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Rücken

Ganzheitliche Therapiekonzepte

Dreidimensionale Behandlung bei Rückenschmerz

Die Behandlung von Rückenschmerzen, trotz zahlreicher Fortschritte im Bereich der Medizin nach wie vor Volkskrankheit Nummer 1, zählt zu den schwierigsten Aufgaben der Orthopädie überhaupt. Zum einen können sich die Beschwerden hier gewissermaßen verselbstständigen, d.h. chronisch werden und also nicht mehr so ohne Weiteres auf eine eindeutige Erkrankungs- bzw. Schmerzursache zurückgeführt werden. Zum anderen werden die tatsächlichen Ursachen als solche häufig nicht erkannt, so dass eine rein symptomorientierte Behandlung – zumal langfristig – zwangsläufig scheitern muss. Rückenschmerzen sind nach neuesten Erkenntnissen in einem äußerst komplexen Zusammenhang mit dem gesamten Bewegungsapparat bzw. dem menschlichen Körper insgesamt zu sehen. Zur Diagnose und Erfolg versprechenden Therapie ist daher hier ein ganzheitliches Konzept gefordert, eine Untersuchung und Behandlung sozusagen „von Kopf bis Fuß“. Dieses neuartige konservative Therapiekonzept zur Untersuchung und Behandlung von Wirbelsäulenleiden setzt sich aus folgenden Faktoren zusammen: 3-D-Wirbelsäulen- und Statikvermessung, biomechanische Funktionsanalyse der Wirbelsäule, Muskelfunktionstests, analysegestützte medizinische Wirbelsäulentherapie und aktivierende Spezi­al­schuh­einlagen.

Zwei Münchner Ärzte, der Orthopäde Gregor Pfaff und der Sportmediziner Dr. Josef Fischer, Vorsitzender der deutschen Gesellschaft für Analysegestützte Medizinische Wirbelsäulentherapie (DGAMW e.V.), sowie die Orthopäden Dr. Siegfried Burger und Dr. Mattias Hoffmann aus Schwandorf entwickelten ein gemeinsames Diagnose- und Behandlungskonzept. Demnach werden Wirbelsäulenfehlhaltung und Rückenschmerzen oft durch Fehlform und Schwächen der Füße, Mus­keldysbalance, Bewegungseinschränkung der Gelenke, Störungen im Bereich der Zähne und Kiefergelenke, der Gleichgewichtsorgane und der Augen verursacht. 

Analyse der Wirbelsäule

Nach Meinung der Mediziner werden chronische Rückenschmerzen und Gelenkabnutzungen durch nicht erkannte Fehlstellungen des Bewegungsapparates und Muskeldysbalancen der Wirbelsäule verursacht. 

Deswegen kommt der Analyse der Wirbelsäulenstatik und -funktion ein hoher Stellenwert zu. Diese Untersuchungsmethode ist für alle orthopädischen Patienten geeignet; dabei werden Zusammenhänge zwischen der Körperstatik, der Muskelkraft und der Funktion der Wirbelsäule ermittelt. Diese Analysen gehen über die üblichen Röntgen-, Computertomographie- und Kernspintomographiebefunde weit hinaus.

In der orthopädischen Praxis wird dabei eine optische Vermessung der Wirbelsäule, der Beckenstatik und der Beinlängen durchgeführt. Der Rücken des Patienten wird mit einem Lichtraster belichtet, dieses Bild wird über eine Videorekordereinheit aufgenommen und mit einem speziellen Computerprogramm berechnet. Die dabei anfallenden Daten beschreiben die Oberflächenkrümmungen des gesamten Rückens, die exakte Position des 7. Halswirbels, der Dornfortsatzreihe aller Wirbel und der Beckenknochen. Daraus wird dann eine exakte statische Beschreibung des jeweiligen Patienten erarbeitet.

Zur Bestimmung von Kraft und Beweglichkeit der Wirbelsäule wird eine biomechanische Analyse von Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule durchgeführt. Dabei werden Muskeldysbalancen und Funktionsstörungen erkannt, so dass darauf aufbauend ein auf den Patienten abgestimmter Therapieplan erstellt werden kann. 

Osteopathie – Chirotherapie – Kinesiologie 

Nach der technischen Analyse von Form und Funktion erfolgt eine ausgiebige, ganzheitliche Untersuchung der Wirbelsäule und des Bewegungsapparates. Dabei werden osteopathische, chirotherapeutische und kinesiologische Tests angewandt. Besondere Bedeutung haben dabei die Füße, die Kiefergelenke und der lumbosacrale Übergang. Finden sich an diesen Gelenken Blockierungen oder Fehlstellungen, so zeigen die angrenzenden Muskelgruppen eine Dysbalance. Von hier können anschließend, vergleichbar mit einer Kettenreaktion, weitere Funktionsstörungen ausgehen; eine Blockierung des Iliosacralgelenkes kann z.B. eine Kopffehlhaltung und Nackenverspannung verursachen.

Die Füße spielen eine tragende Rolle

Eine besondere Rolle bei Stand und Gang nehmen sicherlich die Füße als Basis unserer Aufrichtung ein. Finden sich an den Fußsohlen schwache Muskelspannungen und damit Abflachungen der Fußgewölbe sowie verbreiterte Mittelfuß- und Vorfußknochen, so ist die Abstützung des gesamten Bewegungsapparates geschwächt. Die damit verbundene Schwächung der Mus­kelspannung und Dysbalance durchzieht als Muskelkettenreaktion den gesamten Bewegungsapparat bis hin zu den Kiefergelenken.

Um die geschwächten Fußzonenareale zu finden, führen Orthopäden kinesiologische Muskelfunktionstests an genau definierten Muskelpunkten der Fußsohlen durch.

Aktivierte Fußreflexzonen koordinieren Kraft und Funktion

Die Behandlung erfolgt durch Stimulation der als geschwächt identifizierten Fußreflexzonenareale durch eine prallelastische, weiche Spezialeinlage. Dabei kommt es zu einer Muskelkettenreaktion in den miteinander verbundenen Gelenks- und Muskelfunktionseinheiten bis hin zu den Kiefergelenken. Gleichzeitig mit der verbesserten Muskelkettenkoordination muss, nach Ansicht der Mediziner, die Wirbelsäulenmus­kulatur auftrainiert werden; nur so können bestehende Defizite ausgeglichen werden. Diese Aktivtherapie führt zur Kräftigung und Mobilisierung der Wirbelsäule und Rückenmuskulatur. Über 90% der Patienten seien nach einem Jahr beschwerdefrei. Die Mobilisierung wirkt sich auch auf soziale und psychische Bereiche aus. Denn Patienten, die sich schmerzfrei gerade aufrichten können und mit einer gekräftigten Wirbelsäule auch eine erhöhte Beweglichkeit haben, sind belastbarer und aktiver.

In diesem Sinne besiegen ein gekräftigter Rücken und aktivierte Fußreflexzonen den Rückenschmerz „Schritt für Schritt“.

Ein Archivbeitrag* aus ORTHOpress 4 | 2000

*Archivbeiträge spiegeln den Stand zur Zeit der Erstveröffentlichung wieder. Die aktuelle Einschätzung des Sachverhalts kann durch Erfahrungszuwachs, allgemeinen Fortschritt und zwischenzeitlich gewonnene Erkenntnisse abweichen.