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Knie

Die Vordere Kreuzbandplastik mit Spendertransplantat im Vergleich zu herkömmlichen Methoden

Woman holding her hurting knee

Eine Studie von Dr. Kunz und Dr. Erlewein, Atlasklinik Stuttgart/Neuhausen 

Inzwischen ist es unumstritten, dass vor allem bei jungen Menschen der Ersatz eines gerissenen vorderen Kreuzbandes im Kniegelenk eine der wichtigsten Voraussetzungen und Maßnahmen für die Erhaltung eines gesunden Knorpels im Kniegelenk und damit gegen das frühe Einsetzen einer Kniearthrose darstellt. 

Die Praxis hat uns auch gelehrt, dass bei einem gerissenen vorderen Kreuzband häufig gleichzeitig neben einem Knorpelschaden, auch eine Verletzung des für einen gesunden Knorpel so wichtigen Meniskus vorliegt. Dies leuchtet unmittelbar ein, stellt doch das Kniegelenk mit seinen verschiedenen Strukturen ein sich im Gleichgewicht befindendes, sich gegenseitig stabilisierendes System dar. Ist nun eine der den Knorpel schützenden Strukturen destabilisiert, leidet in der Folge auch der Knorpel, was letztlich zur Ausbildung der Kniearthrose führt. Die Kniearthrose wiederum führt in letzter Konsequenz zum künstlichen Kniegelenk, also zur Knieprothese.

Diese fatale Kaskade als Folge der Knieinstabilität durch ein gerissenes vorderes oder hinteres Kreuzband steht also in engem Zusammenhang mit den Meniskus- und Knorpelschäden und letztendlich der Kniearthrose.

Die Arthrose ist eine verbreitete, ernstzunehmende Krankheit. Sie stellt einen über Jahre hin fortschreitenden Prozess dar, an dessen Ende der Knorpel derart geschädigt ist, dass dieser bis zum blanken Knochen abgerieben und abgeschliffen ist. Das ganze funktioniert wie eine Einbahnstraße insofern, als es sich beim Gelenkknorpel um eine Struktur handelt, die sich nicht so schnell regenerieren kann, wie der zerstörende Knorpelprozess den Knorpel vernichtet. Die Folgen der Knorpelzerstörung sind ständige, Tag und Nacht anhaltende Schmerzen, die letztendlich – weil die Schmerzen nicht mehr zu ertragen sind – die Knieprothese erforderlich machen. 

Dank der fortschreitenden Technik der endoskopischen Chirurgie konnten in den letzten Jahren weitere Erkenntnisse zu den Zusammenhängen bei der Entwicklung einer Kniearthrose gewonnen werden. Man konnte nachweisen, dass ein zerstörtes vorderes Kreuzband durch die dadurch bedingte Knieinstabilität zur massiven Zerstörung, auch der anderen Strukturen im Knie, bis hin zur kompletten Zerstörung der knorpeligen Gelenkoberflächen führen kann. Das alles geschieht weitgehend unabhängig vom Alter des Patienten. Dieses Wissen ist inzwischen allgemein anerkannt und in der internationalen Fachwelt längst unumstritten, was ja auch ganz einsichtig ist, da es sich beim vorderen Kreuzband um einen der wichtigsten Stabilisatoren des Kniegelenkes handelt.

Nun hat man bei den Bemühungen, einen möglichst kleinen, wenig traumatisierenden Operationsweg zum Ersatz des vorderen Kreuzbandes zu finden, in den letzten Jahren mehrere erfolgreiche Operationstechniken zum Kreuzbandersatz entwickelt. Eine der bekanntesten und ältesten Verfahren ist, das vordere Kreuzband unter Verwendung eines Teiles der Kniescheibensehne zu ersetzen. Bei einem weiteren neueren und ebenfalls sehr erfolgreichen Verfahren verwendet man einen Teil aus der an der seitlich des Kniegelenkes verlaufenden sogenannten Semitendinosus- und oder der Gracilessehne. Dabei handelt es sich ebenfalls um Sehnen, die das Kniegelenk zusätzlich stabilisieren. 

Vorwiegend in den USA wurde ein weiteres Verfahren zum vorderen Kreuzbandersatz entwickelt, bei dem man ein sogenanntes Spendertransplantat verwendet. Diese Transplantate stammen von Menschen, die zu Lebzeiten einer Organentnahme nach ihrem Tod zugestimmt haben. Schon seit vielen Jahren kennt man ja die Transplantationen von Nieren, Herzen oder Lebern. Aber auch Hornhaut, Knochen oder Sehnen können inzwischen als Spendertransplantate zum Wohle anderer Menschen übertragen werden. 

Dabei hat die Verwendung einer Spendersehne zum Ersatz des vorderen Kreuzbandes einen wesentlichen Vorteil: Man braucht nicht von einer anderen Stelle des selben Kniegelenkes eine Sehne zu entnehmen, und damit unter Umständen das Knie zusätzlich zu traumatisieren, sondern man kann frei die Dicke und die Qualität des Spendertransplantates wählen und in einem komplett endoskopisch minimal invasiven Verfahren die vordere Kreuzbandersatzoperation durchführen. 

Unsere eigenen Ergebnisse sind diesbezüglich sehr ermutigend. So hat die Nachuntersuchung unserer über 350 Patienten, bei denen etwa zur Hälfte, eine eigene, das Knie stabilisierende Sehne verwendet und zur anderen Hälfte eine Spendersehne implantiert wurde, gezeigt, dass auch nach über fünf Jahren bei beiden Verfahren eine hohe Kniegelenksstabilität vorliegt. Also steht die Operation, bei der eine Spendersehne verwendet wurde, dem herkömmlichen Verfahren, bei dem zuvor dem eigenen Körper eine Sehne entnommen wird, in nichts nach. Es gab auch keinerlei Abstoßungsreaktionen. 

Unserer Meinung nach bietet dieses aus Amerika kommende Verfahren sogar zwei wesentliche Vorteile: Man benötigt zum einen bei der Verwendung eines Spendertransplantates keinen zusätzlichen Schnitt, um eine körpereigene Sehne zu entnehmen, und man geht zum anderen kein Risiko ein, ggf. durch die Entnahme einer das Knie ja auch stabilisierenden Sehne, eine gewisse Gelenksdestabilisierung in Kauf zu nehmen. 

Abschließend sei gesagt, dass alle drei zur Zeit verwendeten Operationsmethoden zum vorderen Kreuzbandersatz bei gegebener Indikation unserer Meinung nach ihre volle Daseinsberechtigung haben, und durch die Hand des geübten Operateurs zu einer Restabilisierung des Kniegelenkes führen und somit der Arthrose Einhalt gebieten können.

ORTHOpress 4 | 2001

Alle Beiträge dienen lediglich der Information und ersetzen keinesfalls die Inanspruchnahme eines Arztes*in. Falls nicht anders angegeben, spiegeln sie den Stand zur Zeit der Erstveröffentlichung wider. Die aktuelle Einschätzung des Sachverhalts kann durch Erfahrungszuwachs, allgemeinen Fortschritt und zwischenzeitlich gewonnene Erkenntnisse abweichen.