Die Diagnose fährt wie ein Blitz vom Himmel: Mammakarzinom. Krachend schlägt sie in der Patientin ein – sie hat Brustkrebs. Die Angst folgt. Angst vor der operativen Entfernung des Tumors, vor dem Verlust der Brust, vor Chemotherapie, vor Strahlenbehandlung, vor körperlicher und seelischer Verstümmelung. Auch die Angst vor dem Verlust der Weiblichkeit kreist im Kopf herum, schließlich gilt die weibliche Brust als das Symbol der Erotik, der Weiblichkeit.
Rettung verspricht hier die Mammaplastik, auch Brustplastik genannt, also die operative Wiederherstellung der natürlichen Form und Größe der weiblichen Brust nach einer Brustamputation. In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Mammaplastik vom grauen Küken zum großen, weißen Schwan in der Brustkrebs-Behandlung entwickelt – auch wenn die Brüste amputiert werden müssen, die Mammaplastik kann die typischen weiblichen Rundungen wiederherstellen. Die unterschiedlichen medizinischen Fachrichtungen wie Chirurgie, Gynäkologie, Radiologie, Nuklearmedizin und Strahlentherapie, internistische Onkologie, Humangenetik und Pathologie arbeiten in Deutschlands Brustzentren zusammen. Für den Brustaufbau existiert eine breite Palette von Verfahren, die von der Verwendung von körpereigenem Gewebe bis zum Einsatz von Fremdimplantaten reichen.
Doch die radikale Brustamputation, die in der medizinischen Fachsprache auch Ablatio mammae, Mammaamputation oder Mastektomie genannt wird, trifft heutzutage nur noch wenige Frauen.
“Noch vor 30 Jahren war die Mammaradikaloperation die Standardtherapie bei Brustkrebs”, sagt Professor Thomas Beck vom Rosenheimer Brustzentrum. Seit Beginn der Achtzigerjahre hätten sich die brusterhaltenden Operationen jedoch auf Siegeszug begeben, weil nachgewiesen wurde, dass das radikale Entfernen der Brust nicht automatisch mit einer guten Heilungschance des Brustkrebses gleichzusetzen sei.
Bei rund 80 Prozent der Brustkrebs-Fälle kann brusterhaltend operiert werden, so die Schätzung von Professor Volker Barth, dem Vorsitzenden der Deutschen Gesellschaft für Senologie (Brustmedizin). Bei dieser großen Gruppe der primären Brustkrebs-Patientinnen werde der bis zu drei Zentimeter große Tumor zusammen mit einem Sicherheitssaum und den unteren Lymphknoten entfernt, ohne dass es einer besonderen mammaplastischen Operation bedürfe, erklärt Professor Barth. “Eine Bestrahlung der operierten Brust, Chemo- oder Hormontherapie gehört unbedingt zu der brusterhaltenden Operation hinzu”, fügt der Esslinger Radiologe an. Der große Vorteil der brusterhaltenden Operationen: Selbstwertgefühl und psychisches Wohlbefinden bleibt den Patientinnen erhalten.
Amputation: Wie geht es weiter?
Problematischer wird das Ganze, wenn das geschädigte Brustgewebe durch eine Mammaplastik ersetzt werden muss. Gerade bei Brustamputationen spielt die Mammaplastik eine wesentliche Rolle: wenn der Tumor im Verhältnis zur Brust sehr groß ist, wenn die gesamte Brustdrüse von Krebs durchsetzt ist, wenn der Brustmuskel betroffen ist, wenn Patientinnen eine Strahlentherapie kategorisch ablehnen oder wenn die Gefahr des Wiederauftretens von Krebs an der Brust sehr hoch ist.
Wie wird nun eine plastisch-ästhetische Rekonstruktion durchgeführt? Der Brustaufbau ist mit körpereigenem Gewebe, mit Prothetik oder mit einer Kombination aus beiden Verfahren möglich. Das kann entweder sofort bei der Brustamputation geschehen oder bei einer nachfolgenden Operation, bis das optimale kosmetische Ergebnis erzielt ist.
Wie gut ist eine solche Rekonstruktion?
Die rekonstruierte Brust lebt mit: Beim Nachbilden der Brust mit körpereigenen Muskeln, meist Bauchmuskeln, wird der so genannte VRAM-Muskellappen aus dem Bauch (vertikaler Rectus-Abdominis-Muskel) oder TRAM-Muskellappen (transversaler Rectus-Abdominis-Muskel) verwendet. Zum Formen der Brust wird auch Haut- und Fettgewebe genommen, das zwischen Nabel und Schambein liegt. Die Vorteile dieser Methode: Es wird kein Fremdmaterial in die neue Brust eingebracht, eine zweite Operation ist nur notwendig, wenn eine Brustwarze wiederhergestellt werden soll, und die Bauchstraffung durch die Verwendung des TRAM-Muskellappens ist oft ein erfreulicher Nebeneffekt. Doch wo Vorteile sind, gibt es auch Nachteile: Nicht nur Narben an der Brust bleiben, sondern auch Narben am Bauch und Nabel, die Operation dauert wie die Erholungsphase relativ lange und auch die Bauchdecke kann an Stabilität verlieren.
Sehr gute kosmetische Ergebnisse werden nach Auskunft von Professor Beck, der pro Jahr rund 120 primäre Brustkrebs-Patientinnen in Rosenheim operiert, auch durch den Brustaufbau mit Implantaten erzielt. Dabei wird ein dehnbares Kissen mit einem Ventil unter den großen Brustmuskel geschoben. Sobald die Amputationswunde verheilt ist, kann das Kissen von außen über das Ventil aufgepumpt werden. Der so genannte Expander dehnt das Gewebe und die Haut – solange, bis das gewünschte Volumen und die gewünschte Brustform erreicht ist. Bei einer zweiten, kleinen Operation wird der Expander gegen eine Prothese, also ein Implantat, ausgetauscht. Diese Implantate sind mit Kochsalz, Hydrogel oder Sojaöl gefüllt.
Warum kein Silikon?
Obwohl Gynäkologe Beck das “moderne” geleeartige Silikon für ein sehr gutes Implantat-Material hält, werde dies in Deutschland fast nie beim Brustaufbau nach Mammakarzinomen verwendet. Silikonimplantate sind jedoch der Standard bei kosmetischen Brustvergrößerungen – die amerikanische Schönheit Pamela Anderson könnte darüber einiges erzählen. Kosmetische Brustvergrößerungen gehören übrigens auch zum weiten Feld der Mammaplastik, wie auch die Mammareduktionsplastik, also das Verkleinern von Brüsten.
Doch nun zu den Vorteilen des Brustaufbaus nach Brustkrebs-Operationen mittels Expandern: Es entstehen keine zusätzlichen Narben am Körper der Patientin, die Methode ist wenig belastend und wird nach Aussagen von Prof. Beck von vielen Operateuren gut beherrscht. Die Nachteile: Oftmals ist eine Straffungsoperation der gesunden Brust nötig, um eine Symmetrie der beiden Brüste zu erzielen. Von der Brustamputation bis zur endgültigen Wiederherstellung vergeht oft ein Jahr und wenn doch eine nachträgliche Bestrahlung nötig ist, kann sich das kosmetische Ergebnis erheblich verschlechtern.
Wie so oft in der plastischen Chirurgie geht es dem Rückenmuskel (Latissimus Dorsi) auch beim kombinierten Brustaufbau-Verfahren an den Kragen. Der Rückenmuskelhautlappen bildet die neue Haut der Brust. Volumen wird durch einen Expander oder eine Prothese gewonnen. Die Vorteile dieser Kombinations-Methode: Kleine, mittelgroße und große Brüste lassen sich rekonstruieren. Der Hautlappen heilt gut ein und das kosmetische Ergebnis gilt als gut. Die Nachteile: Die Operation dauert ebenso lange wie die Rekonstruktionsplastik mit dem Bauchlappen, dennoch muss hier zusätzlich ein Implantat verwendet werden. Auf dem Rücken bleibt eine große Narbe zurück und meist bedarf es einer zweiten Operation, um den Expander zu entfernen und das Implantat einzusetzen.
Trotz all der Möglichkeiten der Behandlung von Brustkrebs, die von Brusterhaltung bis zu mammaplastischen Verfahren reichen, gibt es Frauen, die einen ganz anderen Weg einschlagen. Die in New York und der Schweiz arbeitende Fotografin Vera Isler hat sich auf die Narbenwülste ihrer amputierten Brüste blaue Blumen tätowieren lassen. Großflächig. Ein trotziges Lebenszeichen einer Brustkrebs-Patientin, die sich von dem Blitzeinschlag der Diagnose und den Folgen nicht hat erschlagen lassen.
ORTHOpress 4 | 2001
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