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Walter Deburga ließ es sich früher nicht nehmen, die meisten Wege nach Möglichkeit zu Fuß zurückzulegen. Seit einiger Zeit ist das anders. Sobald der 73-Jährige eine Viertelstunde unterwegs ist, hat er Schmerzen in den Beinen und muss eine Pause einlegen. Vor allem seine Angehörigen sind über diesen Zustand sehr besorgt. Doch da sich der eigensinnige pensionierte berstudienrat bislang nicht dazu entschließen konnte, zum Arzt zu gehen, steht die Diagnose für seine Beschwerden immer noch aus.
Wenn Menschen nicht mehr in der Lage sind, Wegstrecken von wenigen hundert Metern ohne Beschwerden zurückzulegen, kann dies die unterschiedlichsten Gründe haben. Dabei können Erkrankungen der Gefäße, des Skeletts, des Knorpels oder der Muskeln sowie neurologische Krankheiten eine Rolle spielen.
Oft suchen die Betroffenen Zuflucht vor einem Schaufenster
Eine der häufigsten Ursachen dafür, dass die Ausdauer beim Gehen deutlich eingeschränkt ist, ist die sogenannte periphere arterielle Verschlusskrankheit (PAVK). Es handelt sich dabei um eine Gefäßerkrankung, die vor allem an den Beinen auftritt und – meist im Zusammenhang mit einer Arteriosklerose – zu einer Verengung oder einem Verschluss der Gefäße führt. Zu den hauptsächlichen Risikofaktoren gehören Rauchen, Diabetes mellitus, Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen. Im Anfangsstadium verläuft eine PAVK in der Regel ohne spürbare Symptome. Im zweiten Stadium der Erkrankung kommt es zu Schmerzen in Gesäß, Waden und Oberschenkeln. Die Fähigkeit der Patienten, längere Wegstrecken an einem Stück zurückzulegen, nimmt zunehmend ab. Zunächst schaffen sie noch mehr, später nur noch weniger als 200 Meter, ohne sich zwischendurch zu erholen. Oft nutzen sie die Gelegenheit, vor irgendeinem Schaufenster stehen zu bleiben, um ihr Verhalten nach außen plausibel erscheinen zu lassen. Aus diesem Grund wird die PAVK auch als Schaufensterkrankheit bezeichnet. In der dritten Phase treten die Schmerzen auch im Ruhezustand auf. Im vierten Stadium kommt es schließlich infolge einer mangelhaften Sauerstoffversorgung zur Zerstörung von Gewebe und zur Bildung von Geschwüren.
Untersuchungsmethoden, die sich zur Diagnostik einer PAVK eignen, sind
• Puls ertasten
• Dopplerdruckmessung
• Ultraschalluntersuchung
• Angiografie
• Magnet-Resonanz-Angiografie
Bei der Therapie der PVAK geht es zunächst vor allem darum, Risikofaktoren auszuschalten, um eine weitere Verengung der Gefäße und die damit verbundene Gefahr, dass eine Amputation notwendig werden könnte, oder das Risiko lebensbedrohlicher Komplikationen wie Schlaganfall oder Herzinfarkt zu verringern. Unbedingt erforderlich ist es, gegebenenfalls das Rauchen aufzugeben oder Übergewicht abzubauen. Darüber hinaus sollte man sich möglichst fettarm und ballaststoffreich ernähren und sich ausreichend bewegen. Empfohlen wird ein kontrolliertes Gehen bis zur Schmerzschwelle. Wenn begleitende Erkrankungen wie Diabetes mellitus, Bluthochdruck oder ein erhöhter Cholesterinspiegel vorliegen, sollten diese so gut wie möglich behandelt werden. In allen Stadien kommt es darauf an, ein weiteres Fortschreiten der Erkrankung durch Medikamente zu verlangsamen, welche das Verklumpen der Blutplättchen hemmen. Dazu gehören beispielsweise Acetylsalicylsäure oder Clopidogrel, aber auch die Wirkstoffgruppe der Prostanoide, die für einen verbesserten Abfluss des Blutes sorgen.
Wenn man auf operativem Wege die Durchblutung in Bereichen wiederherstellt, die vorher eingeengt waren, spricht man von Revaskularisation. Zu den klassischen Verfahren, die hierzu genutzt werden, gehört die Bypass (engl. = Umleitungs)-Operation, bei der Venen aus einer anderen -Körperregion eingesetzt werden, um Gefäßverengungen zu umgehen. Eine weitere Methode ist die sogenannte perkutane transluminale Angioplastie (PTA), bei der die verengte Ader durch einen kleinen Ballon aufgedehnt wird.
Ein verengter Wirbelkanal kann das Gehen beeinträchtigen
Ein Grund dafür, dass das Gehen zunehmend schwerer fällt, kann auch darin bestehen, dass der Wirbelkanal eingeengt ist, also eine Wirbelkanal-stenose oder Spinalstenose vorliegt. Verantwortlich dafür sind meist degenerative Veränderungen an der Wirbelsäule, die in den Etagen zwischen dem dritten und vierten und dem vierten und fünften Lendenwirbel lokalisiert sind. Eine typische Folge einer solchen Verengung ist die sogenannte Claudicatio spinalis. Diese äußert sich darin, dass die Betroffenen bereits nach einer kurzen Gehstrecke unter ziehenden Schmerzen an der Vorder- oder Rückseite der Beine leiden. Entlastung können sie finden, indem sie den Oberkörper vorbeugen oder sich auf einem Einkaufswagen abstützen. Der Verdacht auf eine Wirbelkanalverengung lässt sich mit der Magnet-Resonanz-Tomografie (MRT) überprüfen. Gegebenenfalls werden je nach Ausmaß der Erkrankung Schmerzmedikamente sowie eine gezielte Physiotherapie oder physikalische Therapiemaßnahmen verordnet. Ein Weg, den Schmerzkreislauf gezielt zu unterbrechen, besteht darin, mithilfe von Infiltrationstechniken Schmerz- oder Betäubungsmittel genau am Ort der Schmerzentstehung zu platzieren. In hartnäckigen Fällen bleibt oft kein anderer Ausweg, als den eingeengten Wirbelkanal operativ zu erweitern. Eine solche Dekompression ist heutzutage auch als minimalinvasiver Eingriff möglich.
„Motorische Fatigue“ – eine Begleiterscheinung von MS
Eine Verkürzung der Gehstrecke kann auch im Zusammenhang mit einer neurologischen Erkrankung wie der Multiplen Sklerose (MS) auftreten. Wenn die Patienten beim Gehen nach einer gewissen Zeit anfangen, ein Bein nachzuziehen, mit der Fußspitze hängen bleiben oder schwanken, kann dies ein Hinweis auf eine „motorische Fatigue“ sein, der man gegebenenfalls nachgehen sollte. Die entsprechende Therapie umfasst neben einer medikamentösen Behandlung ein ausgewogenes Ausdauer-, Kraft- und Gleichgewichtstraining. Darüber hinaus sollten es die Betroffenen lernen, sich ihren Tagesablauf ökonomisch einzuteilen, also z. B. ausreichende Pausen einzulegen.
Walter Deburga hat inzwischen einen Arzt aufgesucht. Dieser hat bei ihm eine PAVK in einem relativ frühen Stadium festgestellt. Dass er sich das Rauchen abgewöhnen muss, ist vielleicht die größte Umstellung, die ihm bevorsteht. Um sein Übergewicht zu reduzieren, wird er im Rahmen seiner Möglichkeiten Sport treiben. Sein Arzt hat ihm allerdings Mut gemacht und versichert, dass er seine Erkrankung, wenn er alle therapeutischen Empfehlungen genau befolgt, einigermaßen in den Griff bekommen kann.
Verkürzte Gehstrecken bei Myasthenia gravis und Lambert-Eaton-Myastenie-Syndrom
Zu den neuromuskulären Erkrankungen, die unter anderem auch zu einer raschen Ermüdung beim Gehen führen, gehören neben der Myasthenia gravis das Lambert-Eaton-Myasthenie-Syndrom (LEMS). In beiden Fällen handelt es sich um Autoimmunkrankheiten, die mit einer gestörten Signalübertragung an die Muskeln einhergehen. Nur selten treten sie gemeinsam auf. Während bei der Myasthenia gravis nach einer kurzen Erholung eine Kräftigung eintritt, ist dies beim LEMS nicht der Fall. Die Gehstrecke ist hier zum Teil auf weniger als 100 Meter verkürzt.
von Klaus Bingler
aus ORTHOpress 4/15
Fragen und Antworten
Was ist die sogenannte Schaufensterkrankheit?
Bei der sogenannten Schaufensterkrankheit oder peripheren arteriellen Verschluskrankheit kommt es zu einer Durchblutungsstörung im Bereich der Arme und Beine. Verantwortlich dafür ist ähnlich wie beim Schlaganfall oder dem Aneurysma eine Arteriosklerose.
Wie behandelt man die Schaufensterkrankheit?
Behandeln lässt sich die Schaufensterkrankheit durch Gehtraining, mithilfe von Medikamenten oder auf operativem Wege. Wichtig ist, die arteriellen Verschlüsse so früh wie möglich auszuschalten und Risikofaktoren zu reduizieren.
Was ist Gehtraining?
Ein spezielles, regelmäßiges Gehtraining kann kann dazu beitragen, dass sich die kleinen Gefäße, die das verengte Gefäß umgeben, erweitern. So kann mehr sauerstoffreiches Blut in die Beinmuskulatur transportiert werdem. Auf diese Weise kommt es zur Bildung sogenannter Kollaterale (Umgehungskreisläufe).