.
CPAP versorgt den Patienten mit Atemluft
Wird bei der Untersuchung eine Schlafapnoe festgestellt, so empfiehlt sich in den meisten Fällen eine CPAP-Behandlung. CPAP ist das Kürzel für Continuous Positive Airway Pressure (englisch = kontinuierlicher Atemüberwegsdruck). Ziel ist es, den Patienten während des Schlafs durch leichten Überdruck ständig mit Atemluft zu versorgen. Über ein spezielles Gerät wird die Luft angesaugt und dem Schläfer mit Hilfe einer Atemmaske zugeführt. Je nach Krankheitsbild wird die Luft zuvor erwärmt oder angefeuchtet. Der leichte Überdruck führt dazu, dass das im Schlaf erschlaffte Gewebe stabilisiert und offen gehalten wird. So werden Atemstillstände und Atemluftbehinderungen verhindert. Zugleich wird das Schnarchen weitgehend unterdrückt. Da die CPAP-Therapie den Zustand der Patienten meistens nicht dauerhaft verbessert, ist in der Regel eine langfristige Anwendung erforderlich.
Die CPAP-Behandlung wurde in den letzten Jahren modifiziert und weiterentwickelt, z. B. durch die so genannte APAP-Therapie (auto CPAP-Therapie). Hier wird der erforderliche therapeutische Druck von Atemzug zu Atemzug ermittelt. Ziel ist es, die Druckbelastung und die damit verbundenen Nebenwirkungen so weit wie möglich zu reduzieren. Eine weitere Variante stellt die BI-Level-Therapie dar. Sie arbeitet mit unterschiedlichem Druck für die Ein- und Ausatmung. Das kann für Patienten, die an einer Herzinsuffizienz leiden, äußerst hilfreich sein.
„Richtiges“ Schlafen kann man lernen
Schlafstörungen, die auf organische Ursachen zurückzuführen sind, werden von den schlafmedizinischen Zentren inzwischen recht zufriedenstellend versorgt. Was aber ist, wenn die Probleme beim Ein- und Durchschlafen nicht organischer, sondern psychischer Natur sind? In solchen Fällen kann ein so genanntes Schlaftraining helfen. Leider wird dies bislang noch nicht von allen Schlafzentren angeboten. Ein wichtiger Bestandteil des Schlaftrainings besteht darin, die Bettliegezeit maßvoll zu reduzieren. Auf diese Weise baut sich den Tag über ein höherer Schlafdruck auf. Das führt nach einer gewissen Eingewöhnungszeit dazu, dass das Einschlafen leichter fällt und der Tiefschlafanteil größer wird. Die Wirksamkeit dieses Trainings beruht darauf, dass ein Teufelskreis durchbrochen wird. Denn wer nachts schlecht schläft, neigt dazu, den versäumten Schlaf auf irgendeine Weise nachzuholen, sei es, dass er morgens länger im Bett liegen bleibt, zwischendurch ein Nickerchen macht oder tagsüber auf „Sparflamme“ schaltet. Fataler Weise werden werden die Probleme dadurch in der Regel noch verstärkt. Die Schlafrestriktionstherapie setzt genau an dieser Stelle den Hebel an. In Absprache mit dem Patienten werden regelmäßige Bettzeiten festgelegt, die möglichst mit der echten Schlafzeit übereinstimmen sollen. Auf diese Weise wird das unnütze „Grübeln“ eingeschränkt. Die Ergebnisse dieses Trainings werden von den Patienten in einem „Schlafprotokoll“ festgehalten. Darüber hinaus erhalten die Teilnehmer wichtige Informationen über die so genannte „Schlafhygiene“ und erlernen Strategien, wie sie die Müdigkeit am Tage erfolgreich bekämpfen können. Wissenschaftliche Studien belegen, dass sich Schlafstörungen mit dieser verhaltenstherapeutischen Behandlungsmethode dauerhaft verbessern lassen. Anders als es bei einer Therapie mit Schlafmitteln der Fall ist, erweisen sich die so erzielten Erfolge als stabil.
Wie verändern sich unsere Körperfunktionen während des Schlafs?
• Herz- und Pulsfrequenz gehen allmählich zurück. Nach etwa ein bis zwei Stunden ist die minimale Stufe erreicht.
• Der Blutdruck sinkt.
• Die Muskelspannung fällt deutlich ab.
• Wir atmen regelmäßiger, langsamer und tiefer.
• Die Körpertemperatur fällt um 0,4 Grad. Sie erreicht ihren Tiefpunkt meistens zwischen drei und vier Uhr morgens und steigt anschließend wieder an.
• Magen- und Darmbereich werden verstärkt durchblutet. In der zweiten Nachthälfte kommt es dort zu erhöhten Bewegungen. Auch Leber, Niere und Schilddrüse sind „aktiver“ als am Tag.
• Auch das Hormonsystem arbeitet in der Nacht weiter. Bestimmte Hormone, die bei der Regenerierung von Zellfunktionen und der Steuerung von Stoffwechselvorgängen eine wichtige Rolle spielen, werden nur im Schlaf wirksam.
Regeln für eine gesunden, erholsamen Schlaf
• Richten Sie Ihr Schlafzimmer so ein, dass Sie sich darin behaglich fühlen. Zu einer gesunden Umgebung gehören auch eine angenehme Temperatur, eine ausreichende Belüftung und eine geeignete Matratze.
• Gehen Sie jeden Tag um dieselbe Zeit ins Bett.
• Hören Sie auch tagsüber auf die Signale Ihres Körpers und gönnen Sie sich ruhig einmal eine kleinere Erholungspause, wenn Sie das Gefühl haben, dass Sie dies brauchen. Schlafen Sie während des Tages aber nach Möglichkeit nicht mehr als 30 Minuten.
• Nehmen Sie abends keine schweren, fettigen oder scharf gewürzten Speisen zu sich.
• Alkohol, Kaffee und Nikotin sollten sie in den letzten zwei, drei Stunden vor dem Zubettgehen unbedingt vermeiden.
• Betreiben Sie regelmäßig Sport, allerdings nicht kurz vor dem Einschlafen.
• Schalten Sie 30 Minuten vor dem Zubettgehen Ihr Fernsehen und Radio aus und versetzen Sie sich in eine ruhige Stimmung.
Die Qualität des Schlafs variiert je nach Geschlecht, Lebenslage und Region
Schätzungsweise etwa vier Prozent der deutschen Bevölkerung leiden unter einem schweren chronischen Schlafdefizit. Untersuchungen belegen, dass das Risiko, davon betroffen zu sein, ganz entscheidend von Wohnort, Lebenslage und Geschlecht abhängt. Überdurchschnittlich hoch etwa ist der Prozentsatz bei Großstädtern, Arbeitslosen und getrennt Lebenden. Auch das Geschlecht spielt eine Rolle. So klagen Frauen über 40 fast doppelt so häufig über Schlafstörungen wie Männer. Außerdem spielen regionale Faktoren eine Rolle. Während in Berlin der Anteil der schweren Insomniker mit 13 Prozent am höchsten ist, liegt er in Sachsen bei acht und beträgt in Baden-Württemberg und Thüringen nur ein Prozent. Unsere europäischen Nachbarn schlafen zum Teil noch schlechter als wir. Das gilt z. B. für Schweden, Iren und Belgier. Besonders schlimm trifft es jedoch die Briten. Hier liegt der Prozentsatz der Menschen, die sich nachts stundenlang im Bett wälzen, bei immerhin 22 Prozent.
Wie sinnvoll sind Schlafmittel?
Wenn Schlafstörungen ein solches Ausmaß annehmen, dass sie zu einer unerträglichen Belastung führen, kann eine Schlafmitteltherapie sinnvoll sein. Allerdings sollte man sich klar machen, dass die Wirksamkeit der Therapie nur vorübergehender Natur ist. Sie bietet sich daher vor allem dann an, wenn die Beeinträchtigung des Schlafs auf eine akute Stresssituation zurückzuführen ist. Man sollte sich jedoch darauf einstellen, dass die Probleme nach Ausschleichen des Medikaments zunächst wieder stärker werden können. Ein weiteres Anwendungsgebiet sind Ein- und Durchschlafprobleme, die auf organische oder psychische Erkrankungen zurückzuführen sind. Hier können Schlafmittel dazu beitragen, die Behandlung der Grunderkrankung zu unterstützen, indem sie dem Patienten ein „heilsames Schlafpolster“ verschaffen. Klingt die Grunderkrankung ab, sollten auch die Medikamente wieder langsam abgesetzt werden.
Kontraindikationen: Nicht jeder Mensch „verträgt“ jedes Schlafmittel. Die Akzeptanz ist abhängig vom Zustand und Krankheitsbild des Patienten. Vorsicht ist geboten, wenn dieser zuvor an einer Suchterkrankung gelitten hat. In diesem Fall besteht ein erhöhtes Risiko für eine Schlafmittelabhängigkeit. Bei älteren Menschen besteht die Gefahr, dass die muskelentspannende Wirkung von Schlafmitteln zu einer verstärkten Sturzgefahr in der Nacht führt, z. B. beim nächtlichen Gang auf die Toilette.
• Neue Nichtbenzodiazepine: Auch wenn sie eine andere chemische Struktur haben als die Benzodiazepine, ist ihre Wirkung ähnlich. Allerdings ist bei ihnen gegenüber der angstauslösenden eher die schlafanstoßende Komponente ausgeprägt.
• Antihistamine: Obwohl sie normalerweise zur Allergiebehandlung eingesetzt werden, greift man zuweilen auch auf ihre müdigkeitsfördernde Wirkung zurück. Diese tritt allerdings relativ langsam ein, meistens erst nach etwa ein bis drei Stunden. Sie eignen sich daher in erster Linie bei leichten, nicht chronischen Schlafstörungen.
• Antidepressiva: Sie besitzen ein geringeres Abhängigkeitspotential als Benzodiazepine. Der Einsatz dieser Medikamente kann auch dann sinnvoll sein, wenn der Patient nicht unter Depressionen leidet. Allerdings muss man sich auf zahleiche mögliche Nebenwirkungen einstellen. Dazu zählen Mundtrockenheit, Sehstörungen, Verstopfung, Verwirrtheitszustände und Herzrhythmusstörungen.
• Pflanzliche Präparate: Diese Medikamente sind in der Regel rezeptfrei erhältlich und haben meistens kaum Nebenwirkungen. Ihre schlaffördernde Wirkung ist zwar relativ eher gering, aber durchaus nachweisbar. Zu den bekanntesten Vertretern gehören Hopfen, Melisse und Baldrian.
Bitte beachten Sie: Verwenden Sie Schlafmittel immer nur in Absprache mit ihrem Arzt. Dabei ist es wichtig, dass sie die richtige Dosis einhalten. Diese sollte immer so niedrig wie möglich sein. Insgesamt sollten Sie die Medikamente nicht länger als sechs bis acht Wochen einnehmen.