Jährlich erleiden weltweit ca. 6 Mio. Patienten Knorpelschäden im Kniegelenk. Alleine in Deutschland werden jedes Jahr 30.000 Menschen am Knorpel behandelt. Unfälle und Verdrehungen des Kniegelenkes sind eine mögliche Ursache dieser Schäden. Eine Schädigung der Gelenkoberfläche hat meist schwerwiegende Folgen mit erheblicher Störung der Gelenkfunktion. Die Mobilität wird nachhaltig und dauerhaft eingeschränkt. Da Knorpelgewebe sich nicht selbst regenerieren kann, müssen unfallbedingte Knorpelschäden im Kniegelenk in aufwendigen Verfahren meist operativ therapiert werden. Eine Methode zur Therapie ist die Autologe Chondrozyten Transplantation (ACT): Entnahme, Aufzucht und Implantation körpereigener Knorpelzellen.
Autologe Chondrozyten Transplantation (ACT)
Die ACT ist heute das einzige Verfahren, das neues, belastbares Knorpelgewebe bildet. Ziel der Therapie ist es, die volle Belastbarkeit des Kniegelenks innerhalb einiger Monate für Alltagsaktivität und Sport wieder herzustellen. Daher eignet sich das Verfahren insbesondere für aktive Menschen bis ca. 50 Jahren, bei denen ein größerer Knorpelschaden vorliegt. Selbst große Knorpeldefekte (3 bis 10 cm²) lassen sich durch diese Methode vollständig auffüllen.
Bei der ACT wird dem Patienten in einem ersten Schritt (arthroskopische Operation) ein kleiner Knorpelzylinder entnommen, aus dem die Knorpelzellen im Labor, herausgelöst werden. Es folgt die Aufzucht und die Vervielfältigung der Knorpelzellen im Labor, bis die nötige Zahl erreicht ist, um den Defekt zu füllen (1 Millionen Zellen pro cm² Defektgröße). Anschließend werden die so gewonnenen Zellen in einem zweiten operativen Eingriff reimplantiert.
Bei diesem Zweiteingriff wird zunächst der defekte Knorpel entfernt. Dann wird am Schienbein ein Stück Knochenhaut entnommen und in den Knorpeldefekt eingenäht. In die entstehende Tasche werden die gezüchteten Knorpelzellen eingebracht. Diese Zellen wachsen in den ersten Stunden nach der Operation im Defekt fest. Sie vermehren sich zunächst weiter und bilden innerhalb von mehreren Wochen Knorpelgewebe aus. Im Zeitraum einiger Monate wird der Defekt komplett ausgefüllt und das neue Gewebe verhärtet sich. Am Ende des Prozesses kann der neue gewachsene Knorpel vom gesunden Knorpel kaum mehr unterschieden werden.
In der Rehabilitationsphase nach der Knorpelzellimplantation ist die aktive Mitarbeit des Patienten sehr wichtig. In den ersten acht Wochen wird dem Patienten eine Teilbelastung (20 kg) des operierten Kniegelenkes erlaubt. In dieser Zeit ist eine tägliche, mehrstündige Bewegungsbelastung des Kniegelenkes mit einer Motorbewegungsschiene ohne Gewichtsbelastung sehr wichtig. Im Anschluss daran erfolgt der Übergang zur Vollbelastung sowie leichte sportliche Belastung mit Schwimmen, Radfahren und Aqua-Jogging. Nach weiteren drei Monaten ist das Knorpelgewebe weiter verfestigt, so daß Sportarten wie leichtes Jogging und Wanderungen ca. ein halbes Jahr nach der Operation ausgeübt werden können.
Wissenschaftliche Ergebnisse
Die ACT ist eine der neuesten Therapiemethoden bei Knorpelschäden. Sie wurde erstmals 1994 von einer schwedischen Arbeitsgruppe (Dr. Peterson/ Dr. Brittberg) aus Göteborg veröffentlicht. Die in diesem Jahr veröffentlichten Langzeitergebnisse mit einer Nachuntersuchung von zwei bis zehn Jahren zeigen eine Erfolgsquote von ca. 80% guten bis sehr guten Ergebnissen. In diesen Wochen beginnt eine weltweit einzigartige prospektive randomisierte Multicenterstudie mit Artrocell unter der Leitung von Dr. Matthias Steinwachs der Orthopädischen Universitätsklinik Freiburg unter Mitwirkung von Prof. Bauer und Dr. Meiworm der Sportklinik Stuttgart. Sie vergleicht die ACT mit der Mikrofrakturierung. Hierdurch soll die Wirksamkeit der ACT bei Knorpelschäden zusätzlich nachgewiesen werden.
Ausblick
Derzeit wird eine Kostenübernahme für die Zellzüchtung von den meisten Krankenkassen abgelehnt. Dem gegenüber stehen die guten Erfolge der ACT einerseits und oft größere Nebenwirkungen und schlechtere Langzeitergebnisse der Alternativverfahren. Die ACT bietet aufgrund der hohen Belastbarkeit des entstehenden Knorpelgewebes beim behandelten Patienten langfristig gute Lebensqualität durch schmerzfreie Mobilität. Die sonst meist unweigerlich langfristig eintretende Arthrose, an deren Ende die Total-Knie-Endoprothese steht, kann vermieden werden. ARTROcell steht für ein einzigartiges Kompetenzzentrum aus Spezialisten zur Behandlung von Knorpelschäden in Freiburg. In engerer Zusammenarbeit mit der orthopädischen Abteilung der Universitätsklinik in Freiburg und Metreon Bioproducts GmbH Freiburg wurde das Verfahren zur Zellzüchtung entwickelt. In der Verantwortung der Ormed GmbH & CO KG liegen Vertrieb, Schulung, Marketing und Beratung bei der Abrechnung mit den Kostenträgern. Die enge Zusammenarbeit ermöglicht eine optimale Patientenbetreuung. Über die Kooperation mit anderen Kliniken konnte u. a. auch in der Sportklinik Stuttgart ein weiteres Therapiezentrum eingerichtet werden.
ORTHOpress 4 | 2001
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