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Sportmedizin

Schnellere Sport-Rehabilitation nach Kreuzbandverletzung durch neue Fixationstechnik

„Aus für Nationalspieler nach schwerer Knieverletzung“ – kaum eine WM-Saison vergeht, ohne dass eine Meldung wie diese Fußballfans in aller Welt um „ihre“ Chancen bangen lässt. Woran liegt es, dass das Knie so oft in Mitleidenschaft gezogen wird?

Isolated woman touching right knee joint, OA knee joint concept

Die vordere Kreuzbandplastik mit Semitendinosussehne

Orthopäden wissen: Eine Knieverdrehung (Kniedistorsion), meist bei feststehendem Fuß und weiterdrehendem Körper, ist die häufigste Ursache für die Verletzung des vorderen Kreuzbandes. Und diese tritt deshalb gerade bei den für das Kniegelenk insgesamt belastenden Ball- sowie Kontaktsportarten auf. 33 Prozent aller Verletzungen im Fußball allein betreffen das Knie, ein Viertel dieser Traumata führt zu einer Schädigung des vorderen Kreuzbandes.

Das vordere Kreuzband ist der zentrale Stützpfeiler des Kniegelenks. Ohne ihn ist das Kniegelenk in Streckstellung nicht ausreichend stabil, so dass Drehbewegungen zum unwillkürlichen Abknicken des Unterschenkels führen können. Beide Kreuzbänder (man unterscheidet vorderes und hinteres Kreuzband) übernehmen, unterstützt durch die Seitenbänder, die mechanische Stabilisierung des Kniegelenkes in der Vor- und Zurückbewegung und vermitteln durch ihre Schrägführung und Verdrillung bei Rotation eine Drehstabilität. Zwar  ist – bei fehlendem vorderen Kreuzband – eine muskuläre Stabilisierung in Alltagssituationen möglich, doch ohne Kreuzband ist das Knie nicht sportfähig, was insbesondere die Stopp-and-Go-Sportarten angeht. Ob eine operative Versorgung erforderlich ist oder ob eine rein konservative Nachbehandlung ausreichend ist, hängt vom Einzelfall ab: vom Verletzungsumfang, den persönlichen Lebensumständen des Patienten und vor allen Dingen dem angestrebten Aktivitätsniveau. Das Alter des Patienten spielt nur eine untergeordnete Rolle.

Häufig ist das Knieverdrehtrauma mit Riss (Ruptur) des vorderen Kreuzbandes, ein für den Patienten schmerzhaftes Ereignis, begleitet von Kapsel-Bandverletzungen und Meniskuseinrissen. Oft kommt es zu Einblutungen ins Knie (Hämarthrose). Nach Abklingen der akuten Verletzungsfolgen, im sog. beschwerdearmen Intervall, nehmen die meisten Patienten ihre gewohnten Aktivitäten wieder auf. Trotz aller subjektiven Beschwerdefreiheit finden kleine, fehlerhafte Dreh-Gleit-Bewegungen im Knie statt, welche die Meniskus- und Knorpelsubstanz stark belasten (Mikroinstabilität). Daraus kann sich dann, vor allem bei sportlich aktiven Patienten, in der Folge eine sog. Makroinstabilität entwickeln, mit Auslockerungen des Kapsel-Band-Apparates und auch Meniskus- oder Knorpelschäden – und in letzter Konsequenz eine Arthrose des Kniegelenks.

Nach Ansicht der Hamburger Spezialisten für Arthroskopische Chirurgie, Endoprothetik und Sporttraumatologie Dr. med. Kai-Uwe Jensen, Dr. med. Karina Jensen und Drs. Genio Bongaerts werde der richtige Zeitpunkt für eine Kreuzbandrekonstruktion noch zu häufig verpasst: Weil so mancher Sportler im vermeintlich „problemarmen Intervall“ meine, auch ohne Kreuzband zurechtzukommen. In dieser Phase aber kann sich auf Grund des genannten schrittweisen Verschleißes der Kniebinnenstrukturen die sog. Instabilitätsgonarthrose entwickeln. Wenn der Sportler dann – je nach Belastung nach 3 bis 10 Jahren – zum Arzt komme, sei es in vielen Fällen zu spät. Das Knie kann dann trotz eines Kreuzbandersatzes für die Sportfähigkeit nicht mehr ausreichend wiederhergestellt werden. Je nach angestrebtem Aktivitätsniveau sollte daher eine Kreuzbandrekonstruktion rechtzeitig erfolgen.

Die drei Orthopäden der Gemeinschaftspraxis in Hamburg wenden eine spezielle, durch umfangreiche Nachuntersuchungsstudien kontrollierte Technik zur Kreuzbandrekonstruktion an, die in hohem Maße ein (wieder) stabiles Kniegelenk gewährleisten und damit instabilitätsbedingte, irreversible Verschleißschäden für das betroffene Kniegelenk und den Patienten verhindern kann. Für die Versorgung ihrer Patienten haben die Operateure spezielle operative Einrichtungen an vier orthopädischen Fachkliniken geschaffen, nämlich der Park-Klinik Manhagen, der Klinik Fleetinsel Hamburg, der Praxis-Klinik Bergedorf  und dem Asklepios Klinikum in Bad Oldesloe.

Für die Kreuzbandoperation stehen – theoretisch – verschiedene Methoden zur Wahl. Die einfache Naht des zerrissenen Kreuzbandes oder die Implantation von Kunststoff-Kreuzbändern hat sich nicht bewährt. Für den Kreuzbandersatz kommen heute körpereigene Implantate – in erster Linie die Semitendinosussehne und die Patellarsehne – in Betracht, die in gleicher Weise die Stabilität des Kniegelenkes wiederherstellen können. Das Patellarsehnen-Implantat wird aus der Mitte der Kniescheibensehne mit zwei anhängenden Knochenblöcken herausgeschnitten. Die Knochenblöcke lassen sich im Kniegelenk gut verankern und begünstigen eine rasche Einheilung. Die Sehne selbst ist kräftig und lässt sich ohne großen technischen Aufwand im Rahmen einer offenen oder arthroskopisch assistierten Operation implantieren, weshalb dieses Implantat seit vielen Jahren bei Operateuren beliebt ist. Durch die Entnahme des Implantates aus der Kniescheibensehne kann es allerdings zu Muskelschwäche und anhaltenden Schmerzen im vorderen Kniebereich kommen.

Deshalb hat das sog. Semitendinosussehnen-Implantat an Popularität gewonnen, wie Dr. Bongaerts ausführt: „ Die Sehne entstammt dem Oberschenkel und ist für die Knieführung entbehrlich, denn sie hat zahlreiche ähnlich wirkende, parallel verlaufende Begleitmuskeln und kann sogar nachwachsen. Die Sehne lässt sich über einen nur ca. 2 cm langen Schnitt, ohne zusätzliches Trauma oder Funktionsverlust für das Kniegelenk, gewinnen. Der Streckapparat wird geschont. Die Implantation kann minimalinvasiv in arthroskopischer Technik ohne großen Schnitt erfolgen und erfordert lediglich einen stationären Aufenthalt von zwei oder drei Tagen. Die Sehne ist – vierfach gelegt – das kräftigste verfügbare körpereigene Implantat mit einer Reißkraft von über 4000 N und übertrifft damit deutlich die Reißfestigkeit des Originalkreuzbandes (ca. 2000 N). Die vier Sehnenschenkel können die fächerförmige Anatomie des Original Kreuzbandes besonders gut imitieren und gewährleisten dadurch eine optimale Stabilität über den gesamten Bewegungsumfang des Kniegelenkes. Das Implantat kann bei Kindern und Jugendlichen mit noch offenen Wachstumsfugen verwendet werden. Auch empfinden die Patienten das kosmetische Ergebnis (nur 2 cm Hautschnitt) als zufriedenstellend.

Von Nachteil ist allerdings, dass die Präparation der Sehne aufwändiger ist und meist ein parallel arbeitendes zweites OP–Team erfordert.  Da der Sehne Knochenblöcke fehlen, muss die Verankerung  im Kniegelenk sehr sorgfältig erfolgen, um eine gute Einheilung zu gewährleisten. Wir persönlich bevorzugen  die Semitendinosussehne und verwenden sie bereits seit 1985. Zur Zeit versorgen wir ca. 300 Patienten pro Jahr mit diesem Implantat. Die Patellarsehne dient uns als bewährtes „Reserveverfahren.“

Eine neue Fixationstechnik macht die Semitendinosussehne für den Kreuzbandersatz noch interessanter: Die Implantation des neuen Kreuzbandes  erfolgt zunächst wie üblich über arthroskopisch überwachte und mit einem Zielgerät ausgelotete, passgenaue Bohrungen. Die Fixation des Sehnen-Implantates erfolgt dann mit resorbierbaren Stiften. Die sog. RigidFix-Stifte verlaufen quer durch das Implantat im Knochen und haben daher eine sehr hohe Ausrissfestigkeit. „Hiermit kann das ‚neue’ Kreuzband besonders gelenknah am anatomischen Ansatzpunkt des ursprünglich vorhandenen Kreuzbandes befestigt werden“, erläutert Dr. Jensen. „Zudem wird mit der RigidFixation das Implantat selbst fest mit dem Knochen verbunden. Das Resultat ist eine direkte Sehnen-Knochen-Heilung. Diese Lösung ist anatomisch gesehen wesentlich eleganter und auch erheblich stabiler als die bindegewebige Einheilung, die man mit Buttons und Fäden erreichen kann.“  Die Stifte sind aus resorbierbarem Material und können sich nach der Einheilung des Implantates auflösen. Im Röntgenbild ist kein Fremdkörper mehr sichtbar, eine weitere MRT- Diagnostik wird nicht behindert. Im Gegensatz zu (resorbierbaren) Fixations-Schrauben haben die RigidFix-Stifte den Vorteil, dass sie nicht parallel zum Implantat im Knochenkanal verlaufen und dort die Einheilung stören.

Hinzu kommt ein weiterer, wohl entscheidender Vorteil der RigidFixation: Durch den direkten Knochenkontakt und die stabilere gelenknahe Fixierung ist das Implantat gegenüber herkömmlichen Operationsmethoden wesentlich früher belastungsfähig. Bereits nach 8-10 Wochen kann von einer knöchernen Einheilung ausgegangen werden und mit einer sportartspezifischen Rehabilitation (Fußball, Handball etc.) begonnen werden, gegenüber sonst fast einem Jahr der Schonung. Dr. Jensen: „Dies spart wichtige Zeit, denn man muss sich vorstellen, dass bei einer langen Phase mit reduzierter Belastung ein Muskel- und Schnellkraftverlust eintritt, der erst durch mühsames Training wieder ausgeglichen werden kann. Bei Profisportlern, deren aktive Zeit sich ja oft nur in einem Zeitraum von einigen wenigen Jahren abspielt, kann die Dauer der Rehabilitationsphase mitunter über die sportliche – und damit wirtschaftliche – Lebensleistung entscheiden.“

Auf Grund ihrer Erfahrung mit weit über 2000 Kreuzbandrekonstruktionen mit der Semitendinosussehne empfehlen die Hamburger Kreuzbandexperten folgendes Vorgehen: Nach einer Kreuzbandverletzung sollte zunächst mit einer operativen Versorgung 2–8 Wochen gewartet werden, um das Knie zur Ruhe kommen zu lassen. In dieser Zeit ist eine Arthroskopie nur in Ausnahmefällen erforderlich. Statt dessen erfolgt eine symptomorientierte konservative Behandlung, d.h. ausreichende medikamentöse Schmerztherapie, Kühlung, kurzfristige Ruhigstellung, evtl. Thromboseprophylaxe und Punktion eines blutigen Gelenkergusses. Frühzeitig erfolgt eine physiotherapeutische Betreuung, deren therapeutisches Ziel die Abschwellung des Kniegelenkes und die Wiedererlangung der freien Kniebeweglichkeit und Belastbarkeit ist, damit die Kreuzbandoperation an einem reizfreien Kniegelenk erfolgen kann. Durch die geringe operationsbedingte Verletzung des Patienten und die neue Fixationstechnik ist eine zügige Rehabilitation möglich. So darf das Bein sofort nach der Operation (teil–)belastet werden. Je nach Operationsbefund wird evtl. eine Gelenkschiene (Orthese) und/oder aktive Bewegungsschiene angepasst. Das Kniegelenk wird durch Krankengymnastik mobilisiert, anfangs mit äußerster Umsicht, um die Einheilungsphase nicht zu gefährden, und anschließend – etwa ab der 8. Woche – zur intensiveren muskulären Rehabilitation im Rahmen der Erweiterten Ambulanten Physiotherapie (EAP) behandelt. Die Belastung des Kniegelenkes kann dann schrittweise in Abhängigkeit von den koordinativen Fähigkeiten des Patienten gesteigert werden bis die volle Sportfähigkeit wieder erreicht ist. Vorsicht ist vor allem in der ersten postoperativen Phase geboten, weil die Patienten bereits nach kurzer Zeit subjektiv ein gutes Stabilitätsgefühl und nur noch wenig Beschwerden haben. Um den Einheilungsprozess nicht zu stören, sollte der Patient sein Knie nur dosiert belasten und ihm für 4 Wochen Ruhe gönnen. Die bei problemlosem postoperativen Verlauf zu erwartende Arbeitsunfähigkeit ist abhängig von der jeweiligen beruflichen Belastung, sie beträgt – z.B. bei Bürotätigkeit – ca. 4 Wochen.

Die von den Operateuren durchgeführten Nachuntersuchungen und andere wissenschaftliche Studien zur Versorgung mit der Semitendinosussehne weisen ein sehr gutes Gesamtergebnis auf. Die besten Resultate allerdings wurden bei Patienten erzielt, deren Trauma innerhalb der ersten 4 Monate operativ versorgt wurde. Fazit von Dr. Jensen: „Insbesondere bei ausgeprägter Instabilität und/oder hohem Aktivitätsanspruch sollte der vordere Kreuzbandersatz rechtzeitig erfolgen.“

aus ORTHOpress 03|2002

Alle Beiträge dienen lediglich der Information und ersetzen keinesfalls die Inanspruchnahme eines Arztes*in. Falls nicht anders angegeben, spiegeln sie den Stand zur Zeit der Erstveröffentlichung wider. Die aktuelle Einschätzung des Sachverhalts kann durch Erfahrungszuwachs, allgemeinen Fortschritt und zwischenzeitlich gewonnene Erkenntnisse abweichen.

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