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Rücken

Thermokoagulation gegen Rückenschmerzen

Shot of a physiotherapist examining a senior patient with back pain in her office

Rückenschmerzbekämpfung durch Thermokoagulation 

„Das ist Verschleiß, da kann man nichts machen. Damit müssen Sie leben.“ Immer noch hören schmerzgeplagte Patienten diese Sätze von ihren Ärzten. Andererseits haben manche Patienten aufgrund von Berichten über fehlgeschlagene Bandscheibenoperationen eine panische Furcht vor operativen Eingriffen am Rücken und sie leben lieber mit ihren Schmerzen als sich operieren zu lassen.

Dabei sind Rückenschmerzen heute kein unabänderliches Schicksal mehr, dem man auf Gedeih und Verderb ausgeliefert ist. Es gibt heute für (fast) jeden Schmerz die entsprechende Therapie, mit der zumindest eine deutliche Linderung erreicht werden kann. Die Zeiten allerdings, in denen beinahe alle, die an Veränderungen der Bandscheiben litten, operiert wurden, sind inzwischen wohl endgültig vorbei. Konservative und minimalinvasive Therapien haben den offenen Operationen deutlich den Rang abgelaufen.

„Entscheidend für eine effektive Therapie ist in jedem Fall die exakte Diagnose. Denn längst nicht alle Rückenschmerzen sind durch einen Bandscheibenvorfall oder eine Vorwölbung der Bandscheiben bedingt“, weiß der Münchener Orthopäde Dr. Eckhard Schmidt-Ramsin. In vielen Fällen — an der Halswirbelsäule z.B. in etwa 50 Prozent — liegen den Schmerzen Veränderungen an den kleinen Wirbelgelenken zugrunde, die in der Tat oft durch Verschleiß bedingt sind. Dieses so genannte Facettensyndrom kann entstehen, wenn die Abstände zwischen den Wirbelkörpern verringert sind, wie es z.B. bei Verschleißerscheinungen in den Bandscheiben oder nach einer Bandscheibenoperation der Fall sein kann. Durch die Höhenminderung werden einerseits die Gelenkflächen der kleinen Wirbelgelenke bei jeder Bewegung verstärkt aufeinander gedrückt, andererseits kommt es dadurch auch zu einer Reizung der umliegenden Nervenfasern, die aus dem Rückenmark kommen und von außen für die Versorgung der Wirbelgelenke zuständig sind. Auf Dauer kann das natürlich erhebliche Schmerzen hervorrufen.

Thermokoagulation beendet die Weiterleitung der Schmerzsignale an das Gehirn

„Im Allgemeinen handelt es sich beim Facettensyndrom um gut lokalisierbare, regionale Beschwerden, die anders als bei Reizungen der Nervenwurzel nicht in Arme oder Beine ausstrahlen“, so Dr. Schmidt-Ramsin. Selbst bei diesen ausstrahlenden Schmerzen wird heutzutage — wenn nicht zusätzliche Komplikationen wie etwa Lähmungen aufgetreten sind — nicht mehr sofort operiert. Auch in diesen Fällen stehen zunächst konservative und minimal invasive Therapien wie z.B. die Katheterbehandlung im Vordergrund.

Bei den regionalen Nacken-, Rücken- und Kreuzschmerzen wie dem Facettensyndrom dagegen hat sich seit einigen Jahren die Thermokoagulationstherapie als effektive Behandlungsmethode durchgesetzt, die von Schmerztherapeuten inzwischen regelmäßig eingesetzt wird. „Dabei werden die schmerzleitenden Nerven mit Hilfe einer speziellen Thermosonde verödet, die Schmerzsignale können nicht mehr an das Gehirn weitergeleitet werden, die Schmerzen hören auf“, erklärt Dr. Schmidt-Ramsin das Wirkprinzip der Thermokoagulation. Häufig verspüren die Patienten schon während der Behandlung ein Nachlassen der Schmerzen. Die volle Wirkung ist in der Regel nach zwei bis drei Tagen erreicht.

Bevor bei Patienten die schmerzleitenden Nerven verödet werden, sollte genau geprüft werden, ob so eine Koagulation die Schmerzen wirklich beseitigen kann. Dazu werden die betroffenen Facettengelenke mit einem örtlichen Betäubungsmittel umspritzt. Tritt bei diesem „Blockade“ genannten Test eine Schmerzlinderung ein, spricht vieles dafür, dass auch eine Thermokoagulation bei diesen Patienten zum gewünschten Erfolg führen wird.

Der Eingriff selber erfolgt in der Regel ambulant, unter Lokalanästhesie, wobei der Patient auf dem Bauch liegt. Unter Röntgenkontrolle wird eine spezielle Sonde, die nur etwa 0,2 mm dünn ist, vorsichtig an die schmerzende Stelle herangeführt. Mit einem kurzen Reizstromimpuls kann die korrekte Lage exakt überprüft werden. Die Patienten spüren dabei ein leichtes Muskelzucken oder Kribbeln oder auch den für sie typischen Schmerz. Sie können so die richtige Position der Nadel selber überprüfen. Erst wenn die Spitze ganz genau richtig liegt, wird sie auf etwa 75 Grad Celsius erwärmt. In nur 90 Sekunden wird der Nerv in einem ungefähr erbsengroßen Bereich verödet: Der Schmerz hört auf.

Die neue Schmerzfreiheit kann zum Aufbau der Muskulatur genutzt werden

Die Thermokoagulation dauert insgesamt etwa eine knappe halbe Stunde. Nach einer kurzen Beobachtungsphase können die Patienten wieder nach Hause gehen und ihr normales Tagewerk verrichten. „Die meisten Patienten spüren schon bald eine deutlich verbesserte Beweglichkeit, weil es nicht mehr zu schmerzbedingten Einschränkungen kommt. Dadurch wird die Haltung besser, die Durchblutung nimmt zu und die Muskulatur kann sich merklich entspannen“, erklärt Dr. Schmidt-Ramsin die Auswirkungen der Nervendurchtrennung. „Die oftmals verkümmerte Muskulatur kann nun durch ein gezieltes Rückentraining zusätzlich gestärkt werden. Durch den Stützeffekt erreicht man wiederum eine weitere Schmerzreduktion.“

Die verödeten Schmerznerven erholen sich nach etwa ein bis zwei Jahren und die Nervenenden finden wieder zueinander. Die Schmerzen müssen dann aber nicht zwangsläufig wieder auftreten. Einerseits hat die lange Unterbrechung der Schmerzleitung oftmals einen positiven Einfluss auf das Schmerzgedächtnis, andererseits sind im Idealfall während der Zeit der Beschwerdefreiheit die Ursachen der Schmerzen durch eine im schmerzfreien Zustand möglich gewordene gezielte Therapie beseitigt worden. So ist es nicht außergewöhnlich, wenn nach einer Thermokoagulation die Schmerzen für immer verschwinden. Wenn sie aber dennoch wieder auftreten sollten, kann der Eingriff problemlos wiederholt werden.

Thermokoagulation ist auch für Risikopatienten geeignet

Dr. Schmidt-Ramsin: „Insgesamt ist die Thermokoagulation ein äußerst effektives und nebenwirkungsarmes Verfahren. Da für den Eingriff keine Narkose erforderlich ist und so gut wie keine Verletzungen an Muskeln und Gewebe auftreten, eignet sich die Thermokoagulation auch hervorragend für Menschen mit Vorerkrankungen wie z.B. koronarer Herzkrankheit. Zudem sind keine aufwendigen Nachbehandlungen und Rehabilitationen nötig, um Beweglichkeit und Arbeitsfähigkeit der Patienten wiederherzustellen.“

Alle Beiträge dienen lediglich der Information und ersetzen keinesfalls die Inanspruchnahme eines Arztes*in. Falls nicht anders angegeben, spiegeln sie den Stand zur Zeit der Erstveröffentlichung wider. Die aktuelle Einschätzung des Sachverhalts kann durch Erfahrungszuwachs, allgemeinen Fortschritt und zwischenzeitlich gewonnene Erkenntnisse abweichen.