Flupirtin – Die „Löschtaste“ für das Schmerzgedächtnis?
Auch heute noch werden für die Behandlung akuter und chronischer Schmerzen meist sogenannte nicht-steroidale Antirheumatika (NSAR) verschrieben. Diese helfen zwar, aber sie werfen auch Probleme an ganz anderer Stelle auf: Bei Langzeiteinnahme drohen vielen Patienten starke Beschwerden des Gastrointestinaltrakts, die bis hin zur gefürchteten Magenblutung reichen können. Die gesetzlichen Krankenversicherungen in Deutschland „investieren“ jährlich rund 130 Millionen Euro allein in die Behandlung der Nebenwirkungen der NSAR – bei mindestens jedem zehnten Patient, der sie regelmäßig einnimmt, sind Schleimhautveränderungen in Magen oder Zwölffingerdarm endoskopisch nachweisbar. Die Suche nach nebenwirkungsarmen Alternativen nimmt daher sein Jahren großen Raum in der Pharmaforschung ein.
Wenn sich der Schmerz einbrennt
Aber was tun, wenn der Schmerz chronisch wird? Man nimmt heute an, dass sich Schmerz, wenn er nicht bekämpft wird, quasi „einbrennt“; der Mediziner spricht vom sogenannten „Schmerzgedächtnis“. Besonders bei Patienten mit Rückenschmerzen beginnt ein Teufelskreis, denn die Ursache ihrer Schmerzen ist oft entweder nicht zu behandeln, oder aber sie besteht schon lange nicht mehr, obwohl die Schmerzen weiterhin andauern. Die Hoffnung stützt sich daher hauptsächlich auf die Entwicklung neuer Schmerzmittel, die weitgehend ohne gefährliche Nebenwirkungen auskommen. Eine Substanz, die dabei immer häufiger Erwähnung findet, ist Flupirtin z.B. Katadolon, der Prototyp der neuen Substanzklasse SNEPCO (Selective NEuronal Potassium Opener = Kalium-Kanal-Öffner). Anders als herkömmliche Schmerzmittel dämpft Flupirtin nicht nur den Schmerz, sondern hemmt auch seine Entstehung durch eine Verringerung der Erregbarkeit der Nervenzelle. Es kann daher nicht nur die Schmerzempfindung selbst bekämpfen, sondern auch ihre Chronifizierung.
Gute Wirksamkeit bei verspannungsbedingten Schmerzen
Besonders Patienten mit nicht entzündungsbedingten Schmerzen, die ihre Ursache in einer Verspannung der Halte- und Bewegungsmuskulatur haben, sollen von Flupirtin profitieren: Es wirkt einerseits gegen den Schmerz, und setzt andererseits den pathologisch erhöhten Muskeltonus herab. Auch hartnäckige Schmerzen, die vorher nicht zufriedenstellend behandelt werden konnten, könnten daher jetzt mit dieser neuen Substanzklasse therapierbar werden.
Keine Nebenwirkungen auf den Magen-Darm-Trakt
Wichtiges Merkmal ist das Ausbleiben der gastrointestinalen Nebenwirkungen: Damit eröffnen sich der Therapie von Schmerzpatienten, bei denen eine Langzeiteinnahme absehbar ist, neue Möglichkeiten. Auch ein Abhängigkeitspotential und die Gefahr der Abnahme der Wirksamkeit bei längerer Gabe sind, gegenüber anderen Substanzen, nicht vorhanden. Herausragend ist die Möglichkeit der bislang kaum für möglich gehaltenen medikamentösen Therapie eines bereits bestehenden Schmerzgedächtnis: Neben der Entwicklung chronischer Schmerzen rückt mit Flupirtin offenbar der Rückbau eines schon ausgeprägten Schmerzgedächtnisses in greifbare Nähe: Das Ruhemembranpotential der Nervenzelle wird stabilisiert. Für akute und chronische muskoskelettale Schmerzen steht mit Flupirtin, dem ersten therapeutisch nutzbaren SNEPCO eine zeitgemäße und nebenwirkungsarme Behandlungsmethode zur Verfügung.
aus ORTHOpress 2/2002
Alle Beiträge dienen lediglich der Information und ersetzen keinesfalls die Inanspruchnahme eines Arztes*in. Falls nicht anders angegeben, spiegeln sie den Stand zur Zeit der Erstveröffentlichung wider. Die aktuelle Einschätzung des Sachverhalts kann durch Erfahrungszuwachs, allgemeinen Fortschritt und zwischenzeitlich gewonnene Erkenntnisse abweichen.