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Sportmedizin

Sport nach dem Gelenkersatz

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Wer ein künstliches Gelenk bekommt, hat meist Jahre der Schmerzen und Einschränkungen hinter sich. An Sport ist oft gar nicht zu denken und auch der Alltag lässt sich meist nur mühsam bestreiten. Dennoch ist Sport ein entscheidendes Thema für Menschen, bei denen ein Gelenkaustausch ansteht. Der Austausch des Gelenkes lässt die Problematik nicht einfach so verschwinden – doch Patienten können selbst viel tun, um die Einheilung der Endoprothese in den Knochen zu unterstützen und lange aktiv bleiben zu können. Dr. med. Ahmet Ercan ist Chefarzt für Endoprothetik Hüfte & Knie an der ATOS Orthoparc Klinik in Köln und Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie. Er weiß, wie wichtig Sport für Menschen mit Gelenkersatz ist und auch welche Einschränkungen es gibt.

Herr Dr. Ercan, Sie sind Spezialist für Primär- und Wechselendoprothetik: Warum muss ein Gelenk manchmal ausgetauscht werden?

Dr. Ercan: Grundsätzlich gibt es drei mögliche Gründe für einen Gelenkaustausch, also den Ersatz einer bereits künstlichen Endoprothese durch eine neue: Wenn das Gelenk sich gelockert hat, wenn eine Infektion besteht oder  wenn eine endoprothetische Fraktur, also ein Knochenbruch, vorliegt.

Was ist der Unterschied zwischen natürlichem und künstlichem Gelenk?

Dr. Ercan: In der Belastung und Funktionsweise sind das natürliche und das künstliche Gelenk eigentlich identisch. Beim künstlichen Gelenk machen sich viele Menschen nur mehr Gedanken um die Belastung, weil es künstlich ist. Vor 20 Jahren war das primäre Ziel beim Einsatz einer Endoprothese an Knie oder Hüfte „schmerzarme Mobilität“, um den Menschen wenigstens etwas an Lebensqualität zurückzugeben. Heute ist neben Schmerzfreiheit die volle Beweglichkeit im Alltag und meist auch die Wiederaufnahme des Sportes das Ziel der Operation. Gerade jüngere Patienten sind froh, wenn sie sich nach dem Eingriff bewegen können – und zwar schmerzfrei.

Welche Sportarten sind mit einer Endoprothese möglich?

Dr. Ercan: Grundsätzlich unterscheiden wir in „Low Impact“- und „High Impact“-Sportarten, also geringe Belastung und hohe Belastung. Zum Low Impact gehören zum Beispiel Walken, Training auf dem Ergometer, Bergwandern, Tanzen, Rudern, Ski-Langlauf und Krafttraining. Zu den High-Impact-Sportarten zählen vor allem solche, bei denen abrupte Bewegungen, mögliche Stürze oder nicht vorhersehbare Bewegungen ins Spiel kommen, zum Beispiel Tennis, Ski Alpin und Mannschaftssportarten wie Fußball oder Basketball. Entscheidend ist oft die Erfahrung des Sportlers. Wenn ein Patient einen guten muskulären Status und Erfahrung hat, dann kann er „seiner“ High-Impact-Sportart auch weiterhin nachgehen. Wir verbieten das nicht, sondern klären eher über das Risiko auf. Es ist faszinierend, was Sportler in wenigen Monaten erreichen können. Ich hatte vor Kurzem einen sehr sportlichen Patienten, der viereinhalb Monate nach dem Eingriff schon wieder auf dem Snowboard stand. Das ist allerdings nicht der Standard, sondern es sind wirklich alles Individualfälle. Nach dem Eingriff mit einer neuen High-Impact-Sportart wie z. B. Wettkampf-Karate anzufangen ist allerdings nicht empfehlenswert.

Wann sollte man mit dem Sport beginnen? Vor oder nach dem Gelenkaustausch?

Dr. Ercan: In den letzten Jahren ist die Prä-Habilitation, kurz Präha, in den Vordergrund gerückt. Nach dem Motto „Better in – better out“ („Besser rein – besser raus“) versucht man, die Muskulatur schon vor dem Eingriff zu kräftigen; auch hier ist High Impact für Sportanfänger nicht ratsam. Low Impact hingegen ist sehr gut geeignet. Aktuelle Studien belegen, dass Low-Impact-Sportarten, also Walken, Wandern, Tanzen, Schwimmen und so weiter, sogar günstig auf die Prothese einwirken und die Integration und Einheilung in den Knochen verbessern. Es gibt auch Studien zu High-Impact-Sportarten, hier konnte keine bessere Einheilung nachgewiesen werden – allerdings auch keine stärkere Lockerung. Hiervor haben ja viele Menschen Angst. Prinzipiell sind die Low-Impact-Sport-arten vor und nach dem Gelenkersatz förderlich.

Wie lange hält ein Knie- oder Hüftgelenksersatz im Schnitt?

Dr. Ercan: Da gibt es Unterschiede: Beim Knie rechnet man mit 20 bis 25 Jahren, bei der Hüfte ist es etwas geringer. Allerdings sollte man bedenken, dass die Haltbarkeit vom Alter abhängt. Je jünger der Patient beim Austausch ist, desto geringer ist die Haltbarkeit, da normalerweise eine weitaus aktivere Nutzung stattfindet. Man kann sich das vorstellen wie die Laufleistung beim Auto: Je mehr es genutzt wird, desto eher gibt es Verschleißerscheinungen. Im Falle der Endoprothese wäre das der Abrieb im Gelenk, der eine Lockerung zur Folge hat. Dennoch kann man bei der Primärendoprothese, also dem ersten künstlichen Gelenk, von 20 Jahren ausgehen, wenn sie gut integriert ist. Faktoren wie Sport und Ernährung spielen ebenfalls eine Rolle. Low-Impact-Sportarten sind gut für den Kreislauf und helfen gegen Übergewicht, das ja eine zusätzliche Belastung für die Prothese und den gesamten Körper darstellt. Daher ist der Sport wichtig.

Ab wann kann man wieder mit dem Sport anfangen, ohne einen baldigen Wechsel befürchten zu müssen?

Dr. Ercan: Da unterscheiden wir zwischen der Primärprothese und einem zum zweiten oder dritten Mal ausgetauschten künstlichen Gelenk. Bei der ersten Prothese machen wir keine Verbote, wenn das Gelenk allerdings bereits zum zweiten Mal gewechselt wurde, müssen wir von risikoreichen Sportarten abraten. Low-Impact-Sportarten wie Wandern und Co. gehen, aber man sollte vorsichtiger sein und den Sport auch nicht zu früh nach der Operation wieder aufnehmen. Normalerweise geben wir eine Belastungsfreigabe bei der Kontrolluntersuchung nach drei Monaten. Leichte Bewegungen wie zum Beispiel Fahrradfahren sind meist schon ab sechs Wochen möglich, da eher der Auf- und Abstieg der die Gelenke belastende Faktor ist. Grundsätzlich sollte man mit Low Impact anfangen und die Belastung langsam steigern. Eine Maximalzahl für den Austausch von Gelenken gibt es zwar nicht, aber je öfter gewechselt wird, desto geringer werden die Belastbarkeit und das Bewegungsmaß. Bei Wechselprothesen freut uns meist schon eine Haltbarkeit von 10 Jahren. Auf der anderen Seite sinkt mit dem steigenden Alter meist der Anspruch des Patienten. Bei einem Ersteingriff mit 60 Jahren zum Beispiel könnte mit 80 bis 85 Jahren ein Wechsel anstehen. Bis dahin sind die Lebensumstände und Ansprüche meist ganz andere.

Herr Dr. Ercan, vielen Dank für das interessante Gespräch!

ATOS Orthoparc Klinik GmbH

Aachener Straße 1021B
50858 Köln

Tel.: 0221 / 48 49 05 - 0
service-opk@atos.de
www.atos-kliniken.com

Dr. med. Ahmet Ercan