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Leben & Gesundheit

Der Stoff, auf den sich unser Körper stützt – das Bindegewebe

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Schlaff, faltig und ohne Konturen wäre unser Körper, wenn es nicht eine Substanz gäbe, die uns aufrichtet und stärkt: das Binde- oder Stützgewebe. Es verleiht unserem Körper sowohl Festigkeit und Halt als auch Spannkraft und Elastizität. Es stützt und verankert alle unsere inneren Organe, Muskeln, Blutgefäße und Nervenbahnen und hält in Form von Bändern und Sehnen unsere Knochen zum Skelett zusammen.

Das Chamäleon unter den Geweben

Da das Bindegewebe viele Aufgaben erfüllt und in den verschiedensten Erscheinungsformen – sei es als Substanz für Knochen und Knorpel oder als Grundgerüst für Organe – auftritt, wird es auch als ”Chamäleon” unter den Grundgewebearten bezeichnet. Charakteristisch für seine Struktur ist, dass zwischen den Zellen viel Freiraum liegt, der durch die so genannte Interzellular-Substanz oder interzelluläre Matrix ausgefüllt wird. Als Mutterboden und Urform aller Gewebe gilt das Mesenchym, das bereits im Körperbau der urtümlichsten vielzelligen Tiere wie Quallen und Schwämme auftritt und auch der wichtigste Bestandteil des menschlichen Embryo ist.

Während das Mesenchym noch weitgehend faserlos ist, besitzen seine zahlreichen Abkömmlinge, denen wir uns im Folgenden zuwenden, eine Interzellularsubstanz, die neben einer amorphen Grundsubstanz zu einem nicht unbeträchtlichen Teil aus Fasern besteht. Die wichtigste Faserart im menschlichen Körper ist das Kollagen, das seinen griechischen Namen (= Leim bildend) der Tatsache verdankt, dass es sich in Wasser löst und eine leimartige Masse bildet. Die einzelnen Kollagenfasern, deren Durchmesser 1 bis 20 m m beträgt, bestehen aus so genannten Fibrillen, die man, wie durch elektronenmikroskopische Untersuchungen nachgewiesen wurde, in noch winzigere Bestandteile, die Mikrofibrillen, zerlegen kann.

Den unterschiedlichen Eigenschaften der Fasern entsprechen die verschiedenen Funktionen und Aufgaben des Bindegewebes. Schutz- und Abwehrfunktionen üben die netzförmigen oder retikulären Bindegewebszellen aus. Sie haben die Fähigkeit, Fremdkörper in sich aufzunehmen und abzutöten, was in der Medizin auch Phagozytose genannt wird.

Vielfältig sind die Aufgaben, die das Fettgewebe erfüllt. Wegen seines hohen Wassergehalts von über 80 Prozent ist es prall und elastisch und deshalb bestens dazu geeignet, Druckpolster- oder Wasserpolsterfunktionen, z.B. an den Handballen oder Fußsohlen, auszuüben. Da Fettgewebe ein schlechter Wärmeleiter ist, dient es auch dazu, den Körper vor Wärmeverlust zu schützen. Darüber hinaus ist es Nahrungsspeicher und Depotorgan.

Im Dienst an Haut und Knochen

Dem netzförmigen und dem Fettgewebe, die beide auch als zellreich charakterisiert werden, stellt man das faserreiche oder fibrilläre Bindegewebe gegenüber, das als lockeres, straffes und elastisches Bindegewebe auftritt. Das lockere Bindegewebe verbindet nicht nur die Organe untereinander, sondern umhüllt auch die Muskelteile und bildet die Unterhaut (Dermis), die dafür sorgt, dass unsere Haut glatt und straff bleibt. Wenn das Gewebe der Unterhaut im Laufe unseres Lebens an Flüssigkeit verliert und sich zurückbildet, können wir die Folgen im Spiegel leicht aufspüren, wenn wir unsere Fältchen und Falten studieren. Übrigens soll die Haut von Rauchern, weil sie weniger Kollagen enthält, schneller altern und faltig werden.

Das straffe, elastizitätsarme, weiß glänzende Bindegewebe kommt hauptsächlich in den Sehnen zum Einsatz. Die so genannten ”kollagenen” Faserbündel sind parallel gebündelt und verleihen der Sehne eine beträchtliche Zugkraft von 5-10 kp/mm2, womit sie die von Stahl übertrifft. Die Fasern weisen auf Grund ihrer Molekularstruktur eine natürliche Wellung auf, die beim Einsetzen des Muskelzuges ausgeglichen wird. Auf diese Weise kann die Zugwirkung fließend auf den Knochen überführt werden, wodurch Verletzungen vermieden werden.

Die elastischen Bindegewebsfasern trifft man unter anderem in den Wänden der Blutgefäße an, speziell in der großen Körperschlagader (Aorta), den Arterien und den Lungenbläschen.

Eine hervorstechende Eigenart dieser Fasern ist, dass sie bis zu 130 Prozent reversibel dehnbar sind.

Die erstaunlichen Kräfte der Knorpelfasern

Eine besondere Gewebeform ist der Knorpel, dessen hohe Druckelastizität durch die sehr kräftig ausgebildete Interzellularsubstanz hervorgerufen wird. Knorpel ist somit bis zu einem gewissen Grad komprimierbar und dehnbar. Auf Grund ihrer unterschiedlichen Struktur und Funktion können drei Knorpelarten auftreten:

  • der glasige oder hyaline oder Glasknorpel
  • der elastische Knorpel
  • der faserige oder bindegewebige Knorpel.

Entzündungen und ihre Folgen

In der modernen Medizin bezeichnet man eine ganze Reihe von Erkrankungen als Bindegewebs- oder Kollagenkrankheiten. Gemeinsam ist diesen Erkrankungen eine Entzündung des Bindegewebes. Da sich besonders viel davon in den Gelenken mit seinen Bändern und Kapseln findet, tritt eine Entzündung der Gelenke sehr häufig auf. Die bekanntesten ”Volkskrankheiten” in diesem Zusammenhang sind wohl ”Arthritis” und ”Rheumatismus”. Da Stützgewebe darüber hinaus in allen Organen vorkommt, sind den Auftrittsmöglichkeiten der Bindegewebsentzündungen kaum Grenzen gesetzt. Exemplarisch wollen wir hier eine besondere Form der entzündlich rheumatischen Erkrankungen herausgreifen, die Sklerodermie (griech. = harte Haut), die sich durch eine Verhärtung des Bindegewebes auszeichnet und in zwei Verlaufsformen auftritt: als zirkumskripte und als progressive systemische Sklerodermie. Die zirkumskripte Sklerodermie betrifft nur das Bindegewebe der Haut. Im Zentrum roter Flecken, in der Medizin Erytheme genannt, tritt eine Verhärtung auf, die wie eine elfenbeinfarbene glatte Platte aussieht. Bemerkenswert ist, dass von dieser Verhärtung, die auch mit einer Hautverengung einhergehen kann, immer wieder Hautstellen betroffen sind, die besonderem Druck ausgesetzt werden, etwa im Bereich von BH-Trägern oder in der Leistengegend, wo die zu enge Hose ”drückt”. Die Erkrankung verliert meist im Laufe von Monaten oder Jahren an Aktivität und ”brennt aus”. So unangenehm die Beschwerden in diesem Krankheitsverlauf auch sein mögen – etwa, wenn es sich um eine Verhärtung und Verengung der Haut im Bereich der Gelenke handelt und deren Beweglichkeit dadurch eingeschränkt wird –, so ”tröstlich” ist es für die Patienten, dass sich die Erkrankung nicht auf andere Organe ausbreiten kann. Bei der progressiven systemischen Sklerodermie (PSS), die man auch Systemsklerose oder diffuse Sklerodermie nennt, wird darüber hinaus auch das Bindegewebe innerer Organe mit einbezogen. Dabei kann sich die Bandbreite der Entzündungen von kleinsten Veränderungen bis zu einer deutlich einschränkenden Erkrankung mit Multiorganbefall erstrecken. Ein typisches Krankheitsbild ist das Raynaud-Syndrom, bei dem die Haut der Finger verdickt und verhärtet, später eine derbe, glatte Oberfläche bekommt und die Beweglichkeit sich schließlich verringert. Viele Mediziner gehen davon aus, dass die Ursache der systemischen Sklerodermie in einer Beschleunigung des Kollagenstoffwechsels begründet liegt. Bei betroffenen Patienten zeigt sich nämlich häufig eine Vermehrung von dünnen, aber ansonsten völlig normalen Kollagenfasern. Die Therapie sollte dementsprechend dazu beitragen, diesen vermehrten Kollagenstoffwechsel zu senken. Darüber hinaus sollte sie entzündungshemmend und durchblutungsfördernd wirken. Als physikalische Maßnahmen werden Wärmeanwendungen, Massagen und Elektrotherapie eingesetzt. Auch Akupunktur kann Linderung bringen. Zur Steigerung der Beweglichkeit wird Krankengymnastik empfohlen.

Wohltuend und wirkungsvoll: Bewegung und Massage

Und genau hier stoßen wir auf ein Thema von zentraler Bedeutung: Der uralte Satz ”Wer rastet, der rostet” gilt auch für das Bindegewebe. Hält man es in Bewegung, wird es flüssiger; ruht es, verfestigt es sich. Mechanische Bewegung und Reibung durch muskulöse Tätigkeit liefern die Energie und Wärme, welche die Elastizität des Bindegewebes bewahrt und dem Körper dadurch einen effizienten Stoffwechsel ermöglicht. Es gibt sogar eine spezielle Therapieform, die auf eine Aktivierung des Bindegewebes zielt. Gemeint ist die 1929 von der deutschen Krankengymnastin Elisabeth Dicke entwickelte Bindegewebsmassage, die sich bestimmte Fernwirkungen unserer Rückennerven zunutze macht: Die einzelnen Segmente der Wirbelsäule sind über Nervenstränge mit bestimmten Organen verbunden. Diese Organe werden nun, indem die Haut des entsprechenden Wirbelsäulenabschnitts massiert wird, positiv beeinflusst.

aus ORTHOpress 03|2002

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