Dem Rückenschmerz auf der Spur: 3-D-Wirbelsäulenvermessung nicht nur Diagnostik
Jemand, der sich im wahrsten Sinne des Wortes „gerade hält“, ist heute als Ausnahme anzusehen: Obwohl schon Generationen von Eltern ihren Kindern eine aufrechte Haltung als erstrebenswert ans Herz gelegt haben, sitzen, gehen und stehen die meisten von uns mit mehr oder weniger krummem Rücken.
Für diejenigen, die den Rat ihrer Eltern befolgen, hält der Volksmund hämische Kommentare bereit: „Er geht, als habe er einen Stock verschluckt“, heißt es. Solche Menschen gelten als überkorrekt und wenig gesellig. Vielleicht wäre dies nicht der Fall, wenn wir „Krummen“ im Vorhinein wüssten, was wir unserem Körper damit antun und welche Probleme uns oft schon vor dem 30. Lebensjahr erwarten können. Schon lange weiß man, dass eine Fehlhaltung nicht nur dem fehlgehaltenen Teil des Körpers (meist der Wirbelsäule) selbst schadet, sondern vielmehr Ausdruck eines tiefer angesiedelten Haltungsproblems ist. Dieses aber richtig zu erkennen und eine entsprechende Therapie einzuleiten ist auch für den behandelnden Arzt nicht immer ganz leicht. Herkömmliche Röntgenbilder erfassen meist nur einen Ausschnitt des Problems. Dazu der Kölner Chirurg Dr. Janusz Pieczykolan: „Ein Aspekt ist, dass die bildgebende Diagnostik praktisch nur unser Knochengerüst darstellt. Eine muskuläre Dysbalance, welche in vielen Fällen für Rückenprobleme verantwortlich ist, wird auf diese Art und Weise nur ungenügend dargestellt.“
3-D-Wirbelsäulenvermessung vermittelt „Landkarte“ der Körperstatik
Seit etwa acht Jahren nun gibt es eine Methode, mit welcher Fehlstatiken am ganzen Körper auf relativ einfache Art und Weise erkannt und therapiert werden können, die lichtoptische 3-D-Wirbelsäulenvermessung. Diese Untersuchungsmethode zur dreidimensionalen Wirbelsäulenvermessung ist für alle orthopädischen Patienten geeignet. Dabei werden Zusammenhänge der Körperstatik ermittelt, die über die üblichen Röntgen-, Computertomografie- und Kerspintomografieuntersuchungen hinausgehen. Die 3-D-Wirbelsäulenvermessung wird von spezialisierten Fachärzten ausgeführt; dabei beschreiben die anfallenden Daten die Oberflächenverkrümmung des gesamten Rückens, die exakte Position des 7. Halswirbels, der Dornfortsatzreihe aller Wirbel und der Beckenknochen. Daraus wird eine exakte statische Beschreibung des jeweiligen Patienten erarbeitet. Mit Hilfe verschiedener Programmoptionen ist es dem Arzt nun möglich, eventuelle Rotationen auf den einzelnen Wirbelsäulenebenen festzustellen. So können funktionelle Störungen des Skelettachsensystems auf einfache Weise diagnostiziert und anschließend behandelt werden. „Es geht hier nicht darum, noch ein weiteres teures Gerät zur Diagnostik einzusetzen“, betont der Chirurg Dr. Oliver Tobolski. „Die Besonderheit der 3-D-Wirbelsäulenvermessung liegt neben der außerordentlich patientenfreundlichen Anwendung – bei der Untersuchung erfolgt ja keinerlei Belastung durch ionisierende Strahlen wie z.B. beim Röntgen – in der einfachen Kontrollmöglichkeit der eingeleiteten Therapie.“
Aber wie sieht eine solche Therapie aus? Dr. Tobolski: „Unsere Körperhaltung wird neben der gegebenen Statik und dem Zustand unserer Gelenke wesentlich von unseren Sinnen beeinflusst. Neben dem Gleichgewichtssinn und der visuellen Wahrnehmung spielt hierbei insbesondere der Tastsinn unserer Füße eine große Rolle. Die Rückmeldung des Druckreizes beim Auftreten der Füße ist eine wesentliche Information für unser Gehirn. Liegen hier Fehlfunktionen vor, so kommt es zu einer Kettenreaktion, welche die gesamte Muskelbalance bis hin zur Kiefermuskulatur negativ beeinflussen kann. In der Folge können als Langzeitauswirkungen Beckenschiefstand, Rückenverkrümmungen und Muskelverspannungen auftreten, welche sich im täglichen Leben als Schmerz oder auch als stark verminderte Beweglichkeit (‘Blockaden’) bemerkbar machen.“ Eine Therapie muss daher darauf abzielen, die Sinne wieder in einen solchen Einklang zu bringen, dass der Körper quasi aus sich selbst heraus die Fehl- bzw. Schonhaltung aufgibt.
Haltungskorrektur durch Fußreflexstimulation
Erreicht wird dies durch nach den Grundlagen der „Applied Kinesiology“ (angewandten Kinesiologie) gefertigte spezielle Einlagen. Diese Therapie geht zunächst von einem umfassenden Ganzkörperstatus einschließlich der Gleichgewichtstestung, einer Augenfunktionstestung und kieferorthopädischen Basisuntersuchung aus. Wie schon im Vorfeld beschrieben, werden die statischen und funktionellen Gegebenheiten an den Füßen untersucht; dabei werden „aufsteigende Muskelfunktionsfehler“ am Fuß analysiert. Funktionell gestörte Regelkreisläufe bzw. die geschwächten Muskel- und Gelenksfunktionen werden durch manualtherapeutische, chirotherapeutische und osteopathische Therapien zunächst symptomatisch behandelt.
Die ursächliche Haltungskorrektur erfolgt über die Behandlung von Fußreflexpunkten, die kinesiologisch ausgetestet werden. Zur Therapie werden weiche, prallelastisch gefüllte Spezialeinlagen nach Frau Prof. Fusco verwendet. Hierbei werden die kinesiologisch schwach testenden Muskelketten kontinuierlich stimuliert. Durch die Aktivierung der Fußmuskulatur werden die Muskelketten gekräftigt, der Fuß richtet sich in seiner dreidimensionalen Ordnung selbst auf. „Durch die Einheitlichkeit der Muskel- und Gelenkorganisation im gesamten Körper kommt es in allen Bewegungssegmenten und unter anderem auch in den Kiefergelenken zu optimierter Funktion und Schmerzfreiheit“, bestätigen auch die Orthopäden Dr. Rädel aus Herne und Dr. Dreisilker aus Velbert. Die Therapieerfolge und die Dauerhaftigkeit der Behandlungswirkung lassen sich durch die dreidimensionale Wirbelsäulenvermessung sowohl beweisen als auch kontrollieren. Arzt und Patient haben so die seltene Möglichkeit, den Fortschritt einer Behandlung effektiv zu messen und so weitere Maßnahmen gezielt auf den Therapieerfolg abzustimmen. Die Behandlungsweise wird mittlerweile von spezialisierten Fachärzten bundesweit durchgeführt.
Obwohl diese kombinierte Diagnostik und Therapie weit weniger aufwändig als umfassende krankengymnastische Anwendungen und computertomografische Untersuchungen sind, werden die Kosten (rund 500 DM für die Wirbelsäulenvermessung und knapp 400 DM für die benötigten Einlegesohlen)bislang leider nicht von den gesetzlichen Krankenkassen ersetzt.
Ein Archivbeitrag* aus ORTHOpress 2 | 2001
*Archivbeiträge spiegeln den Stand zur Zeit der Erstveröffentlichung wieder. Die aktuelle Einschätzung des Sachverhalts kann durch Erfahrungszuwachs, allgemeinen Fortschritt und zwischenzeitlich gewonnene Erkenntnisse abweichen.