Unser Schultergelenk besteht aus einem im Vergleich zur kleinen Gelenkspfanne relativ großen Oberarmkopf, zahlreichen Bändern, Sehnen und kräftiger Muskulatur. Dies ermöglicht uns einen großen Bewegungsradius mit viel Kraft. Für die seitlichen und drehenden Bewegungen des Armes ist eine spezielle Muskelgruppe verantwortlich, welche den Oberarmkopf wie eine Manschette umschließt: Sie wird daher ‚Rotatorenmanschette’ genannt. Nach oben hin ist diese durch einen Schleimbeutel vom knöchernen Schulterdach getrennt. Bei den meisten Menschen funktioniert diese komplizierte Konstruktion auch reibungslos. Verschiedene Ursachen können jedoch dazu führen, dass der Platz für Muskeln und Sehnen unter dem Schulterdach einmal nicht mehr ausreicht – man spricht dann von einem ‚Impingement-Syndrom’. Über diese Erkankung, welche zwischen fünf und acht Prozent der Menschen irgendwann in ihrem Leben einmal quält, sprach Orthopress mit dem Orthopäden Dr. Stefan Preis von der Kölner Klinik am Ring.
Herr Dr. Preis, wie entsteht ein ‚Impingement’?
Der Begriff ‚Impingement’ ist im Grunde ein Sammelbegriff. Entstehen kann dieser extrem schmerzhafte Zustand durch eine Vielzahl von Erkrankungen und Verletzungsfolgen, die eine Einengung des Subacromialraums auslösen. Häufig sind dies chronische Überlastungen des Schultergelenkes, zum Beispiel bei Tennis- oder Squashspielern. Wie auch bei einigen anderen Sportarten kommen hier zwei Drittel der Schulterbewegung aus dem Glenohumeralgelenk (der sogenannten Kugel) heraus, und ein Drittel aus dem Scapulo-Thorakal-Gelenk (das ist die Verbindung des Schulterblattes mit dem Brustkorb). Die falsche oder zu starke Belastung der Muskeln in diesem Bereich kann dann zu chronischen Entzündungen im Schulterbereich führen, welche ein Impingement-Syndrom verursachen. Aber auch allgemeine Grunderkrankungen und verletzungsbedingte Vorschäden können auslösend sein.
Durch welche Beschwerden macht sich die Erkrankung bemerkbar?
Anzeichen dafür sind starke, zunächst belastungsabhängige Schmerzen, vor allem bei Tätigkeiten, bei denen die Arme über die Horizontalebene hinaus angehoben werden. Später klingen die Beschwerden dann auch in Ruhe nicht mehr ab: Das ist dann der Moment, wo wir Ärzte den Patienten sehen – spätestens dann, wenn der Nachtschlaf immer stärker beeinträchtigt wird.
Wie erfolgt die Diagnose?
Zur Abklärung der Ursachen kommen Ultraschall, Röntgenuntersuchung oder auch eine Kernspintomografie zur Anwendung. Wichtig ist, Probleme ganz anderer Art auszuschließen, ausstrahlende Schmerzen zum Beispiel, die auf ein Problem mit der Halswirbelsäule oder auch auf eine Herz/Kreislauferkrankung hinweisen könnten.
Muß ein Impingement immer operiert werden?
Wenn eine konservative Therapie, d.h. eine kurze Ruhigstellung, oder auch die Gabe von leichteren Schmerzmitteln wie z. B. Aspirin oder Paracetamol nicht mehr erfolgversprechend ist, muss die Schulterenge operativ beseitigt werden. Aufgrund der zu befürchtenden Immobilisierung ist es besonders beim Schultergelenk übrigens nicht ratsam, eine Ruhigstellung für einen längeren Zeitraum vorzunehmen, selbst wenn die Schmerzen dadurch nachlassen sollten.
Wenn ein Eingriff notwendig ist: Wie wird operiert?
Heutzutage erfolgt die Operation minimalinvasiv, das heißt arthroskopisch. Dabei wird zunächst der Schleimbeutel ausgeräumt, und dann die Unterfläche des knöchernen Schulterdaches mit einer kleinen Fräse um etwa 5 mm abgeschliffen. So wird der Raum des Schleimbeutels deutlich aufgeweitet. Gleichzeitig können innerhalb des gleichen Eingriffs noch, falls nötig, Knochensporne des Schulterdaches abgetragen werden.
Wie lange dauert die Operation, und wann darf der Patient die Schulter wieder voll bewegen?
Da beim arthroskopischen Vorgehen die sonst übliche Ablösung des grossen Schultermuskels nicht notwendig ist, kann der Patient vom ersten Tag nach der Operation an seine Schulter wieder voll bewegen. Stabilität und Funktionalität des Gelenkes sind in der Regel nach der nur etwa 20 Minuten dauernden Operation nicht beeinträchtigt. Insgesamt ist die Belastung des Patienten verglichen mit den früher üblichen ‚offenen’ Operationen gering, und neben einem erheblich reduzierten Wundschmerz nach dem Eingriff ist auch das Risiko auftretender Infektionen deutlich vermindert.
Herr Dr. Preis, herzlichen Dank für das Gespräch!
aus ORTHOpress 2 | 2002
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