Inhaltsverzeichnis
- Dynamische Systeme bieten Flexibilität und Sicherheit
- Herr Dr. Christopoulos, wann werden Wirbelsäulensegmente typischerweise versteift?
- Was versteht man darunter?
- Wie wird eine Wirbelsäulenversteifung durchgeführt?
- Der Eingriff hat jedoch auch Nachteile. Worin liegen diese?
- Sie setzen daher seit einiger Zeit mit sehr gutem Erfolg auf die dynamische Stabilisierung mit dem DIPLOMAT® Dynamic / B-Dyn. Wie funktioniert das?
- Für welche Patienten kommt ein solcher Eingriff infrage?
Dynamische Systeme bieten Flexibilität und Sicherheit
Die Wirbelsäulenversteifung gilt auch heute noch als ultima ratio bei schweren Verschleißerscheinungen der Wirbel mit Einengungen der Nervenwurzeln oder der Gefahr von Nervenreizungen. Eine Alternative ist die dynamische Stabilisierung mit dem DIPLOMAT® Dynamic / B-Dyn-System, die einen teilweisen Erhalt der natürlichen Beweglichkeit erlaubt. Wann diese zur Anwendung gelangen kann und wo die Vorteile liegen, erläutert Dr. Charilaos Christopoulos, Chefarzt Wirbelsäulenchirurgie der ATOS Orthoparc Klinik in Köln.
Herr Dr. Christopoulos, wann werden Wirbelsäulensegmente typischerweise versteift?
Dr. Christopoulos: Es gibt mehrere Indikationen für eine Versteifungsoperation. Den meisten gemeinsam sind Schmerzen an der Wirbelsäule, die sich durch ausgiebige konservative Therapien nicht mehr in den Griff bekommen lassen. Die Ursache kann eine schwere Degeneration der Bandscheibe sein. Wird dieser natürliche Puffer immer kleiner, so führt das zu einer Höhenminderung der Wirbeletage. Gleichzeitig kommt es zu einer Verdickung der Bänder und der Gelenke, sodass es zu einer Kompression der dort austretenden Nervenwurzeln kommt. Aber auch andere Ursachen können zu einer sogenannten Claudicatio-spinalis-Symptomatik führen.
Was versteht man darunter?
Dr. Christopoulos: Das Claudicatio-spinalis-Syndrom ist der Begriff für eine durch eine seitliche oder zentrale Wirbelkanalverengung hervorgerufene Irritation der Nerven. Sie äußert sich durch Schmerzen und Gehbeschwerden und betrifft vor allem ältere Menschen. Ihre Hauptmerkmale sind belastungsabhängige Schmerzen und ein Schwächegefühl oder Missempfindungen in den Beinen beim Gehen oder Stehen, welche sich beim Sitzen oder Vorbeugen des Oberkörpers oft bessern. Die zugrundeliegende Verengung des Wirbelsäulenkanals kann durch verschiedene Faktoren wie degenerative Veränderungen, Bandscheibenvorfälle oder Knochenanbauten verursacht werden. Obwohl die Symptome teilweise ähnlich sind, darf man sie aber nicht mit der als „Schaufensterkrankheit“ bezeichneten peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK), also Durchblutungsstörungen in den Beinen, verwechseln.
Wie wird eine Wirbelsäulenversteifung durchgeführt?
Dr. Christopoulos: Bei einer Wirbelsäulenversteifung wird üblicherweise nach Dekompression des Spinalkanals das Bandscheibenfach ausgeräumt, das heißt, die verschlissene und weitgehend funktionslos gewordene Bandscheibe wird komplett entfernt. Die Höhe wird dann durch Einsatz eines Platzhalters – meist ein Titankäfig (sog. „Cage“) wiederhergestellt. Die Wirbel werden in der anatomisch korrekten Position durch ein Schrauben-Stab-System fest miteinander verbunden. Während des Eingriffs wird der Cage mit Knochenspänen verfüllt; er durchwächst mit der Zeit vollständig, sodass nach einigen Monaten die Wirbel auch auf natürliche Weise miteinander verbunden sind.
Der Eingriff hat jedoch auch Nachteile. Worin liegen diese?
Dr. Christopoulos: Zum einen kommt es natürlich – je nachdem, wie viele Segmente betroffen sind – zu einer spürbaren Bewegungseinschränkung. Diese wird jedoch meist gut toleriert, da die Schmerzlinderung durch den Eingriff diesen Nachteil aufwiegt. Ein größeres Problem ist die sogenannte Anschlussdegeneration, engl. „adjacent segment disease“: Durch die Versteifung kommt es zu einer höheren Belastung der benachbarten Wirbeletagen, und zwar nicht nur, weil diese die fehlende Beweglichkeit auffangen müssen – das versteifte Segment verhält sich quasi wie ein Hebel, welcher zusätzlich auf die Bandscheiben angrenzender Segmente einwirkt. Sie neigen deshalb zu einem deutlich höheren Verschleiß.
Sie setzen daher seit einiger Zeit mit sehr gutem Erfolg auf die dynamische Stabilisierung mit dem DIPLOMAT® Dynamic / B-Dyn. Wie funktioniert das?
Dr. Christopoulos: Bei der dynamischen Stabilisierung werden nach der Dekompression des Spinalkanals ebenfalls Pedikelschrauben eingesetzt – also solche, die im Wirbelfuß verankert werden. Sie werden aber nicht starr miteinander verbunden, sondern mit einem polyaxialen beweglichen Stab. Dieser besteht im Prinzip aus zwei Titanstäben, die in der Mitte durch einen sogenannten „Motion Control“-Ring und einen Silikondämpfer miteinander verbunden sind. Dieses System erlaubt dem Wirbelsegment innerhalb eines bestimmten Rahmens eine kontrollierte Bewegung nach vorn und nach hinten, verhindert aber die schmerzhafte Rotation im betroffenen Bereich. Die Patienten sind nach dem Eingriff im besten Fall schmerzfrei und können auch längere Spaziergänge meist beschwerdefrei absolvieren. Gleichzeitig wird die Belastung der benachbarten Wirbeletagen geringer gehalten, was das Risiko einer Anschlussdegeneration vermindert. Außerdem muss nicht zusätzlich die Bandscheibe entfernt werden, um einen Cage einzusetzen – die OP ist daher deutlich weniger belastend und auch mit einem geringeren Risiko verbunden. Die Vorteile der dynamischen Stabilisierung sind dabei mittlerweile in vielen Studien untersucht worden und gut belegt.
Für welche Patienten kommt ein solcher Eingriff infrage?
Dr. Christopoulos: Die Methode ist unabhängig vom Alter besonders geeignet für Patienten mit noch weitgehend intakter Bandscheibe, aber deutlicher Spinalenge. Auch eine Facettengelenksarthrose mit teilweiser Entstehung von Facettengelenkszysten ist eine Indikation für das Verfahren. Selbst bei einer milden Gleitwirbelproblematik kann eine dynamische Stabilisierung sehr gute Erfolge bringen. Bei Bedarf ist es oft auch möglich, statt einer langstreckigen Versteifung eine Kombination aus Versteifung und dynamischer Stabilisierung vorzunehmen, um die benachbarten Wirbeletagen soweit wie möglich zu schonen. Liegt allerdings ein deutliches Wirbelgleiten – also eine schwere Instabilität – vor, oder ist die Bandscheibe verschlissen und das Bandscheibenfach stark höhengemindert, so kommt eine dynamische Stabilisierung eher nicht infrage – dann ist die klassische Versteifung mit Einbringen eines Cage erfolgversprechender. Wichtig ist in jedem Fall, komprimierte Nervenwurzeln zu entlasten und nervschädigende Bewegungen zu verhindern, sodass optimaler Raum und Schutz für Rückenmark und Nervenwurzeln gewährleistet sind.
Herr Dr. Christopoulos, haben Sie herzlichen Dank für Ihre Ausführungen!
Kontaktinformationen
Dr. med. Charilaos Christopoulos
Chefarzt Wirbelsäulenchirurgie
ATOS Orthoparc Klinik GmbH
Aachener Straße 1021B
50858 Köln
Tel.: 0221 / 48 49 05 – 0
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