Das weit verbreitete Übel Rückenschmerz hat viele Gesichter. Schon von daher versteht sich, warum es gerade in diesem Bereich eine große Zahl chronischer Schmerzpatienten gibt. Denn hier den „Stein der Weisen“ finden zu wollen hieße die Grundtatsache verkennen, dass es angesichts einer Vielzahl von Ursachen und Symptomen nun einmal nicht die Allheilmethode geben kann. Zugleich aber weist diese Problemsituation bereits den Weg, den es zu beschreiten gilt, will man der Volkskrankheit Nummer Eins endlich zu Leibe rücken. Moderne und dabei schonende diagnostische Verfahren und Therapien, die in der Lage sind, die unterschiedlichen Krankheitsbilder auf differenzierte Weise anzugehen, berechtigen immer mehr Patienten in ihrer Hoffnung auf eine individuelle Lösung ihrer Schmerzproblematik.
Als häufige Ursache des Rückenschmerzes kommt eine Bandscheibenvorwölbung oder gar ein Bandscheibenvorfall in Betracht. Andere Erkrankungen resultieren aus Verschleißerscheinungen der kleinen Wirbelkörpergelenke (Facetten) oder einem eingeengten Wirbelkanal, der sog. Spinalkanalstenose. Des Weiteren können aber auch Fehlhaltungen, muskuläre Ungleichgewichte oder auch Beinlängendifferenzen zu zum Teil erheblichen Schmerzereignissen führen.
In der Diagnostik vieler dieser Erkrankungen war man bisher größtenteils auf Röntgen- oder Computertomografieaufnahmen angewiesen. Diese weisen jedoch den großen Nachteil der zum Teil erheblichen Strahlenbelastung auf. Abgesehen von der sehr teuren Kernspintomografie gab es bisher keine strahlenfreie Darstellungsmethode der Wirbelsäule. Und Beinlängendifferenzen oder Fehlhaltungen lagen vor nicht allzu langer Zeit sogar einzig im „Auge“ des Betrachters, d.h. es gab keine exakten diagnostischen Messverfahren, um die häufig für Rückenerkrankungen unterschätzten Abweichungen genau zu erfassen. Das hat sich nun – zumindest in einigen orthopädischen Praxen Deutschlands – geändert. „Mit der Entwicklung des 3-D-Wirbelsäulenvermessers ist es nun möglich geworden, allein durch den Einsatz einer hochauflösenden Kamera und gezielter Lichtprojektion eine Computer-errechnete dreidimensionale Darstellung der Wirbelsäule zu erhalten“, erläutern hierzu die Orthopäden René Conrads, Robert Döhmen und Dr. Georg Schmitt der „Orthopädie am Stadtwald“ in Köln. Das Messverfahren weise dabei eine derart hohe Exaktheit auf, dass beispielsweise bei Kontrolluntersuchungen bei Kindern mit einer Skoliose komplett auf die herkömmlichen Röntgenaufnahmen verzichtet werden kann. Aber auch nahezu sämtliche anderen Fehlhaltungen, muskuläre Ungleichgewichte oder Beinlängendifferenzen, die – wie gesagt – sehr häufig Ursache von jahrelangen Rückenschmerzen sind, können allein mit dieser neuen und völlig schonenden Methode diagnostiziert werden. So können therapeutische Maßnahmen viel genauer und schonender geplant werden.
Und auch in therapeutischer Hinsicht, so die drei Kölner Orthopäden, die auch leitende Ärzte der Orthopädischen Privatklinik Köln/Rhein-Sieg sind, komme es heute auf ein hohes Maß an Innovation mit dem Einsatz modernster Medizin an, will man Rückenschmerzen effizient und zugleich schonend therapieren.
Beim sog. epiduralen Katheterverfahren nach Prof. Racz etwa handele es sich um die wohl schonendste und ungefährlichste Methode, Bandscheibenvorfälle und -vorwölbungen erfolgreich zu behandeln. In lokaler Betäubung wird hierbei über eine kleine Öffnung am Steißbein ein winziger Katheter in den Wirbelkanal eingeführt und bis zur betroffenen Bandscheibe vorgeschoben. Dann werden über zweieinhalb Tage verschiedene Medikamente in den Katheter und damit direkt auf die Bandscheibe gespritzt, so dass sich der Bandscheibenvorfall massiv einschrumpfen lässt. „Dieses Schrumpfungsergebnis ist dauerhaft“, kommentiert Dr. Schmitt das Verfahren, das sich in Deutschland seit einiger Zeit zunehmend durchsetzt. Unbehandelt bleibt dabei, im Gegensatz zu herkömmlichen Bandscheibenoperationen, der Bandscheibenanteil, der notwendigerweise zwischen den Wirbelkörpern der Pufferung dient. Auch das Problem der Narbenbildung nach einem Bandscheibeneingriff ist mit dieser jungen Methode gelöst. „Da kein Messer zum Einsatz kommt“, so Robert Döhmen, „werden auch keine Verletzungen im Wirbelkanal gesetzt, womit kein Narbengewebe entstehen kann“. Nahezu 1000 Patienten wurden bereits erfolgreich mit dieser Methode behandelt.
Die sog. Kryotherapie oder auch Nervenwurzelvereisung stellt mittlerweile eine etablierte Form der Schmerztherapie dar. „In erster Linie können hiervon Patienten profitieren, die an Schmerzen in der Wirbelsäule leiden, welche durch Verschleiß verursacht werden. Aber auch Patienten, die bereits ein- oder mehrfach voroperiert sind und bei denen es trotzdem nicht zur gewünschten Schmerzfreiheit gekommen ist, können durch die Kryotherapie schmerzfrei werden“, erläutert René Conrads das Indikationsspektrum dieser Methode. Hierbei werden diejenigen Anteile der Nervenwurzeln mit einer Sonde punktiert, die für die Schmerzfortleitung verantwortlich sind. Diese werden dann für ca. zwei Minuten auf minus 65 Grad abgekühlt, wodurch sie ihre Funktion einbüßen. Unbehandelt bleibt dabei natürlich der Anteil der Nervenwurzel, der für die Steuerung der Muskulatur oder der Sensibilität zuständig ist. Auch verschlissene Facettengelenke (kleine Wirbelkörpergelenke) könnten mit dieser Methode schonend und ungefährlich vereist und damit langfristig schmerzfrei gemacht werden.
Ein Archivbeitrag* aus ORTHOpress 2 | 2001
*Archivbeiträge spiegeln den Stand zur Zeit der Erstveröffentlichung wieder. Die aktuelle Einschätzung des Sachverhalts kann durch Erfahrungszuwachs, allgemeinen Fortschritt und zwischenzeitlich gewonnene Erkenntnisse abweichen.