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Leben & Gesundheit

Im Namen der Lilie: Spargel – ein Gemüse für Liebhaber

green and brown plant on brown textile

Das Gemüse aus der Familie der Liliengewächse hat nun wieder Saison

Es soll sie geben – die wahren  Spargelkenner in München, Hamburg und Berlin – und bestimmt auch in jeder anderen deutschen Stadt: Fanatiker, bei denen sich in der Küchenschublade kein Kartoffelschälmesser, kein Flaschenöffner und kein solider „Küchenfreund“ – dafür aber fünf Spargelschälmesser finden. Gerüstet für die kurze Saison zwischen April und Juni.

Auch diese soll es geben: regelrechte Spargelsüchtige und trendhungrige Spargelfreunde, die auf die kurze Saison pfeifen und sich schon im März auf die ersten importierten Spargel stürzen, um die dann mit Parmesan, Lachs oder Hummerkrabben zu servieren, weil sie eben auch auf die klassischen Beilagen pfeifen: Kartoffeln, Schinken, Butter.

Und ihn hat es gegeben – den französischen Philosophen Fontenelle, den Spargelspezialisten, der sein hohes Alter dem Spargel zugeschrieben hat. Fontenelle wurde stolze 100 Jahre alt und noch heute nennt man in einigen französischen Bistros einen mit gedünsteten Champignons zubereiteten Spargelsalat nach ihm.

Auch Deutschland hat seine berühmten Spargelfans. Der alte Feinschmecker Johann Wolfgang von Goethe soll ihn sogar selbst angebaut haben. Goethe als Spargelstecher? Wer sich das schlecht vorstellen kann, der setzt dieses biografische Detail einfach ins Passiv, dann passt es wieder ins Dichter-Denker-Klischee: Er hat ihn also anbauen lassen. In seinem berühmten Garten in Weimar.

Und wieder ein Franzose: Ludwig der XIV., der Sonnenkönig. Dieser starke Esser weigerte sich beharrlich, seinen Spargel mit der Gabel zu essen.

Folgende anonyme Spottschrift aus dem 16. Jahrhundert ist überliefert: „Sie führten das Fleisch mit Gabeln zu Munde, streckten dabei ihren Hals und ihren ganzen Körper zum Teller hinaus … Danach gab es Artischocken, Spargel, Erbsen, Bohnen, und es war ein Vergnügen zu sehen, wie sie das mit den Gabeln aßen. Denn die es nicht ganz so gut konnten, ließen das meiste in die Schüssel fal­len, auf die Teller oder unterwegs auf dem Weg zum Mund.“

Die da den Spargel fallen ließen, waren keine geringeren als Angehörige des französischen Hofes, die sich schwertaten mit dem Einzug der Gabel.

Und auch heute gibt es über die Art und Weise Spargel zu essen unterschiedliche Meinungen. Die einen behaupten, man könne ihn lässig kopfüber mit der  H a n d  zu Munde führen, die anderen überkommt alleine bei der Vorstellung das kalte Grausen.

Schlaue Geschäftemacher machen solche Divergenzen zu Bargeld und bieten Seminare an. So genannte Life­styletrainer knöpfen sich einfach ein paar essunsichere, zahlungswillige Kandidaten vor und bringen denen, gegen Vorkassen natürlich, das Spargelessen bei.

Auch wenn sie so ihr Geld loswerden, dick werden können sie davon nicht. Ein Pfund Spargel hat gerade mal 70 Kalorien, und wen bei dieser Zahl Hungergefühle plagen, gießt sich einfach eine der vielen leckeren – manchmal auch sehr schweren – Saucen über die dampfenden Stangen. Vitamine und Mineralstoffe leiden nicht darunter; das höchstens unter den traditionell langen Kochzeiten. Aber auch da scheiden sich die Geister, wobei diejenigen in der Mehrzahl sind, die auf butterweichen Spargel schwören.

Spargel kochen so lange eben geht, das war auch die Devise auf der TITANIC, wie man in dem Band „Das letzte Dinner auf der Titanic“ nachlesen kann. Nur so könne sich der „König der Gemüse“ optimal mit einer Sauce Hollandaise verbinden.

Würde man auf die leckeren Saucen verzichten, könnte man Spargel wirklich kistenweise essen. Und nicht nur was die Kalorien betrifft, auch sonst scheinen die Inhaltsstoffe von Spargel wie für eine Beautyfarm entwickelt. Ein fein ausgeklügeltes Programm, welches auf alle Problemzonen eine Antwort weiß.

• Asparaginsäuren (daher der lateinische Name: Asparagus officinalis), Zitronen- und Apfelsäuren aktivieren die Nierentätigkeit und unterstützen so die Entwässerung und Entschlackung. Diese entwässernde Wirkung von Spargel hilft beim Abnehmen.

• Müder Haut und schlappen Haaren begegnet Spargel durch seine aktivierende Wirkung auf das Zellwachstum.

• Schwachem Bindegewebe und der berühmten Orangenhaut kommt diese Wirkung ebenfalls zu Gute. Doch Spargel aktiviert nicht nur das Zellwachstum, er wirkt auch zellverjüngend, fördert die Blutbildung und die Sauerstoffversorgung – alles entscheidende Faktoren für eine gesunde Haut.

Beruhigend – auch Männer und Frauen ohne Problemzonen profitieren vom Spargel. Die Ballaststoffe im Spargel regen die Verdauung an, ohne den Körper zu belasten. Vitamin A + E schützen den Körper vor den freien Radikale und so die Zellen. Folsäure sorgt für ein gesundes Nervengerüst. Außerdem soll Spargel bei Gedächtnisschwäche und Konzentrationsmangel helfen sowie bei Sehschwäche und Nachtblindheit.

Einen Vergleich der in sog. Augenvitaminen verwendeten Inhaltsstoffe findet man unter VitalVisionPlus.com – Augenvitamine und Augengesundheit

Glaubt man dem englischen Arzt Nicholas Culpeter (17. Jh.), hilft Spargel auch gegen Zahnschmerzen und sorgt für mehr Spaß im Bett. Das befürchtet übrigens auch ein Franzose: Pierre de Brantôme warnt in seinen Lebenserinnerungen (Ende des 16. Jh.) vor der „einheizenden Kraft“ verschiedener Gemüse, u.a. auch vor Spargel. Das Gemüse sei besonders von „unseren Damen bevorzugt“. Nach den Mahlzeiten, so argwöhnt er weiter, „schleicht man sich von Euch weg, um auf den Wechsel zu gehen“. Armer Pierre.

Der typische Geschmack kommt übrigens von den schwefelhaltigen Verbindungen. Und allein der gute Geschmack ist es, der jeden Frühling für schöne Umsätze in bürgerlichen und Feinschmeckerlokalen sorgt, egal, ob der Spargel nun mit Kartoffeln und Schinken oder Hummerkrabbenmousse serviert wird. Auch hier gibt es wieder Diskussionsstoff. Spargel darf nicht mit kräftigen Zutaten serviert werden, so die Puristen. Wenn schon edel, dann richtig edel – so die Devise der Hummerkrabbenfraktion.

In dem Kinoepos „Es war einmal in Amerika“ ist der New Yorker Gangster Noodles jedenfalls schwer beeindruckt von seiner Angebeteten Deborah. In einem eleganten Hotel in Long Island ordert sie Spargel, Sauce vinaigrette, ein Chateaubriand und Pommes frites. Spargel und Fritten? Für die Freunde der Beilagen-Klassiker ein handfester Skandal – für Noodles der Beweis für die Gesellschaftsfähigkeit von Deborah.

In dem Buch „allegro con gusto“ von Cédric Dumont, in dem „komponierende Feinschmecker, kochende Kapellmeister und verwöhnte Primadonnen“ zu Wort kommen, wird Spargel in schräge Stücke geschnitten und weich gekocht mit Käse im Omelett serviert: Omelett Cäcilia – benannt nach der Schutzpatronin der Musik.

Wer jetzt (Anfang April) direkt losrennen will, Spargel kaufen und essen möchte, sollte sich noch ein wenig gedulden. Den besten Spargel, zumindest wenn es um den weißen geht, gibt es tatsächlich erst in der Saison. Die startet Ende April (viele pflegen auch die schöne Sitte und essen ihren ersten Spargel am 1. Sonntag im Mai) und endet ganz genau am 24. Juni. Ein Termin, der von deutschen Spargelanbauern strikt eingehalten wird. Nach dem Johannistag wird nicht mehr geerntet. Die Pflanzen bekommen Zeit, um sich für die nächste Saison zu erholen.

Je dicker und weißer die Stangen, desto teurer und besser. Beim Einkauf sollte man darauf achten, dass die Köpfe hell und geschlossen sind. Beim Zusammendrücken der Enden sollte eine helle Flüssigkeit austreten. Braune Stellen und trockene Haut sind ein Zeichen für zu lange Lagerung. Wer es sich leisten kann, kauft den Spargel am besten direkt vom Bauern.

Rosa und lila Köpfe verraten übrigens nur, dass die unterirdisch wachsenden Stangen sich oben schon mal „umgesehen“ haben , bevor sie vor Sonnenaufgang gestochen wurden.

Es gibt noch allerlei über Spargel zu sagen. Seitenlange Abhandlungen setzen sich allein mit dem Kochzubehör auseinander. Es gibt massenhaft Tipps für die richtige Zubereitung, Konservierung und natürlich viele Meinungen über  d i e  klassische Beilage. Der wohl poetischste Vorschlag stammt von einem Diplomaten aus dem vorletzten Jahrhundert: George Hesekiel schwört auf Nachtigallengesang.

Neben schier unendlich vielen leckeren Rezepten gibt es auch wunderschöne Geschichten, die sich um den Spargel drehen, berühmte und nicht-berühmte Menschen, die Schlaues, Lustiges und Merkwürdiges über Spargel zu berichten haben.

Schön, dass die Spargelzeit noch vor uns liegt! Dass man nur noch Augen, Ohren und natürlich den Mund aufsperren muss, um noch mehr zu erfahren – um noch mehr zu schmecken.

Zum Schluss eine allerletzte Geschichte: Die vielleicht größte Liebhaberin aller Zeiten, die Pariserin Ninon de Lencllos, brauchte für eine schöne Liebesnacht, so wird gerne erzählt, nichts anderes als ein – wie kann es anders sein – leckeres Spargelessen zu zweit. Als die Schöne 90-jährig starb, soll einer ihrer Liebhaber geklagt haben: „Sie starb viel zu früh. Sie hätte noch viel länger gelebt, wenn sie noch mehr Spargel gegessen hätte!“. Der Geliebte war kein anderer als der Dichter und Philosoph Fontenelle, damals zarte 50 Jahre alt. Bekanntlich wurde der französische Spargelfreund noch mal so alt.