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Was hat sich seit den Anfängen getan?
Bereits mehrfach hat die Orthopress über ein aus den USA stammendes, relativ junges Verfahren berichtet, das nun zunehmend auch in Deutschland Verbreitung findet: die sog. minimalinvasive epidurale Wirbelsäulenkathetertechnik, eine Methode, die es – wie der Name bereits andeutet – erlauben soll, Rückenschmerzpatienten bei geeigneter Indikationsstellung ohne offenen Eingriff, d.h. insbesondere eine Bandscheibenoperation, zu helfen. Orthopress ist es ein Anliegen, ihre Leser und Leserinnen, bei denen es sich schließlich nicht nur um „Interessierte“, sondern häufig leider um selbst Betroffene handelt, gerade auch hinsichtlich solcher minimalinvasiver neuerer Behandlungsmöglichkeiten auf dem Laufenden zu halten. Diese aber, das liegt nun einmal in der Natur der Sache, können ihre tatsächliche Wirksamkeit oder aber das Ausbleiben von unerwünschten Begleiterscheinungen häufig erst nach Jahren unter Beweis stellen – wenn entsprechende Erfahrungen damit vorliegen. Wir sind also hartnäckig „am Ball“ geblieben, um über weitere Entwicklungstendenzen in diesem Bereich berichten zu können. Und natürlich nicht wir allein: In den schmerztherapeutischen Vereinigungen Deutschlands hat das Verfahren in letzter Zeit große Beachtung gefunden. Was nun auf derartigen Spezialistentagungen und Fachkongressen besprochen wird, ist zwar für den Laien alles andere als „verdauliche Kost“, sollte aber unserer Meinung nach auch einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Die Popularität einer Behandlungsmethode ist schließlich auch Voraussetzung dafür, dass hinsichtlich Ausbildung, Weiterbildung, technischer Standards usf. eine allgemeine Qualitätssicherung wie -steigerung gewährleistet ist. Auf diesem Gebiet engagiert sich der Münchner Orthopäde und Schmerztherapeut Dr. Reinhard Schneiderhan seit vielen Jahren. Als einer der Pioniere der Methode in Deutschland und als orthopädischer Leiter des Schmerztherapeutischen Kolloquiums in München wurde er nun von der größten Fachgesellschaft für Schmerztherapie in Deutschland, dem Schmerztherapeutischen Kolloquium (STK), offiziell beauftragt, allgemeine Richtlinien für das epidurale Katheterverfahren zu erstellen. Diese liegen nunmehr seit März 2000 vor. Dr. Schneiderhan: „Sie sollen den interessierten Ärzten helfen, die neue Technik richtig anzuwenden und ihre Patienten wirkungsvoll und sicher zu behandeln.“ Die Forderung nach einer gründlichen und fundierten Ausbildung bei einem ausgewiesenen Spezialisten und genügend Erfahrungen soll hier u.a. entsprechende Bedingungen für die Anwendung schaffen und damit Gefahrenquellen vermeiden helfen.
Neben diesen Maßnahmen der Qualitätssicherung, die künftig übrigens auch den Krankenkassen als Grundlage zur Kostenerstattung und außerdem dazu dienen sollen, bei den Kollegen das Bewusstsein zu fördern, „dass bei den meisten Bandscheiben- und Rückenschmerzen nicht immer gleich operiert werden muss“, zeichnen sich zudem Entwicklungen zur Optimierung der Technik selbst ab: So entwickelt der Wirbelsäulenexperte Dr. Schneiderhan zurzeit mit Prof. Racz, dem Erfinder des Verfahrens, eine noch dünnere Sonde, welche die Behandlung an der Halswirbelsäule weiter verbessern soll. Für die Patienten von besonderer Bedeutung ist es natürlich auch, zu erfahren, ob solch ein Verfahren auch tatsächlich hält, was es „verspricht“, also mit welchen mittel- und langfristigen Wirkungen sie bei einem derartigen Eingriff rechnen können. In diesem Zusammenhang sollen die jüngsten Ergebnisse einer prospektiven wissenschaftlichen Studie vorgestellt werden. Diese wurde bereits für die „Fachwelt“ im Februar 2000 in der Zeitschrift „Orthopädische Praxis“ veröffentlicht, nach einem Vortrag von Dr. Schneiderhan auf dem Deutschen Schmerztag 1999 (10. Deutscher interdisziplinärer Schmerzkongress in Frankfurt am Main und Süddeutscher Orthopädenkongress 1999 in Baden-Baden).
Wie läuft die Behandlung mit der epiduralen Wirbelsäulenkathetertechnik ab?
Zunächst noch einmal zur Erklärung der Methode: Bei der epiduralen Wirbelsäulensäulenkathetertechnik, die Anfang der 80er-Jahre von Prof. Gabor Racz (USA) entwickelt worden ist, handelt es sich um eine moderne minimalinvasive Behandlungsmethode mittels eines speziellen Katheters, die Anwendung finden soll bei akuten, ambulant nicht therapierbaren Schmerzen von hoher Intensität sowie bei chronischen Schmerzen, bei denen bisherige Therapieformen den gewünschten Erfolg nicht erzielen konnten; hier insbesondere bei Bandscheibenvorfällen sowie -vorwölbungen, bei akuten wie chronischen Schmerzzuständen nach Bandscheibenoperationen, bei Vernarbungen und Fibrosen nach solchen Eingriffen und bei schmerzhaften Wirbelsäulenveränderungen. Sowohl die technischen Vorgehensweisen als auch die Kathetertechnik selbst wurden seither weiterentwickelt. Mit dem Zugang über den sog. Hiatus sacralis (Hiatus: Kluft bzw. Spalt; untere Öffnung des Kreuzbeinkanals) lassen sich die betroffenen Segmente der Lendenwirbel- und Brustwirbelsäule erreichen. Die obere Brustwirbelsäule sowie die Halswirbelsäule werden über den direkten Zugang in den Epiduralraum (Raum zwischen den Innenflächen der Wirbelbogen und der harten Rückenmarkhaut) erreicht. Nach örtlicher Betäubung (im Bereich des Hiatus sacralis bzw. im Interspinalbereich der oberen Brustwirbelsäule) wird mit einem sog. Introducer durch die Haut in den Epiduralraum eingegangen, durch welchen – nach Kontrastmitteldarstellung und Bildwandlerkontrolle – ein spezieller Katheter eingeführt und mit seiner elastischen Spitze bis an den betroffenen Bereich, z.B. den Nervenwurzelabgang, platziert wird. Hierdurch wird dem Patienten eine Medikamentenkombination (Lokalanästhetikum, Kortison, Kochsalzlösung, Enzympräparat) verabreicht. Folgende Wirkung wird dabei erreicht: Das Schmerzmittel (Lokalanästhetikum) stellt die gereizte Nervenwurzel ruhig. Die Enzyme lösen innere Verklebungen und Vernarbungen. Die Kochsalzlösung entzieht dem umliegenden Gewebe Flüssigkeit. Dadurch soll sich die Bandscheibe zusammenziehen – der betroffene Nerv wird entlastet. Gegenüber einem operativen Eingriff wird dabei das Gewebe der Bandscheibe lediglich „schrumpelig“, nicht aber verletzt. Die Medikamentengabe wird an den beiden folgenden Tagen über den liegenden Katheter jeweils zweimal wiederholt, dieser nach der letzten Injektion entfernt. Am Tag darauf können die Patienten aus der Klinik entlassen werden. Als Nachbehandlung empfiehlt Dr. Schneiderhan eine speziell ausgearbeitete Krankengymnastik, um die Wirbelsäule zu stabilisieren.
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Erfolg der Methode
Innerhalb der Studie wurden 63 Patienten (34 Frauen und 29 Männer; Durchschnittsalter zum Zeitpunkt der Operation: 41 Jahre) im ersten Jahr nach Durchführung des epiduralen Wirbelsäulenkatheterverfahrens (EWK) untersucht. Bei allen Patienten lag vor Anwendung des Verfahrens – neben heftigen Schmerzen, die seit mindestens vier Wochen bestanden – eine Bandscheibenvorwölbung bzw. ein -vorfall oder postoperatives epidurales Narbengewebe in jeweils verschiedenen Wirbelsäulenetagen (L3/L4 bei 3% der Patienten, L4/L5 bei 39% und L5/S1 bei 58%) vor. Nach vier Wochen, drei Monaten und einem Jahr wurden diese Patienten mittels eines standardisierten Fragebogens befragt. „Die subjektive Zufriedenheit des Patienten muss hierbei als wichtigstes Therapieziel gesehen werden“, so der Wirbelsäulenspezialist Dr. Schneiderhan. „Sie wird beeinflusst von der Stärke der Schmerzen nach dem Eingriff sowie der baldigen Wiederaufnahme der Berufstätigkeit und der Sport- und Freizeitaktivitäten.“ – Vier Wochen nach dem EWK waren 90,5% der Patienten sehr zufrieden oder zufrieden, wenig zufrieden waren 9,5% und unzufrieden 0%. Nach drei Monaten waren 94% der Patienten zufrieden bis sehr zufrieden, wenig zufrieden waren 6% und unzufrieden 0%. Nach Ablauf des ersten postoperativen Jahres waren 87,3% der Patienten zufrieden oder sehr zufrieden, wenig zufrieden waren 8,3% und unzufrieden 4,4%.
Zum Thema „Schmerz“ konnten folgende zentrale Ergebnisse ermittelt werden: Nach dem Eingriff waren sofort 67% der Patienten schmerzfrei, innerhalb der ersten 7 Tage weitere 10%, nach zwei Wochen 83% der Patienten, nach der dritten Woche waren es 90% und am Ende der siebten Woche 93% der Patienten.
So wird der Eingriff sicher:
Die 10 wichtigsten Richtlinien (von Dr. Reinhard Schneiderhan)
- Der Eingriff kann nur stationär in einer Klinik durchgeführt werden.
- Er sollte in einem Operationssaal mit Röntgengerät (Bildwandler) erfolgen.
- Während des Eingriffs müssen ständig EKG, Blutdruck und Sauerstoffgehalt im Blut gemessen werden.
- Ein vollausgebildeter Narkosearzt muss anwesend sein.
- Die Klinik sollte über eine Intensiv- bzw. Wachstation verfügen.
- Der Behandler muss ausgebildeter Facharzt sein.
- Er sollte zur Grundausbildung an mindestens zwei mehrtägigen Workshops von Prof. Racz teilgenommen haben.
- Er sollte bei mindestens 200 Eingriffen (120 LWS, 80 HWS) einem Spezialisten assistiert haben.
- Er sollte mindestens 200 weitere Eingriffe (120 LWS, 80 HWS) unter Aufsicht selbstständig durchgeführt haben.
- Empfehlenswert ist eine Zulassung des Arztes durch die Ersatzkassen zur Behandlung chronisch schmerzkranker Patienten.
„Neben den für die Patienten naturgemäß ausschlaggebenden Schmerzen spielen aber auch Arbeitsfähigkeit und Sport – vor allem nach Abklingen der Schmerzen – eine wichtige Rolle für den Alltag nach einer Operation“, sagt Dr. Schneiderhan. In der Studie ergaben sich hierzu folgende Ergebnisse: 60% der Patienten konnten innerhalb der ersten 14 Tage ihre Arbeitstätigkeit wieder aufnehmen, 77% nach vier Wochen, 87% nach zwei Monaten und 90% wurden drei Monate nach dem EWK wieder arbeitsfähig. Von den 55 (von 63) sportlich aktiven Patienten konnten 60% ihre sportliche Aktivität wie zuvor ausüben, 20% nur eingeschränkt, 10% nahmen ihren Sport nicht wieder auf. (10% machten keine Angaben hierzu.)
Drei Patienten hatten ein Rezidiv, wobei in allen drei Fällen eine mikrochirurgische Reoperation erfolgte. Komplikationen traten bei den Patienten nicht auf.
Nach den sog. MacNab-Kriterien wurden abschließend folgende Ergebnisse ermittelt: In 64% der Fälle wurde dabei die „Note“ „hervorragend“ vergeben (d.h. keine Schmerzen mehr, keine Einschränkung der beruflichen oder sportlichen Aktivitäten, keine Einnahme von Schmerzmitteln, Verbesserung der zuvor bestehenden Gefühlsstörungen), 24% erhielten „gut“, 9% „zufrieden stellend“ und 3% „ungenügend“ (keine Besserung der Schmerzsymptomatik oder nur so ungenügende Besserung, dass berufliche und sportliche Aktivitäten nicht mehr möglich sind, permanenter Schmerz, dauernde Analgetikaeinnahme, Reoperation).
Die Frage, ob sie das EWK erneut durchführen lassen würden, bejahten 94% aller Patienten, mit „Nein“ antworteten 4,7%, 1,3% waren unschlüssig.
MVZ Praxisklinik
Dr. Schneiderhan und Kollegen
München-Taufkirchen
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*Archivbeiträge spiegeln den Stand zur Zeit der Erstveröffentlichung wieder. Die aktuelle Einschätzung des Sachverhalts kann durch Erfahrungszuwachs, allgemeinen Fortschritt und zwischenzeitlich gewonnene Erkenntnisse abweichen.