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Schulter

Problemfall Schulter:

Schulterarthrose

Wenn der Schmerz keinen Schlaf mehr zulässt

Susanne Kubitzky kann sich vor Schmerzen kaum noch halten: Seit Wochen plagen die 28-Jährige heftige Schmerzen in der Schulter. Dabei hat alles ganz harmlos angefangen: Beim Anstreichen in ihrer neuen Wohnung bemerkte sie ein Ziehen in der Schulter. Nachdem sich die Beschwerden dann zunächst zu bessern schienen, konnte sie am nächsten Tag den Arm nicht mehr über Schulterhöhe anheben. Die Schmerzen sind mittlerweile auch im Ruhezustand so stark, dass sie kaum noch ein Wasserglas zum Mund führen kann. Oft kann sie nachts nicht mehr schlafen, weil sie auf keiner Seite ohne Schmerz liegen kann. Auf ihren geliebten Tennissport verzichtet die Bankkauffrau inzwischen notgedrungen völlig. Susanne Kubitzky ist kein Einzelfall: „Immer jüngere Patienten klagen über Schulterprobleme“, weiß Dr. Michael Lehmann, Orthopäde im Athletikum in Hofheim/Taunus und der Praxisklinik 2000 in Freiburg. ORTHOpress sprach mit dem Schulterspezialisten über die möglichen Erkrankungen an unserem wohl kompliziertesten Gelenk.

Herr Dr. Lehmann, woran leidet Frau Kubitzky?

Dr. Lehmann: Mit großer Wahrscheinlichkeit handelt es sich hier um ein so genanntes „Impingement-Syndrom“. So nennt man die Schmerzsituation an der Schulter, bei welcher der Raum unter dem Schulterdach durch verschiedenste Prozesse so eingeengt wird, dass die darunter verlaufende Supraspinatussehne nicht mehr genug Platz hat. Die Folge ist eine ständige Reizung der Sehne und des Schleimbeutels, die schließlich zu einer chronischen Erkrankung werden kann.

Das „Impingement-Syndrom“ selbst ist jedoch keine eigenständige Erkrankung, sondern die schmerzhafte Konsequenz einer ganzen Reihe von möglichen degenerativen Prozessen oder auch Verletzungen.

Was kann zu einem Impingement führen?

Dr. Lehmann: Typisch ist ein Impingement zum Beispiel bei Über-Kopf-Arbeitern oder – wie im Fall von Frau Kubitzky – passionierten Tennis- oder Golfspielern. Bei diesen Sportarten kommt es immer wieder zu ruckartigen Bewegungen, welche die Muskulatur und die Sehnen stark belasten. Dies kann langfristig zu einer Verdickung der Supraspinatussehne führen, so dass der zur Verfügung stehende Platz einfach nicht mehr ausreicht. Aber auch kleinere Einrisse können solche Beschwerden hervorrufen – wie ein angerissenes Tau, welches an der Rissstelle eine Quaste bildet, scheuert dann die Sehne unter dem Schulterdach. Ein Impingement sollte schnell behandelt werden, denn die Behinderung durch die eingeklemmte Sehne kann schnell zu größeren Schäden (z.B. einem Riss der so genannten Rotatorenmanschette) führen.

Kann man solche Beschwerden – wie z.B. beim Tennisarm – durch eine längere Ruhigstellung beseitigen?

Dr. Lehmann: Eine Ruhigstellung der Schulter versucht man, wann immer möglich, zu vermeiden, denn die Gefahr ist sehr groß, dass daraus eine Einsteifung resultiert. Gerade die Schulter ist eigentlich unser beweglichstes Gelenk. Diese Mobilität kann jedoch nur dann optimal erhalten werden, wenn sie auch bewegt wird. Selbst nach operativen Eingriffen mobilisiert man das Gelenk daher schon am Tag nach dem Eingriff – wenn es nicht anders geht, unter lokaler Betäubung mit einer speziellen Bewegungsschiene.

Wie kann denn nun eine Einengung an der Schulter therapiert werden?

Dr. Lehmann: Wenn sich ein Impingement nicht mehr innerhalb kurzer Zeit zurückbildet, sollte ein operativer Eingriff vorgenommen werden. Natürlich richtet sich dieser nach den Ursachen der Erkrankung. So kann zum Beispiel der subakromiale (unter der Schulter befindliche) Raum erweitert werden, indem die den Lauf des Schulterdachs behindernden Teile des Schulterdaches um einige Millimeter beschliffen werden, so dass die Sehne wieder ungehindert verlaufen kann. Auch der meist entzündete Schleimbeutel wird bei einem solchen Eingriff mit ausgeräumt. Befürchtungen, dass darunter Stabilität und Funktion der Schulter leiden, braucht man heute nicht mehr zu haben. Auch der Schleimbeutel bildet sich innerhalb weniger Monate neu, so dass diese Pufferfunktion vom Körper selbst wieder hergestellt wird. Auch wenn das Impingement bereits zu einer Ruptur der Rotatorenmanschette geführt hat, gibt es heute exzellente Möglichkeiten, in einem kleinen endoskopischen Eingriff die abgerissenen Sehnen wieder mit der Manschette zu verbinden. Diese werden heute entweder angenäht oder aber mit bioresorbierbaren Klammern verbunden. Diese lösen sich innerhalb weniger Wochen völlig auf, so dass keine Fremdkörper zurückbleiben. Das Ergebnis ist eine vollständige Rekonstruktion des früheren Zustands.

Es gibt aber noch andere Schulterbeschwerden, die ebenfalls recht häufig auftreten, z.B. die Kalkschulter. Was versteht man darunter?

Dr. Lehmann: Bei der Kalkschulter lagern sich Kalkdepots im Bereich der Sehnen, seltener im Bereich des Bindegewebes ab. Dieser Kalk kann eine kristalline Struktur (ähnlich wie Zucker) haben, oder aber eine seifige Konsistenz aufweisen. Hier gibt es ganz unterschiedliche Verlaufsformen, die unterschiedliche Beschwerden verursachen können.

Lagert sich der Kalk an den Sehnen ab, so kann dies zu einer Verdickung der Sehnen führen. Die Beschwerden sind dann ganz ähnlich wie bei einer Überlastung der Sehnen – am Ende steht ein Impingement. Anders verhält es sich mit den weichen Kalkdepots: Diese führen zu starken Schmerzen, wenn sie aufplatzen und der Kalk ins Gewebe austritt. Die Folge ist eine stark entzündliche Reaktion, welche sofort behandelt werden sollte. Diese Kalkdepots können im Rahmen eines kleinen Eingriffs mit einem scharfen Löffel entfernt werden. Zusätzlich können die Schmerzen und die Entzündungsreaktion mit Cortisonspritzen bekämpft werden.

All diese Erkrankungen stellen aber ja keine Erkrankungen des Gelenks an sich dar. Wie kann – anders als durch einen Unfall – unser Schultergelenk selbst erkranken?

Dr. Lehmann: Ähnlich wie Hüft- und Kniegelenke kann auch das Schultergelenk  von arthrotischen Veränderungen betroffen sein – bei der Schulter spricht man von Omarthrose. Die Arthrose ist eine Erkrankung des Gelenkknorpels. Beim gesunden Gelenk sind die Gelenkoberflächen von einer zusammenhängenden Knorpelschicht umgeben. Diese dient als Stoßdämpfer, ermöglicht durch ihre glatte Oberfläche aber gleichzeitig ein „reibungsloses“ Funktionieren des Gelenks. Wenn nun durch entzündliche Prozesse (z.B. bei rheumatoider Arthritis) dieser Knorpel angegriffen wird, so reibt am Ende Knochen auf Knochen. Dieser Zustand verursacht entsetzliche Schmerzen und führt dazu, dass Patienten mit Schulterarthrose sich kaum noch bewegen. Im Röntgenbild sieht man dann eine Arthrose wie an anderen Gelenken, häufig kommt jedoch noch eine Schädigung der Muskeln und Sehnen mit dazu.

Leider gibt es für die Arthrose immer noch kein Allheilmittel. Zwar können neue Medikamente wie die Interleukin-1-Antagonisten oder Hyaluronsäurepräparate die Beweglichkeit verbessern und die Entzündung zurückdrängen, neuen Knorpel können jedoch auch sie nicht wachsen lassen. Jeder Fall muss daher sorgfältig und individuell abgeklärt und behandelt werden. Wenn eine konservative und/oder medikamentöse Behandlung aber keinen Erfolg mehr verspricht, dann sollte der Einsatz eines künstlichen Schultergelenks in Betracht gezogen werden. In den letzten Jahren sind diese Implantate wesentlich weiterentwickelt worden, so dass heute in Bezug auf Beweglichkeit und Lebensdauer in anderen Dimensionen gedacht wird als noch vor 15 oder 20 Jahren. Es kann daher heute keine Rede mehr davon sein, dass ein Gelenkersatz im Bereich der Schulter das Ende eines aktiven Lebens bedeutet. Im Gegenteil: Die meisten Patienten fühlen sich wieder sehr viel mobiler und genießen eine erheblich verbesserte Lebensqualität gegenüber der Zeit vor der Implantation.

Herr Dr. Lehmann, haben Sie herzlichen Dank für Ihre Ausführungen!

aus ORTHOpress 04|2002
Alle Beiträge dienen lediglich der Information und ersetzen keinesfalls die Inanspruchnahme eines Arztes*in. Falls nicht anders angegeben, spiegeln sie den Stand zur Zeit der Erstveröffentlichung wider. Die aktuelle Einschätzung des Sachverhalts kann durch Erfahrungszuwachs, allgemeinen Fortschritt und zwischenzeitlich gewonnene Erkenntnisse abweichen.