
Inhaltsverzeichnis
Die schädlichen Folgen des Bruxismus
Unsere Zähne sind wahre Schwerstarbeiter. Pressen wir sie zusammen, kann der Druck gut und gerne mehrere Hundert Kilo betragen. Selbst feste, zähe Speisen können wir mit ihrer Hilfe problemlos kauen und zermahlen. Aber viele Menschen pressen ihre Zähne auch nachts aufeinander. Mediziner sprechen in diesen Fällen von Bruxismus. Die Auswirkungen betreffen nicht nur die Zähne selbst, sondern auch die Kiefergelenke und unter Umständen sogar die gesamte Körperstatik.
Bruxismus ist weit mehr als eine kuriose Randerscheinung, sondern ein regelrechtes Massenphänomen. Schätzungen gehen davon aus, dass in Deutschland zehn bis dreißig Prozent aller Frauen und Männer davon betroffen sind. Angeblich können manche Zahnärzte diese Menschen bereits auf den ersten Blick an ihren ausgeprägten, hervorstechenden Kaumuskeln erkennen. Aus kieferorthopädischer Sicht ist das Pressen und Knirschen ein Anzeichen dafür, dass die Kiefergelenke nicht so funktionieren, wie sie eigentlich sollten. Grund ist ein fehlerhafter Zusammenbiss (Okklusion) der Kiefer, möglicherweise ausgelöst durch einen vorstehenden Zahn, der dazu führt, dass obere und untere Zahnreihe gegeneinander reiben. Der erhöhte Muskeltonus im Kiefergelenk, der dadurch entsteht, kann sich unter Umständen auf andere Muskelgruppen, zum Beispiel im Schulter- und Nackenbereich, übertragen und im ganzen Körper Dysbalancen hervorrufen. Der medizinische Fachbegriff für dieses Phänomen lautet craniomandibuläre Dysfunktion (CMD). Cranium ist das lateinische Wort für Schädel und mandibulum das für Unterkiefer.
Auch psychische Faktoren spielen bei der Entstehung des Bruxismus in vielen Fällen eine entscheidende Rolle. Dazu gehören
- Depressionen,
- Stress,
- Ärger,
- Anspannungen, die nicht richtig verarbeitet werden können und die der Körper durch Druck auf die Zähne abzubauen versucht.
Die Betroffenen haben im wahrsten Sinne des Wortes an ihren Problemen zu kauen. Vielfach geschieht dies vor allem in der Nacht, ohne dass sie es selbst merken. Manchmal muss erst der Partner sie darauf aufmerksam machen. Einen Einfluss haben wohl auch Kaffee, Nikotin oder Alkohol, da diese sich auf die Ausschüttung der Botenstoffe Dopamin und Adrenalin auswirken. Ähnliches gilt für bestimmte Medikamente. Wie eine Studie nahelegt, können Antidepressiva wie Fluoxetin, Sertralin und Venlafaxin einen gewissen Einfluss auf die Entstehung des Bruxismus ausüben.
Tritt Bruxismus vorwiegend in der Nacht auf, lässt er sich den sogenannten Parasomnien zuordnen. Man versteht darunter Verhaltensauffälligkeiten im Schlaf wie Schlafwandeln, Bettnässen oder nächtliches Sprechen, an die man sich meist nach dem Aufwachen selbst nicht mehr erinnert. Manche Schlafforscher vermuten, dass sich das Hirnareal, das für das Zähneknirschen verantwortlich ist, in der Nähe des sogenannten Traumzentrums befindet. Ob es ein solches Traumzen-trum tatsächlich gibt, ist in der Forschung allerdings umstritten.
Die Folgen für das Gebiss
Wenn Bruxismus längere Zeit andauert, lassen sich die Folgen oft am Gebiss erkennen. Schädigungen reichen von abgeriebenem Zahnschmelz und abgewetzten Zahnkronen über Risse in den Zähnen bis zum Zahnbruch. Besonders typisch ist eine ausgeprägte Kaumuskulatur. Charakteristisch, als Zeichen aber nicht unbedingt eindeutig, sind keilförmige Defekte. Weitergehende Phänomene, die von den Betroffenen selbst häufig gar nicht mit dem Zähnepressen in Verbindung gebracht werden, sind Zahn- und Kieferschmerzen, Kieferknacken oder eine eingeschränkte Kieferöffnung, darüber hinaus Tinnitus und Ohrenschmerzen, Verstimmungen, Niedergeschlagenheit und Schlafstörungen.
Das gängige Instrument ist die Aufbissschiene
Gängigerweise verwendet man zur Therapie des Bruxismus eine Aufbissschiene. Sie dient als Schutzbarriere zwischen Ober- und Unterkiefer und verhindert, dass ein weiterer Abrieb der Zähne stattfindet. Auf diese Weise lassen sich in der Regel aber nur die Beschwerden lindern, ohne dass damit die eigentliche Ursache beseitigt würde. Zur weitergehenden therapeutischen Korrektur lässt sich eine sogenannte Okklusionsschiene verwenden. Auf diese Weise ist es möglich, die Kieferposition so einzustellen, dass sie den Unterkiefer stabilisiert und den Kaumuskel entlastet. Natürlich empfiehlt es sich, darüber hinaus auch den seelischen Ursachen des Bruxismus zu Leibe zu rücken und zu lernen, mit emotionalen Belastungen besser umzugehen. Dabei können Therapieformen wie Yoga, Pilates und die progressive Muskelrelaxation helfen.
Bei kleinen Kindern ist Zähneknirschen etwas völlig Normales
Wenn die ersten Zähnchen sprießen, fangen Babys an, mit den Zähnen zu knirschen. Dies ist bis zum dritten Lebensjahr ein völlig normales Phänomen und im Allgemeinen ohne schädliche Folgen. Der Grund dafür liegt darin, dass sich die Milchzähne ihren Platz im Gebiss noch suchen und die Kauflächen gegeneinander abgeschliffen werden müssen, um einen korrekten Zusammenbiss zwischen Ober- und Unterkiefer zu ermöglichen. So werden die Zähne gewissermaßen eingebissen. Auch dann, wenn die Milchzähne ausfallen und die zweiten Zähne nachwachsen, ist das Reiben und Pressen ein normaler Vorgang. Erst dann, wenn der Bruxismus über diese frühe Phase hinaus anhält und chronisch wird, kann es sich um ein Anzeichen für Unruhe, Unsicherheit und Überforderung handel. Man sollte das Problem in diesem Fall gezielt angehen und unter Umständen eine Psychotherapie des betroffenen Kindes oder auch der Eltern in Erwägung ziehen.
von Klaus Bingler