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Sportmedizin

MINCED CARTILAGE

Portrait

Neuer Gelenkknorpel ohne aufwendiges Anzuchtverfahren

Selbst harmlos erscheinende Sportverletzungen oder Stürze können einen Knorpelschaden nach sich ziehen. Unbehandelt wird dieser schnell immer größer und führt schließlich zu einer flächigen Arthrose. Bis vor wenigen Jahren konnte man nur wenig tun, um diese zu vermeiden. Mit dem neuen Minced Cartilage- Verfahren steht jetzt eine Behandlungsmethode zur Verfügung, die auch die Versorgung größerer Defekte problemlos erlaubt, berichtet Dirk Tenner, Chefarzt Kniechirurgie, Arthroskopie und Sportorthopädie an der ATOS Orthoparc Klinik in Köln-Junkersdorf.

Herr Tenner, warum ist es so wichtig, eine Knorpelverletzung schnell zu behandeln?

Dirk Tenner: Es kommt natürlich immer darauf an, wie die Läsion beschaffen ist. Häufig kommt es jedoch an den Rändern der Läsion bei jeder Bewegung zu einer weiteren Schädigung des Knorpels. So wird immer mehr davon aus der Gelenkoberfläche herausgerissen. Dieser schleichende Prozess wird oft nicht bemerkt, bis die Schmerzen schließlich überhandnehmen. Deshalb sollte man immer versuchen, die Oberfläche nach Möglichkeit zu reparieren.

Heilen auch kleinere Knorpelschäden niemals von selbst?

Dirk Tenner: Die Regenerationsfähigkeit des hyalinen Knorpels, mit dem unsere Gelenke überzogen sind, ist sehr begrenzt. Spätestens mit dem Abschluss der Pubertät ist der Knorpel nicht mehr durchblutet und damit ein Nachwachsen in der ursprünglichen Form eigentlich unmöglich. Während also im Kindesalter eine Verletzung im Idealfall noch ausheilen kann, bleibt der Schaden schon bei Jugendlichen bestehen und wird unbehandelt immer größer.

Welche Möglichkeiten gibt es heute, damit die Gelenkzerstörung nicht fortschreitet?

Dirk Tenner: Schon seit vielen Jahren versucht man, durch ein „Anfrischen“ der beschädigten Gelenkoberfläche eine Art Reparaturprozess in Gang zu setzen. Bei diesem „Pridie-Bohrung“ genannten Verfahren werden kleine Bohrungen bis hinein in die blutführenden Schichten des Knochens vorgenommen. Mit dem Blut treten dann – so die Theorie – Wachstumsfaktoren an die Oberfläche, welche innerhalb einiger Wochen zur Bildung eines knorpeligen Narbengewebes führen sollen. Mitunter wird die so geschaffene Wunde auch mit einem Vlies abgedeckt, welches den einwachsenden Zellen als Gerüst dienen soll. Der Erfolg einer solchen Maßnahme ist jedoch grundsätzlich ungewiss. Es ist auch nicht möglich, darauf nachher noch Einfluss zu nehmen. Aber selbst wenn ein Ersatzgewebe entsteht, so erreicht dieses nicht die Qualität des ursprünglich vorhandenen Knorpels.

Darüber hinaus gibt es ja auch Verfahren, mit denen Knorpel angezüchtet werden kann. Wird damit nicht der frühere Zustand wiederhergestellt?

Dirk Tenner: Die sogenannte Autologe Chondrozyten-Transplantation (ACT) wird seit fast zwei Jahrzehnten durchgeführt. Das Verfahren hat jedoch auch Nachteile. Zum einen sind immer zwei Eingriffe notwendig, da ja der zur Anzucht benötigte Knorpel zunächst entnommen werden muss, bevor er kultiviert und in einem weiteren Eingriff in den Defekt eingepflanzt werden kann. Zum anderen erhält man durch die Kultivierung außerhalb des Körpers leider keine Knorpelzellen, die in ihrer Beschaffenheit identisch mit den entnommenen sind. Dies liegt daran, dass es unweigerlich zu einem Alterungsprozess der Zellen kommt. Dieser ist eine direkte Folge der Anzüchtung, denn eine Teilung der Knorpelzellen ist ja nach der Pubertät nicht mehr vorgesehen. Auch bleibt der Zelltyp nicht erhalten, da sich die solchermaßen gewonnenen Knorpelzellen bindegewebig ausdifferenzieren. Ob daher nach der Rückverpflanzung wirklich wieder durchgängig Knorpelgewebe entsteht, ist nicht bewiesen.

Das Minced-Cartilage-Verfahren besitzt diese Nachteile nicht. Was ist das Besondere daran?

Dirk Tenner: Bei dieser Methode wird auch Knorpel von einer unbelasteten Stelle entnommen – also etwa bei einem Knorpelschaden im Knie von einer Stelle an der hinteren Oberschenkelrolle –, aber dieser wird sofort in winzige Stücke zerschnitten und im gleichen Eingriff in den Defekt eingesetzt. So erhalten wir die knorpeleigene Matrix, also gewissermaßen den 3D-Aufbau, der sich nur gemäß dem Verlauf der Kraftvektoren bilden kann. Die Masse lässt sich sehr gut in den Defekt hineinmodellieren, was uns die Möglichkeit gibt, die Oberfläche von Anfang an sehr gut nachzubilden. Zusätzlich regen wir das Wachstum mit der Gabe von plättchenreichem Plasma (PRP) an. Auf diese Art und Weise können wir heute Knorpelschäden bis zu einer Größe von 2 Quadratzentimetern decken, sofern die Läsion nicht bei beiden Gelenkpartnern vorliegt (sog. kissing lesions) und der Defekt so begrenzt ist, dass der Knorpel nicht zu einer Seite austreten kann. Auch das Alter der Patienten spielt fast keine Rolle – auch einen aktiven 60-jährigen Patienten können wir meist problemlos versorgen, sodass wir in vielen Fällen den Einsatz einer Endoprothese vermeiden oder zumindest um Jahre hinauszögern können.

Wie lange dauert es, bis wieder belastbarer Knorpel entstanden ist? Gibt es eine spezielle Nachbehandlung?

Dirk Tenner: Das Gelenk muss etwa sechs Wochen lang entlastet werden, benötigt aber dennoch Bewegung. Ein solcherart versorgtes Kniegelenk muss daher zweibis dreimal am Tag etwa eine Stunde lang mit einer Motorschiene passiv durchbewegt werden. Nach sechs Monaten ist in der Regel die volle Sportfähigkeit wieder gegeben, wenig belastende Sportarten wie Fahrradfahren oder Schwimmen können auch früher wieder aufgenommen werden. Insgesamt liegt die Erfolgsquote des Verfahrens bei etwa 80-90 Prozent.

Dirk Tenner
Chefarzt Kniechirurgie,
Arthroskopie und Sportorthopädie
Tel.: 0221 / 48 49 05 – 0
service-opk@atos.de
www.atos-kliniken.de