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Behandlungsmethoden

Die Orthomolekulare Medizin

Doctor or nurse caregiver showing a brochure to senior man at home or nursing home

Gesund bis ins hohe Alter

Bei den guten Wünschen, die wir Verwandten und Freunden senden, steht Gesundheit immer ganz oben an. Doch „Was ist Gesundheit?“ Jedenfalls mehr als nur das Fehlen von Krankheit und Gebrechlichkeit. Gesundheit ist ein “Zustand vollständigen körperlichen, seelischen und sozialen Wohlbefindens”. So hat es die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in einer Erklärung vom 22. Juni 1946 als fundamentales Recht eines jeden Menschen definiert. Heute, mehr als ein halbes Jahrhundert später, ist die Menschheit – selbst in unserer hoch technisierten westlichen Welt – trotz aller medizinischen Fortschritte noch weit davon entfernt, »gesund« im Sinne der WHO zu sein. Oder liegt es gerade an unserer Technisierung, Industrialisierung und hoch gerüsteten Medizin, dass das elementare Bedürfnis nach Gesundheit eigentlich bei immer weniger Menschen erfüllt wird? Der medizinische Fortschritt hat zwar zu einer deutlichen Verlängerung der durchschnittlichen Lebenserwartung geführt. Aber erleben wir diese geschenkten Jahre auch gesund und bei Wohlbefinden? 

Es fehlt nicht an Versuchen, dies zu erreichen. Ein Zauberwort dabei lautet oftmals »Anti-Aging«. Empfehlungen unterschiedlichster Art von seriös bis dubios findet man am Markt. Sie alle wollen vergessen machen, dass wir de facto doch altern. Dieser Prozess kann in seiner Geschwindigkeit vielleicht abgebremst werden, aber ewig jung bleiben können wir nicht. Es geht daher weniger um »Anti-Aging« als vielmehr um richtiges, gutes Altern, also »Good aging«. Dieses gute Altern ist sicherlich zunächst eine Frage der genetischen Ausstattung, aber auch ganz wesentlich eine des Lebensstils. Wer im Alter gesund sein will, sollte möglichst früh damit anfangen. Eine gute, alle Nährstoffe enthaltende, aber nicht zu üppige Ernährung, ausreichende Zufuhr von Flüssigkeit (nicht unbedingt in Form von Alkohol) und der Verzicht auf Nikotin sind Grundvoraussetzungen für Wohlbefinden im Alter. Aber auch körperliche Aktivität, Sport und Bewegung – nicht zu viel, aber auch nicht zu wenig – gehören zu einer gesunden Lebensweise, ebenso wie ausreichend Schlaf, wenig Stress und eine positive, optimistische Lebenseinstellung. 

Die Schere zwischen Nährstoffangebot und Nährstoffbedarf klafft immer weiter auseinander

Was eigentlich wie selbstverständlich klingt, ist aber in der heutigen Zeit kaum mehr zu realisieren. So gelingt es heute nur noch sehr schwer und verbunden mit großem Aufwand, alle für eine gute Gesundheit erforderlichen Stoffe und Substanzen in ausreichender Menge aufzunehmen. Dieser Mangel kann verschiedene Gründe haben: einseitige und ungesunde Ernährung, industriell hergestellte und konservierte Nahrungsmittel, die zwar noch einen gewissen Genusswert haben, aber ernährungsphysiologisch völlig wertlos oder sogar schädlich sind, Nährstoffverluste durch ungesunden Anbau, langen Transport, falsche Lagerung oder unsachgemäße Zubereitung. Zudem führen die »moderne« Lebensweise mit Stress, Hektik, übermäßigem Verbrauch an Alkohol, Nikotin und Kaffee und die Belastungen der Umwelt mit Schadstoffen der unterschiedlichsten Art zu einem gesteigerten Nährstoffbedarf. 

Die Einsicht in diese Zusammenhänge führte zur Entwicklung der Orthomolekularen Medizin. Der Name wurde 1968 von Linus Pauling geprägt, dem zweifachen Nobelpreisträger und Begründer der Orthomolekularen Medizin. Orthomolekular setzt sich zusammen aus griechisch »orthos« = richtig und lateinisch »moles« = Masse, wobei Moleküle kleinste chemische Verbindungen aus mehreren Atomen sind. In der Orthomolekularen Medizin geht es darum, dem Organismus Nährstoffe konzentriert und in einem richtigen Verhältnis untereinander zuzuführen, damit der Organismus nicht nur gut versorgt ist, sondern auch seine vielfältigen Funktionen optimal erfüllen kann, ohne dass es zu Ausfallerscheinungen kommt. 

Bei den Substanzen, auf die es ankommt, handelt es sich um über 40 verschiedene Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente, Antioxidantien, Enzyme, Aminosäuren und Fettsäuren. Die Orthomolekulare Medizin verwendet dabei nur Substanzen, die natürlicherweise im menschlichen Organismus vorhanden sind und dort benötigt werden, um die körpereigenen Regulationsmechanismen und Selbstheilungskräfte in Gang zu halten. Dadurch kann der Einsatz von Arzneimitteln – der nicht grundsätzlich abgelehnt wird – sehr gering gehalten werden. Der Schwerpunkt der Orthomolekularen Medizin liegt bei der Vorbeugung, also bei Vermeidung und Behebung von Krankheitsursachen und weniger bei der Beseitigung von Symptomen. Dazu werden orthomolekulare Substanzen zum Teil in sehr hoher Dosierung eingesetzt. Linus Pauling selbst nahm täglich große Mengen an Vitamin C, E und A ein und konnte Vitalität und Gesundheit bis ins hohe Alter bewahren. Er wurde 94 Jahre alt. 

Auch in der »Schulmedizin« werden orthomolekulare Therapien eingesetzt

Das Prinzip, die fehlenden, vom Organismus aber benötigten Stoffe zuzuführen, ist keine »alternative« Methode, sondern wird auch in der so genannten Schulmedizin heute schon vielfältig angewendet. So werden Vitamine vom B-Komplex bei chronischen Nervenschmerzen verordnet. Magnesium wird bei Herzerkrankungen oder bei vorzeitiger Wehentätigkeit in der Schwangerschaft eingenommen. Bei bestimmten Hauterkrankungen substituiert man Zink, und die perniziöse Anämie heilt man durch die Einnahme von Vitamin B12. 

Orthomolekulare Therapeuten unterscheiden zwei Arten von Arzneimitteln. Einmal solche, die dem Körper fremd sind und auch in der natürlichen Nahrung nicht vorkommen. Diese »körperfremden« Arzneimittel haben sich bei der Behandlung von verschiedenen Erkrankungen als hilfreich erwiesen, haben aber zum Teil auch erhebliche unerwünschte Nebenwirkungen. Sie können unter Umständen bestimmte Symptome korrigieren, z.B. einen erhöhten Cholesterinspiegel senken, aber ändern in der Regel nichts an den zu Grunde liegenden Ursachen. Unter »körpereigenen« Arzneimitteln, die auch Nährstoffe genannt werden, werden die Substanzen zusammengefasst, die in unserem Körper oder in der natürlichen Nahrung vorhanden sind und deswegen besonders effektiv in den Stoffwechsel eingreifen können. Der individuelle Bedarf an diesen Stoffen ist sehr unterschiedlich und muss im Einzelfall ermittelt werden. Er ist abhängig von Geschlecht und Alter, durchgemachten Erkrankungen, Ernährungsgewohnheiten und den allgemeinen Lebensumständen, genetischer Ausstattung und nicht zuletzt vom aktuellen Gesundheitszustand. So ist z.B. bei Infekten der Bedarf an Vitamin C deutlich höher als im gesunden Zustand. 

Orthomolekulare Medizin als Prävention, Substitution und Megadosentherapie

In der Orthomolekularen Medizin unterscheidet man grundsätzlich drei Einsatzbereiche. Da ist zunächst das große Gebiet der Prävention. Dabei geht es darum, Nährstoffdefizite, die in unserer hochindustriellen Gesellschaft eigentlich bei jedem und jeder auftreten, auszugleichen, um so den so genannten Zivilisationskrankheiten vorzubeugen. Bei der nächsten Stufe, der Substitution, geht es darum, offensichtliche Mangelerscheinungen zu beheben. Dabei lassen sich solche Mängel meist nicht so einfach nachweisen, denn manchmal sind die Zellen in bestimmten Organen oder Systemen schon unterversorgt, wenn die Spiegel im Blut noch normal sind. Dies kann vor allem im besonders empfindlichen Gehirn der Fall sein. Daher erklärt es sich auch, dass z.B. bei etlichen psychischen Erkrankungen durch die orthomolekulare Therapie deutliche Erfolge erzielt werden können. Der dritte – und sicherlich der umstrittenste – Bereich stellt die Therapie mit Megadosen, also in sehr hoher Dosierung, dar. Dadurch sollen Immunstimulationen, Entgiftungsvorgänge und andere Wirkungen erzielt werden. Dabei haben diese Therapien normalerweise keine gravierenden Nebenwirkungen. Allerdings dürfen die Vitamine A, D und K nicht in diesen hohen Dosierungen eingenommen werden. 

Die laborchemische Bestimmung der Nährstoffe ist sehr aufwendig und stellt keine Kassenleistung dar. Sie sollte aus Vollblut – und nicht nur aus dem Blutserum – erfolgen, damit die zellulären Bestandteile mit erfasst werden können. So erhält man ein angenähertes Bild für die Verhältnisse in den Gewebezellen. Zur Erhebung eines Nährstoffstatus gehört aber auch das Aufspüren von etwaigen Resorptionsstörungen aus dem Darm, wie sie z.B. bei Entzündungen der Magen- oder Darmschleimhaut oder bei bakterieller Fehlbesiedlung im Darm vorliegen können. Daneben spielen aber auch die Feststellung der Umweltbelastungen und die Suche nach sonstigen individuellen Faktoren eine Rolle. 

Mit Orthomolekularer Medizin die Gesundheit bis ins hohe Alter erhalten

Heute gilt als anerkannt und gesichert, dass die optimale Versorgung mit orthomolekularen Substanzen und Antioxidantien nicht nur einen positiven Einfluss auf die Leistungsfähigkeit hat, sondern auch etliche Erkrankungen wie Herz-, Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen, Osteoporose, Rheuma und grauen Star positiv beeinflussen und damit Alterungserscheinungen abmildern kann. Darüber hinaus kann die Orthomolekulare Medizin bei jeder Krankheit von Nutzen sein, denn jede Krankheit und jeder Unfall stellt einen besonderen Stress für den Organismus dar, der mit einem erhöhten Nährstoffbedarf verbunden ist. Dabei geht es nicht darum, irgendwelche Multivitaminpräparate zu schlucken, sondern gezielt und in ausreichend hoher Dosierung dem Körper die Stoffe zur Verfügung zu stellen, die er in seiner derzeitigen Situation braucht. So sollen alle Stoffwechselvorgänge optimiert und Gesundheit und Wohlbefinden bis ins hohe Alter möglich werden. 

Linus Pauling formulierte es so: „Durch die Einnahme der richtigen Vitamine und anderer Nährstoffe und durch die Befolgung weniger, für die Erhaltung der Gesundheit wichtiger Regeln vom frühen oder mittleren Lebensalter an, können Sie nicht nur Ihr Leben verlängern, sondern auch die Zeit des Wohlbefindens um 25 oder sogar 30 Jahre verlängern.“ 

aus ORTHOpress 2 | 2002

Alle Beiträge dienen lediglich der Information und ersetzen keinesfalls die Inanspruchnahme eines Arztes*in. Falls nicht anders angegeben, spiegeln sie den Stand zur Zeit der Erstveröffentlichung wider. Die aktuelle Einschätzung des Sachverhalts kann durch Erfahrungszuwachs, allgemeinen Fortschritt und zwischenzeitlich gewonnene Erkenntnisse abweichen.