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Krankheitsbilder

Die neue Devise in der Chirurgie: so viel ambulant wie möglich

Doctor in professional uniform examining patient at hospital or medical clinic. Health care , medical and doctor staff service concept.

Im internationalen Vergleich liegen Patienten in Deutschland immer noch ungewöhnlich lange im Krankenhaus, speziell nach operativen Eingriffen. In den letzten Jahren haben sich nun operative Methoden etabliert, die nur eine kurze Bettlägerigkeit erfordern. In der Frauenheilkunde schon vor über 20 Jahren eingeführt, haben diese so genannten minimal invasiven Methoden nun auch zunehmend die chirurgischen Operationssäle erobert. Da ebenfalls die Narkoseverfahren weiterentwickelt wurden, können heute etliche Erkrankungen nicht nur minimal invasiv, sondern auch durch ambulante Eingriffe sicher und für die Patienten bequemer behandelt werden. 

Der Chirurg Thomas Wegener aus Offenbach erklärt: „Zu den Erkrankungen, die heutzutage überwiegend minimal invasiv, d.h. durch eine Bauchspiegelung behandelt werden, gehören vor allem die Leistenbrüche, auch Leistenhernien genannt.“ Die Leistenregion ist eine natürliche Schwachstelle der Bauchwand. Hier verläuft der Leistenkanal, den man sich als eine Art Tunnel vorstellen kann, durch den bei Männern die Samenstranggebilde und bei Frauen das so genannten Mutterband verlaufen. Durch diese Bruchpforten können Teile des Darmes durch die Bauchwand bis unter die Haut hervortreten und sind dann als mehr oder weniger große Beulen tastbar. Lassen sich diese Organteile nicht mehr in den Bauch zurückdrücken und wird der Bruchinhalt durch die Bruchpforte eingeengt, spricht man von einer Einklemmung des Bruchs. Dieser sehr schmerzhafte Zustand ist häufig lebensbedrohlich und muss sofort operiert werden. Damit es erst gar nicht soweit kommt, sollte man Leistenbrücheauch ohne Einklemmungssymptome immer operieren. 

Leistenbruchoperationen

Vergleicht man die traditionellen so genannten offenen Methoden mit den neuen endoskopischen, so besteht der Vorteil der offenen Methoden darin, dass sie in lokaler Betäubung angewendet werden können, wohingegen endoskopisch nur in Vollnarkose operiert werden kann. Dafür können bei der Endoskopie ohne großen Mehraufwand Leistenbrüche auf beiden Seiten operiert werden. Besonders übergewichtige Menschen profitieren von den neuen Methoden. Wegen der stärker ausgeprägten Fettschicht müssen bei den offenen Methoden zum einen die Schnitte größer gewählt werden, zum anderen heilen diese Schnitte – da Fettgewebe weniger durchblutet ist – auch schlechter. Bei der Endoskopie hingegen sind die drei Schnitte maximal 0,5 bis 1 cm lang. 

Kommt es nach einer Hernienoperation erneut zu einem Bruch an der gleichen Stelle, so spricht man von einem Rezidiv. Diese können auch nach mehrfachen Leistenbruchoperationen auftreten und stellen an den Operateur erhöhte Anforderungen. Die endoskopischen Methoden erlauben die Umgehung des alten Operationsgebietes und erleichtern das Operieren so erheblich. Seit 1995 werden in der Praxis von Thomas Wegener Leistenbrüche nach offenen und endoskopischen Methoden operiert, wobei die meisten endoskopischen Operationen nach der so genannten Total Extra Peritonealen (TEP)-Methode durchgeführt werden. Das bedeutet, dass die eigentliche Bauchhöhle nicht eröffnet wird, sondern sich der Operateur mit seinen Instrumenten vor dem Bauchfell befindet. Von hier aus wird die Bruchpforte aufgesucht, der Bruchinhalt zurückgeschoben und die Durchtrittstelle über ein eingelegtes Netz verschlossen. Bei sehr großen Brüchen kann der Zugang auch – wegen der besseren Übersichtlichkeit – durch die Bauchhöhle hindurch gewählt werden.

Endoskopische Gallenblasenentfernungen

Diesen Zugang wählt man auch für eine weitere Gruppe von endoskopischen Eingriffen, nämlich der Gallenblasenentfernung (laparoskopische Cholecystektomie). Eine Operation wird erforderlich, wenn die Gallenblase Steine enthält und Beschwerden und Schmerzen verursacht. Beim endoskopischen Operieren wird am narkotisierten Patienten durch eine am Bauchnabel eingesetzte Spezialnadel die Bauchhöhle mit Kohlensäuregas aufgefüllt und dann an dieser Stelle eine weniger als einen Finger dicke Optik eingeführt, mit der die ganze Bauchhöhle inspiziert werden kann. Unter Sicht werden dann über nur wenige Millimeter große Schnitte die dünnen Instrumente für das endoskopische Operieren in den Bauch eingebracht. In der Regel ist die Optik mit einer sehr kleinen Kamera verbunden, die das Bild auf einen Monitor überträgt, so dass die Operationstätigkeit bequem über den Bildschirm verfolgt werden kann. Die Gallenblase wird von ihren Blutgefäßen und dem zu ihr führenden Gallengang befreit und aus der Bauchhöhle entfernt. Hat sich der Operateur durch die abschließende Inspektion des Operationsgebietes davon überzeugt, dass alle Blutgefäße sicher verschlossen sind und so eine Nachblutung ausgeschlossen werden kann, wird ein dünner, weicher Kunststoffschlauch durch eine der Instrumentenöffnungen in das OP-Feld eingebracht und der Eingriff beendet. 

Nach einer ambulanten Gallenblasenoperation sind die Patienten im allgemeinen fünf Stunden nach Operationsende schmerzfrei, klar orientiert und kreislaufstabil, so dass sie nach Hause entlassen werden können. Wenn nicht anders verordnet, können sie am gleichen Abend eine leichte warme Mahlzeit und Getränke zu sich nehmen. „Natürlich können die Frischoperierten jederzeit – falls erforderlich – während der Nacht telefonisch Kontakt mit ihrem Arzt aufnehmen“, so Wegener. „Notfalls werden sie auch besucht.“ Am Tag nach der Operation suchen die Patienten den Arzt in der Praxis auf. Hier werden Wundkontrollen und Verbandswechsel vorgenommen und die Wunddrainage entfernt. Die Fäden werden sieben bis neun Tage nach dem Eingriff gezogen. Bei komplikationslosem Verlauf dauert die Arbeitsunfähigkeit nicht länger als zwei Wochen. 

So bequem ambulante Eingriffe auch sind, so weist Wegener dennoch darauf hin, dass Patienten, die nicht nur Steine in der Gallenblase, sondern auch im Gallengang haben, die unter Fieber, Gelbsucht oder einer Entzündung der Bauchspeicheldrüse leiden, oder die wegen anderer Erkrankungen ein erhöhtes Narkose- oder Operationsrisiko haben, den Eingriff nicht ambulant, sondern stationär vornehmen lassen sollten. 

Diagnostische Laparoskopien und Appendektomien

Nicht mehr weg zu denken sind die Endoskopien in der Diagnostik der unklaren Unterbauchbeschwerden. Schnell und elegant können so organische Ursachen der Schmerzen ermittelt und häufig auch direkt behandelt werden; seien es nun kleine Leistenbrüche, die nicht ohne weiteres erkannt werden konnten oder Blinddarmentzündungen. Heute werden Appendektomien, die so genannten Blinddarmoperationen immer öfter endoskopisch durchgeführt. Der große Vorteil ist, dass nicht nur der eng begrenzte Bereich eingesehen werden kann, sondern dass der ganze Bauchraum beurteilt werden kann. Nicht zu verachten, besonders für junge Mädchen, ist der kosmetische Vorteil. Es gibt keine u.U. störenden Narben. Häufig haben Bauchschmerzen auch Verwachsungen als Ursache. Diese können bei einer Bauchspiegelung – ohne große Gefahr, neue Verwachsungen zu setzen – sehr effektiv gelöst werden. 

Insgesamt kann man sagen, dass der große Vorteil der „Schlüssellochchirurgie“ für die Patienten darin liegt, dass kaum neue Verletzungen gesetzt werden. Thomas Wegener weist darauf hin, dass eine Reihe von Untersuchungen zu dem Ergebnis kommen, dass minimal invasive Methoden weniger Schmerzen nach der Operation verursachen und die Patienten schneller genesen. Werden diese Eingriffe dann noch ambulant durchgeführt, sparen die Krankenkassen erhebliche Summen durch die fehlende Liegedauer im Krankenhaus.

ORTHOpress 4 | 2001

Alle Beiträge dienen lediglich der Information und ersetzen keinesfalls die Inanspruchnahme eines Arztes*in. Falls nicht anders angegeben, spiegeln sie den Stand zur Zeit der Erstveröffentlichung wider. Die aktuelle Einschätzung des Sachverhalts kann durch Erfahrungszuwachs, allgemeinen Fortschritt und zwischenzeitlich gewonnene Erkenntnisse abweichen.