Schonende Hüft-OP – Keine Gewebsverletzungen – kaum Blutverlust
Die Hüftendoprothetik ist in Deutschland eine echte Erfolgsgeschichte. Doch viele Patienten erholen sich von dem großen Eingriff nur langsam und brauchen lange, bis sie wieder fit sind. Mit der minimalinvasiven AMIS-Methode gehört das jetzt der Vergangenheit an, erläutert Dr. Marco Sträter, AMIS-Referenzarzt und Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie am St. Vincenz-Hospital in Datteln. Durch das Ausnutzen der natürlichen Gleitschichten kann viel schonender operiert werden als zuvor, sodass die Patienten schneller wieder auf den Beinen sind.
Herr Dr. Sträter, viele Patienten haben auch trotz neuer Hüfte anhaltende Beschwerden. Was ist der Grund dafür?
Dr. Sträter: Beim herkömmlichen, seit Jahrzehnten durchgeführten Standardeingriff wird viel Gewebe verletzt. Bei dem Zugang von hinten muss man durch den großen Gesäßmuskel gehen und kleinere für die Drehung des Oberschenkels wichtige Muskeln durchtrennen. Geht man von der Seite hinein, wird eine große Sehnenplatte durchtrennt und der kleinere Gesäßmuskel mit einem Haken gequetscht, sodass dieser gerne dabei einreißt. Nicht alle Patienten erholen sich schnell davon. Das größte Problem ist der Kraft- und Koordinationsverlust. Vielfach kommt es zum typischen Watschelgang, dem sogenannten Trendelenburg-Hinken.
Kleinere Operationszugänge zum Hüftgelenk gibt es jedoch schon seit 18 Jahren. Warum hat sich keines dieser Verfahren durchgesetzt?
Dr. Sträter: Einige der von seitlich vorn ansetzenden Zugänge kommen zwar oberflächlich mit einem relativ kleinen Schnitt aus, verletzen aber dennoch in der Tiefe wichtige Gewebsstrukturen wie Muskeln, Sehnen und Nerven, sodass der spätere Gewinn rein kosmetischer Natur ist, weil der Patient später nur eine relativ kleine Narbe zurückbehält. Andere Verfahren wiederum benötigen mehrere Schnitte, das heißt mehr als einen Zugang, was den Eingriff sehr komplex und langwierig macht. Mit dem AMIS-Verfahren steht eine Methode zur Verfügung, die sich für fast alle Patienten eignet.
Wie funktioniert die AMIS-Technik in der Praxis?
Dr. Sträter: Wir nutzen hierbei die von der Natur vorgegebenen Gleitschichten und können mit dem Finger schonend bis zur Hüftgelenkskapsel vordringen, ohne Nerven, Muskeln oder Sehnen zu verletzen. Der OP-Zugang erfolgt bei der AMIS-Methode von vorn. Auch hier ist der notwendige Hautschnitt nur etwa 8-10 cm lang. Die wichtigen Strukturen werden dabei nicht durchtrennt, sondern lediglich mit OP-Haken zur Seite gehalten. Die AMIS-Technik lässt dabei eine sehr gute Sicht auf die Hüftpfanne und den Hüftkopf zu. Nach dem Einbringen der Prothese schließen sich die zur Seite gehaltenen Muskeln wieder wie ein Vorhang, sodass nur der Hautschnitt vernäht werden muss.
Aber wie groß ist der Gewinn für den Patienten wirklich?
Dr. Sträter: Dadurch, dass kaum Gewebe verletzt wird, kommt es zu einem deutlich geringeren Blutverlust: Im Schnitt verlieren die Patienten nur etwa 0,3 l Blut, sodass die früher übliche Ei- genblutspende vor der Operation nicht mehr notwendig ist. Die AMIS-Methode wird daher auch von Religionsgemeinschaften wie den Zeugen Jehovas stark nachgefragt, die eine Bluttransfusion ablehnen. Auch bei älteren Patienten ist dies ein großer Vorteil. Darüber hin- KEINE BLUTTRANSFUSION NÖTIG! Früher wurden schon im Vorfeld einer Hüft-OP eine oder auch mehrere Eigenblutspenden vorgenommen, um für alle Fälle gewappnet zu sein. Bei der AMIS-Methode ist das nicht mehr nötig, wie Dr. Sträter erläutert: „Durch die kleinen Schnitte gehen nur noch ca. 0,3 l Blut verloren, also maximal etwa ein Colaglas voll. Das Verfahren ist aus diesem Grund auch für Menschen geeignet, die aus persönlichen oder auch religiösen Gründen keine Transfusion bekommen möchten.“ aus ist die Gefahr des Ausrenkens der Hüfte viel geringer als beim Zugang von hinten. Motorische Nerven werden kaum in Mitleidenschaft gezogen, was sonst bei bis zu einem Drittel aller Hüftoperationen passiert. Manchmal erholen sich diese Nerven nicht mehr vollständig, was bei einem Teil der Muskulatur zur sogenannten „fettigen Degeneration“ führt, womit diese ihre Funktion verliert.
Wie schnell sind die Patienten nach einer AMIS-Operation wieder fit?
Dr. Sträter: Der größte Unterschied zwischen der AMIS-Methode und herkömmlichen OP-Verfahren besteht in der schnelleren Rehabilitation. Die Patienten stehen wenige Stunden nach der OP zum ersten Mal auf und können sich mit Gehstützen bewegen. Diese werden aber eigentlich nur zur Sicherheit benötigt, da es ja zu keinem Kraftverlust im operierten Bein kommt. Nach zwei Tagen laufen die Patien- ten wieder selbstständig ohne Begleitung; nach drei Wochen ist mit Einschränkungen wieder eine sportliche Betätigung möglich. Der Unterschied im Gangbild ist frappierend: Wenn ich die Patienten nach wenigen Wochen zur Nachuntersuchung sehe, kann ich selbst nicht immer sagen, welche Seite ich operiert habe.
Eine Besonderheit ist die Möglichkeit, beide Hüftgelenke in einer OP-Sitzung zu tauschen. Ist dies empfehlenswert?
Dr. Sträter: Bei der AMIS-Methode haben wir die Möglichkeit, in einem einzigen etwas längeren Eingriff beide Hüften zu operieren. Untersuchungen haben bereits gezeigt, dass die Risiken gegenüber einer einseitigen OP nur minimal erhöht sind und in jedem Fall geringer als bei einem zweiten Eingriff mit erneuter Narkose. Allerdings operieren wir natürlich in keinem Fall „auf Verdacht“ zusätzlich die andere Seite, sondern nur dann, wenn der zweite Eingriff ebenfalls bereits notwendig oder geplant ist.
St. Vincenz-Krankenhaus
Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie
Dr. med. Marco Sträter
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