Die Prothetik – insbesondere aber die Hüftendoprothetik – ist uns heute so vertraut wie nur wenige Bereiche der operativen Medizin, zumindest scheint es so: „Ich bekomme ein neues Hüftgelenk“ ist ein Satz, den man heute vielerorts zu hören bekommt. Welch großartige medizinische Leistung darin steckt, wird den meisten von uns gar nicht mehr bewusst. Dabei wird leicht vergessen, dass diese Errungenschaft noch gar nicht so alt ist: Erst 1959 erreichte die Medizintechnik mit der von dem Engländer John Charnley entwickelten künstlichen Hüftpfanne jenen Stand, er es erlaubte, tatsächlich von einer befriedigenden Dauerlösung für Patienten mit schwerer Hüftarthrose zu sprechen. Seitdem ist die Forschung auf diesem Gebiet mit Riesenschritten vorangeeilt. Doch so einfach, wie manch einer sich die Implantation eines Hüftgelenkes vorstellt, ist sie dennoch nicht, erläutert der Frankfurter Orthopäde Dr. Martin Frömel: „Die Wahl der Operationsmethode und der richtigen Prothese ist wesentlich für eine erfolgreiche Operation.“ Eine herausragende Rolle spielt auch das Alter des Patienten, denn die Patienten werden immer jünger – die immer populärer werdenden Leistungs- und Extremsportarten bleiben nicht folgenlos. Bereits bei 5 Prozent aller 55-Jährigen zeigt sich heute eine manifeste Hüftarthrose. Für solche Patienten gilt: Die Lösung muss nicht nur für ein paar verbleibende Lebensjahre Schmerzfreiheit und Beweglichkeit garantieren, sondern im Idealfall eine jahrzehntelange prothetische Versorgung gewährleisten. Dr. Frömel: „Wer deutlich vor dem 60. Lebensjahr ein neues Hüftgelenk benötigt, der möchte ja nicht schon nach fünf oder sechs Jahren zur Revisionsoperation antreten müssen.“
OP-Roboter nicht das Ei des Kolumbus
Vielfach wird daher heute versucht, durch eine möglichst genaue Operation das Langzeitergebnis zu verbessern, so etwa durch den Einsatz von Operationsrobotern, welche millimetergenau die Öffnung fräsen sollen, in welche der Prothesenschaft eingepasst wird. In der Praxis hat sich jedoch gezeigt, dass die bessere Passgenauigkeit mit einem höheren Risiko erkauft werden muss:
„Viel wichtiger ist, dass die notwendige Operation vom Arzt oft ausgeführt wird und jeder Handgriff sitzt“, weiß Frömel aus seiner Erfahrung als Operateur. „Natürlich klingt es für den Patienten Vertrauen erweckend, wenn er weiß, dass die Öffnung für sein neues Hüftgelenk computergenau in den Knochen gefräst wird. Aber man sollte ihm gleichzeitig auch sagen, dass diese Methode der Operation wenigstens zur Zeit noch sehr viel länger dauert als der herkömmliche Eingriff und für den operierenden Arzt ungleich komplizierter ist.“
Optimale Wiederherstellung der Funktion ist das Ziel
Wichtig ist für den Patienten nach dem Eingriff aber nicht nur die Schmerzfreiheit, sondern auch die funktionelle Wiederherstellung der Hüftgelenksfunktion. Eine normale Gelenkfunktion ist gekennzeichnet durch:
1. schmerzfreie Beweglichkeit über den gesamten erforderlichen Bewegungsumfang;
2. die störungsfreie Kraft- und Belastungsübertragung über alle Gelenkstrukturen und
3. die Gewährleistung von Stabilität während des Gebrauchs.
Laut Dr. Frömel kann dies am besten erreicht werden, wenn die Prothese selbst individuell angepasst wird: „Inzwischen gibt es Hersteller, welche keine «Hüftprothese von der Stange», sondern ein für jeden Einzelfall maßgeschneidertes Prothesensystem anbieten.“
Der große Vorteil eines solchen auf den Patienten zugeschnittenen Hüftgelenks ist, dass nicht nur das Gelenk an sich ersetzt wird, sondern auch vorhandene Fehlstellungen ausgeglichen werden können, wodurch die Belastung durch den Eingriff weiter absinkt und zudem einige der Faktoren, welche zu der Arthrose geführt haben, für die Zukunft beseitigt werden können. Durch die Berücksichtigung und den Ausgleich von Beinlängendifferenzen zum Beispiel wird eine hohe Primärstabilität und ein sehr genauer Passsitz erreicht.
Auch die notwendige Zeit zur Rehabilitation kann so gegenüber einer herkömmlichen Prothese signifikant verringert werden.
Wie lange hält ein „künstliches Hüftgelenk“?
Kardinalfrage ist und bleibt aber die Frage nach der Lebensdauer eines Gelenkersatzes. Dr. Frömel: „Heute eingesetzte Prothesen verfügen im Allgemeinen über eine sehr lange Lebensdauer. Aber auch Hi-Tech-Werkstoffe wie Keramik und Titan können den menschlichen Knochen nicht zu 100 Prozent ersetzen. Je nach dem Alter des Patienten kann es deshalb immer noch vorkommen, dass dieser nach Jahren noch einmal operiert werden muss.“
Dennoch spielt die so genannte „Gleitpaarung“ eine entscheidende Rolle, da die Abnutzung der künstlichen Gelenkflächen ein wesentlicher Faktor ist. Zwar sagt sie nichts über eine mögliche Auslockerung der Prothese aus – als Faustregel gilt jedoch: Je geringer die Abnutzung im Gelenk, umso höher die Lebensdauer des Implantates. „Es spielen jedoch generell immer noch zu viele individuelle Faktoren eine Rolle, als dass man pauschal eine Haltbarkeit von X Jahren angeben könnte“, resümiert Dr. Frömel. „20 bis 25 Jahre sind technisch mittlerweile sicherlich möglich, aber noch nicht als Regel anzusehen. Unabhängig davon kann man jedoch mit der Verwendung neuer Prothesengenerationen und modernster Operationstechniken dafür Sorge tragen, dass ein später notwendiger Revisionseingriff problemlos möglich ist. Eine lebenslange und komplikationslose prothetische Versorgung ist damit für die meisten heutigen Prothesenempfänger keine Utopie mehr.“
Aus ORTHOpress 1 | 2002
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