Moderne Kunstgelenke verhelfen zu Mobilität und Lebensqualität
Neben der Hüft- und Knieendoprothetik erhält auch der Gelenkersatz der Schulter seit einigen Jahren eine immer größere Bedeutung. Das Spektrum der Angebote reicht vom Oberflächenersatz des Oberarmkopfes bis zur inversen Prothese. „Wir können inzwischen jedem Patienten das individuell passende Implantat zur Verfügung stellen“, erklärt Dr. Klaus Eisenbeis, Chefarzt der Abteilung für Orthopädie und Unfallchirurgie mit Zentrum für Schulterchirurgie und Sporttraumatologie an der Asklepios Klinik Seligenstadt.
Herr Dr. Eisenbeis, in welchen Fällen sollte man über ein künstliches Schultergelenk nachdenken?
Dr. Eisenbeis: Genau wie beim Gelenkersatz an Knie oder Hüfte sind in erster Linie Patienten mit einer schweren Arthrose betroffen. Da ihr Gelenkknorpel zunehmend verschleißt, kommt es zu einer vermehrten Reibung, welche ständige Entzündungen und starke Schmerzen hervorruft. Auch wenn es vielleicht eine Zeit lang möglich ist, den Beschwerden mit entzündungshemmenden und schmerzlindernden Mitteln entgegenzuwirken, bleibt in zahlreichen Fällen lediglich ein operativer Gelenkersatz als Ausweg.
Heutzutage gibt es die Option, nur die Gelenkteile zu ersetzen, die tatsächlich verschlissen sind. Können Sie uns erklären, wie das funktioniert?
Dr. Eisenbeis: Ist ausschließlich die Gelenkoberfläche des Oberarmkopfes verschlissen, reicht es aus, eine schaftfreie Humeruskopfprothese einzusetzen. Dazu wird lediglich derjenige Teil des Gelenkkopfes, der arthrotisch verändert ist, abgetragen und durch eine Kalotte ersetzt, unter der sich eine Trägerplatte befindet. Die Bohrung, die dazu erforderlich ist, findet ausschließlich im Kopf-/Halsbereich des Oberarms statt. Es entfällt also die Notwendigkeit, den Markraum des Oberarmknochens zu eröffnen. Während der Operation ist es möglich, die Muskeln einfach zur Seite zu halten. Auf diese Weise wird praktisch kein Weichteilgewebe verletzt, was wiederum eine schnelle Heilung und Rehabilitation fördert. Die Patienten haben daher nach dem Eingriff kaum Schmerzen und sind meist recht schnell wieder fit. Da die vorhandenen Muskel- und Bandstrukturen vollständig erhalten werden, ist es möglich, nahezu alle Sportarten ohne Einschränkungen auszuüben.
Was ist zu tun, wenn sich die Arthrose nicht auf den Oberarmkopf beschränkt und auch die Schulterpfanne ersetzt werden muss?
Dr. Eisenbeis: Moderne Prothesen sind grundsätzlich immer als modulare Systeme konzipiert. Für uns bedeutet das, dass wir je nach Bedarf sofort oder später einen Pfannenersatz hinzunehmen können. Oft ist dies aber trotz sichtbaren Verschleißes an der Schulterpfanne nicht einmal nötig. Denn der große Radius der Schulterkappe sorgt für eine so gleichmäßige Verteilung der Kräfte, dass die Pfanne viel weniger belastet wird als vor der OP. Noch wichtiger ist jedoch, dass der Knochenverlust, der mit dem Einsetzen der Prothese verbunden ist, nur sehr gering ist. So ist später, wenn erforderlich, der Wechsel auf eine klassische Schaftprothese möglich. Die Patienten können sich also darauf einstellen, nicht nur aktuell, sondern sehr lange, häufig das ganze Leben lang, eine optimale prothetische Versorgung bekommen zu können.
Wie ist es bei anderen Erkrankungen, die den Einsatz einer Schulterprothese erforderlich machen?
Dr. Eisenbeis: Immer mehr Menschen leiden an einer fortschreitenden Zerstörung der Rotatorenmanschette. Dabei handelt es sich um eine den Oberarmkopf umschließende Muskelgruppe, die in eine Sehnenplatte übergeht. Diese Sehnen spielen eine entscheidende Rolle für die Beweglichkeit und Kraftentfaltung in der Schulter. Von zentraler Bedeutung ist dabei vor allem die unter dem Schulterdach verlaufende Supraspinatussehne. Als eine Folge altersbedingter Degeneration oder dauernder Überlastungen können die Sehnen immer anfälliger für Verletzungen werden, sodass sie am Ende ein- oder unter Umständen ganz abreißen. Dadurch kommt es zu einem teilweisen oder vollständigen Funktionsverlust des Schultergelenks sowie zu starken Schmerzen. Reißt etwa die Supraspinatussehne, lässt sich der Arm in vielen Fällen nicht mehr kraftvoll anheben und schmerzt stark.
Was ist in solchen Fällen zu tun?
Dr. Eisenbeis: Es gibt seit einigen Jahren eine Methode, mit der wir auch bei einer fast vollständigen Zerstörung der Rotatorenmanschette die Armfunktion erhalten oder wiederherstellen können: die sogenannte inverse oder umgekehrte Prothese, bei der die originale Schulterpfanne von einer Gelenkkugel ersetzt wird. Diese Kugel wird auf der Oberarmseite von einer schlüsselartigen Pfanne umgriffen. Dadurch wird der Gelenkmittelpunkt ein Stück weit nach unten verlagert und der Hebelarm des Deltamuskels entsprechend verlängert. So entsteht der Effekt, dass der Arm allein durch die Kraft des Deltamuskels angehoben und sehr gut und kraftvoll bewegt werden kann. Vor allem älteren Patienten können wir auf diese Weise ihre Lebensqualität und Selbstständigkeit erhalten. Aber auch bei Rheumatikern, bei denen die verschlechterte Knochenqualität den Einsatz einer herkömmlichen Prothese verhindert, kann eine inverse Prothese hilfreich sein.
Unseres Wissens ist es immer noch so, dass Schulterprothesen deutlich seltener eingesetzt werden als Hüft- oder Knieprothesen. Wie lässt sich dies erklären?
Dr. Eisenbeis: In der Regel vergeht leider sehr viel Zeit, bis die Patienten einem erfahrenen Schulterspezialisten vorgestellt werden. Meist werden sie sehr lange konservativ behandelt, und das selbst in einem Krankheitsstadium, in dem die Mehrheit der Hüft- oder Kniepatienten schon lange mit einem Gelenkersatz versorgt worden wäre. Wir sind froh, unseren Patienten in der Asklepios Klinik Seligenstadt eine maßgeschneiderte Therapie anbieten zu können, die auf den neuesten medizinischen Erkenntnissen aufbaut und eine bestmögliche stadiengerechte und individuell zugeschnittene Versorgung gewährleistet.
Herr Dr. Eisenbeis, vielen Dank für dieses Gespräch.
Dr. med. Klaus Eisenbeis
Asklepios Klinik Seligenstadt
Dudenhöfer Straße 9
Tel.: 06182 / 83 - 83 23
k.eisenbeis@asklepios.com
www.asklepios.com/seligenstadt/experten/unfallchirurgie
Fragen und Antworten
Wie lange ist man nach einer Schulterprothese krank?
Bürotätigkeiten können oft nach 6 Wochen wieder aufgenommen werden. Körperliche Arbeit - etwa Handwerksberufe - benötigen meist 6 Monate. Bis zur Sportfähigkeit vergehen auch rund 4 bis 6 Monate.
Wie lange liegt man nach einer Schulter-TEP im Krankenhaus?
Nach der Implantation einer Schulter-Totalendoprothese (TEP) liegt man etwa 10-12 Tage im Krankenhaus.
Wie lange dauert die Reha nach einer Schulterprothese?
Die Reha dauert in der Regel etwa 4 bis 6 Monate. Bei einer prothetischen Versorgung nach einem Unfall kann die Reha auch länger dauern.
Was ist eine inverse Schulter?
Bei der inversen Schulterprothese sind Gelenkkopf und -pfanne vertauscht. Auch bei stark geschädigter Muskulatur kann der Arm mit einer inversen Prothese noch gut angehoben werden.
Wie soll man nach einer Schulter-OP schlafen?
Um ein Schlafen auf der operierten Seite und unkontrollierte Bewegungen zu vermeiden, sollte in den ersten 6 Wochen der Arm in einer Schlinge getragen werden. So kann die Prothese ungestört einheilen und die Muskeln und Sehnen können sich erholen.