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Sportmedizin

Marathon – was im Körper bei extremer Belastung passiert

Beitragsbild
Unidentified marathon athletes legs running on city road

Marathonläufe sind zu einem wahren Massenphänomen geworden. Allein im deutschsprachigen Raum finden jedes Jahr mehr als 200 organisierte Marathon-Wettkämpfe statt. Während Teilnehmer auf den besonderen Kick schwören, den sie dabei erleben, weisen Mediziner sowohl auf die positiven Seiten als auch die Risiken dieses Sports hin.

Auf die Frage, ob ein Marathonlauf eher gesund oder schädlich für die Gesundheit ist, lässt sich grundsätzlich keine einfache Antwort finden. Denn zum einen stellt der Lauf selbst eine extreme Belastung für den menschlichen Körper dar, die eher schadet als nutzt und mitunter sogar gefährlich sein kann, zum anderen hat die Vorbereitung auf den Wettkampf durchaus einen günstigen Effekt auf den Organismus. Wissenschaftler sprechen daher auch von einem „Marathonparadox“.

• Während eine verhältnismäßig maßvolle sportliche Betätigung, wie sie mit dem Marathontraining verbunden ist, die körpereigene Abwehr stärkt, wird das Immunsystem durch einen Marathonlauf geschwächt. Aufgrund der großen Belastung kommt es zu Entzündungsreaktionen, sodass der Betroffene anfälliger für Infekte wird. 

• Regelmäßiges Training führt dazu, dass sich in den Knochen vermehrt Mineralstoffe einlagern, sodass diese härter und belastbarer werden. Auch Bänder, Gelenke und Muskeln werden gekräftigt. Dass Marathonläufer dennoch mit schmerzenden Knien oder Schienbeinen, Krämpfen oder Achillessehnenbeschwerden zu tun haben, hängt mit dem enormen Gewicht zusammen, das über eine sehr lange Distanz auf die Knie ausgeübt wird und immerhin dem Drei- bis Fünffachen des Körpergewichts entspricht.

• Besonders betroffen ist das Herz-Kreislauf-System. Einerseits wird dieses durch ein regelmäßiges Lauftraining trainiert, sodass neue Adern gebildet und die Gefäßwände elastischer werden. Zudem wird der Zucker im Blut abgebaut, sodass die Bauchspeicheldrüse weniger Insulin produzieren muss. Dadurch sinkt das Risiko, an Diabetes zu erkranken. Andererseits kann gerade das Herz-Kreislauf-System bei einem Marathonlauf versagen. Darauf sind immerhin fast alle Marathon-Todesfälle zurückzuführen. Untersuchungen haben gezeigt, dass das Herzinfarktrisiko bei trainierten Männern in Ruhe nur halb so groß ist wie bei Untrainierten, sich aber während des Laufs um das Siebenfache steigert.

Kein Marathon ohne gründliche Vorbereitung 

Fast alle Todesfälle, die sich bei einem Marathonlauf ereignen, lassen sich auf ein Versagen des Herz-Kreislauf-Systems zurückführen. Die Chance, dass es zu solch einem tödlichen Ereignis kommt, dürfte schätzungsweise bei etwa 1:110 000 liegen. Wissenschaftler weisen allerdings darauf hin, dass zahlreiche der zu bedauernden Opfer schlecht vorbereitet waren und bereits mit einem geschädigten Herzen an den Start gingen. Bei Läufern unter 35 Jahren wird das Risiko, einen plötzlichen Herztod zu erleiden, im Allgemeinen als eher gering eingeschätzt. Stärker gefährdet dagegen seien Läufer aus älteren Jahrgängen. Als typische Beispiele gelten Manager in der Midlife-Krise, die jahrelang ein stressreiches Leben geführt und sich schlecht ernährt und kaum bewegt haben. Diese Personen würden sich zuweilen ohne gründliche Vorbereitung völlig überfordern. 

Glücksgefühle durch Endorphin

Es sind jedoch nicht nur die körperlichen Aspekte, die den Marathonlauf so beliebt machen, sondern auch das Glücksgefühl, das er hervorruft. Viele Jogger geraten beim Joggen in einen Bewusstseinszustand, den man als „Flow“ bezeichnet. Dieses Phänomen wird damit erklärt, dass der präfrontale Cortex, ein Gehirnareal, das für das Nachdenken zuständig ist, unter starker körperlicher Belastung heruntergefahren wird. Denn das Gehirn benötigt während des Laufens soviel Energie für die Koordination der Bewegungsabläufe, dass die Regionen, die nicht in Anspruch genommen werden, quasi auf Energiesparmodus gesetzt werden. So haben Untersuchungen ergeben, dass es Probanden auf dem Laufband schwer fällt, sich Zahlen zu merken. Die angenehme Folge dieses Defizits besteht darin, das man das Gefühl für Raum und Zeit verliert und keinen „Platz im Kopf“ für Grübeleien und Gedankenspiralen hat. Aus diesem Grund ist intensives Laufen ein ideales Mittel gegen Depressionen. Ein weiterer Grund für den Glückseffekt ist das körpereigene Opiat Endorphin, das beim Laufen verstärkt ausgeschüttet wird und einen euphorisierenden und schmerzstillenden Effekt auslöst. Während es lange Zeit nur im Blut nachweisbar war, weiß man inzwischen, dass es beim Joggen auch im Gehirn aktiv wird. Vor Kurzem hat man einen weiteren körpereigenen Wirkstoff entdeckt, der im Gehirn einen schmerzlindernden und euphorisierenden Effekt auslöst. Er trägt den Namen Endocannabinoid und ähnelt, wie aus der Bezeichnung hervorgeht, dem Wirkstoff der Cannabispflanze. 

Es passiert also eine ganze Menge beim Laufen. Insgesamt sollen zwei Drittel aller Muskeln bewegt und 400 Botenstoffe ausgeschüttet werden. Ob man, um diese Effekte zu erzielen, gleich zum Marathonläufer werden muss oder sich mit kürzeren Strecken begnügt, ist eine andere Frage. Eine weniger belastende Alternative stellt z. B. der Halbmarathon dar. Hier ist der Puls des Läufers zwar höher als beim Marathon, liegt aber dennoch immer noch unter der anaeroben Schwelle, bei der das Sauerstoffangebot und der Sauerstoffverbrauch in den Körperzellen gerade noch ausgeglichen ist.

Folgende Regeln sollten Marathonläufer beachten:

  • Lassen Sie Ihren Gesundheitszustand regelmäßig von einem Sportmediziner überprüfen. Hilfreich ist ein Laktattest, bei dem die Anhäufung von Milchsäure im Blut unter Belastung untersucht wird. 
  • Als angehender Marathonläufer dürfen Sie Ihren Laufumfang nur langsam steigern. 
  • Trainieren Sie begleitend Ihre Muskeln und Sehnen.
  • Nach dem Lauf braucht Ihr Körper ausreichend Zeit zur Regeneration. Empfehlenswert sind lockeres Auslaufen, Saunaaufenthalte oder Massagen. Wichtig ist eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr, denn der Körper verliert während des Wettkampfs ca. vier Liter Wasser. Um den beträchtlichen Energie- und Mineralienverlust auszugleichen, sollten Sie auf eine vollwertige Ernährung achten.
  • In der ersten Woche nach dem Lauf steht die Erholung im Vordergrund. Zu empfehlen sind leichte Trainingseinheiten in Form von Radfahren oder Schwimmen. Erst danach sollten Sie das eigentliche Traning langsam -wieder aufnehmen. Intensivere Einheiten sollten erst vier bis sechs Wochen nach dem Wettkampf folgen.

von Klaus Bingler

aus ORTHOpress 4/14

Fragen und Antworten

Wie gefährlich ist Marathon?

Dass der erste Mensch, der einen Marathon gelaufen ist, der Legende nach anschließend vor Erschöpfung tot zusammengebrochen ist, hängt selbstverständlich damit zusammen, dass er sich wahrscheinlich nicht darauf vorbereitet hat. Medizinisch betrachtet ist ein Lauf über 42,195 Kilometer jedoch generell eher ungünstig. Kommt es zu einer Überlastung, können Organe wie Herz und Nieren geschädigt werden.

Was passiert bei einem Marathonlauf im Körper?

Schon dann, wenn man die ersten fünf Kilometer zurücklegt, schießt der Puls gewaltig in die Höhe. Immerhin sind dies bei Amateuren bis zu 180 Herzschläge pro Minute. Ungefähr nach 15 Kilometern Laufstrecke fängt der Körper damit an, Blut aus den Bauchorganen abzuziehen, um die Skelettmuskulatur besser versorgen zu können.

Wie lang sollte die Pause nach einem Marathonlauf sein?

In vielen Fällen ist die Regeneration 14 Tage nach einem Marathonlauf abgeschlossen. Manchmal dauert es allerdings bis zu sechs Wochen, bis der Organismus wieder seine volle Leistungsfähigkeit wiedererlangt hat.