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Rücken

Hilfe bei muskelbedingten Schmerzen im unteren Rücken

atos orthoparc dr christopoulos rz

Rückenschmerzen sind eines der bekanntesten Leiden der Deutschen. Doch häufig stecken gar keine schwerwiegenden Ereignisse wie ein Bandscheibenvorfall, eine Spinalkanalstenose oder Gleitwirbel hinter den enormen Schmerzen im unteren Rücken, sondern es handelt sich um ein muskuläres Problem. Die Schwierigkeit liegt aber in der Diagnose dieses Leidens, weiß Dr. med. Charilaos Christopoulos, Chefarzt der Wirbelsäulenchirurgie an der ATOS Orthoparc Klinik in Köln. Häufig sind die MRT- und CT-Bilder der Betroffenen unauffällig. Bei derartigen Krankheitsbildern verwendet der Neurochirurg und erfahrene Wirbelsäulenspezialist ReActiv8, ein System, mit dem verkümmerte Muskeln aktiviert und trainiert werden.

Herr Dr. Christopoulos, welche muskulären Ursachen können Schmerzen im unteren Rücken haben, und wie gehen Sie in der Diagnostik vor?

Dr. Christopoulos: Schmerzen im Rücken können vielfältige Ursachen haben, aber uns sind in der Diagnostik immer öfter Menschen aufgefallen, die laut MRT-Bild keine klassischen Diagnosen wie Spinalkanalstenosen oder einen Bandscheibenvorfall aufwiesen, aber dennoch Schmerzen hatten. Früher hat man hier von „unspezifischen Rückenschmerzen“ gesprochen. Also haben wir uns die Muskulatur genauer angesehen. Gerade im lumbalen Bereich, also dem unteren Rücken, war sie bei vielen Betroffenen verfettet und daher scheinbar nicht stark genug, den Körper bei Bewegungen zu stützen. Dies wäre dann doch eine spezifische Ursache. Es gibt verschiedene Tests, mit denen man feststellen kann, ob diese Muskulatur verantwortlich ist und damit der Einsatz des ReActiv8 sinnvoll wäre. Den Musculus Multifidus, einen direkt an der Wirbelsäule liegenden Rückenmuskel, kann man beispielsweise testen, indem sich der Patient mit gestrecktem Oberkörper auf eine Liege legt und leicht nach vorne beugt. Ich teste mit ihm jedes Wirbelsegment auf axiale Schmerzen. Dann soll der Patient die Beine anheben, was die Rückenmuskulatur aktiviert, und ich wiederhole diesen sogenannten Prone-Test. Verringert sich der Schmerz durch die Aktivierung der Muskulatur, ist das eine Indikation für den Einsatz des ReActiv8.

Was genau ist der Musculus Multifidus, und wie kann er stimuliert werden?

Dr. Christopoulos: Wie der Name schon sagt, hat der Multifidus mehrere Muskelansätze, verbindet also mehrere Segmente miteinander und ist für die Stabilität und Statik der Wirbelsäule sehr wichtig. Da es sich um einen sehr tief liegenden Muskel handelt, ist er, im Gegensatz zu den oberflächlichen Muskelschichten, nicht über reguläres Training aktivierbar. Aber er kann über einen gezielten elektrischen Nervenreiz aktiviert werden, wodurch der Muskel kontrahiert, trainiert und sukzessive an Kraft zunimmt. Ist die Muskelschwäche die Ursache, lässt der Schmerz im Rücken einige Monate nach Beginn der Behandlung deutlich nach. Für die Aktivierung nutzen wir das relativ neue ReActiv8, ein Verfahren, das in Deutschland erstmals 2017 genutzt wurde.

Wie funktioniert ReActiv8, und für welche Krankheitsbilder ist es geeignet?

Dr. Christopoulos: Initial wurde das System erfunden, weil es viele Menschen gibt, die keine pathologischen, also sichtbaren krankhaften Veränderungen im Rücken hatten, aber dennoch unter lang anhaltenden Schmerzen litten. Das betrifft besonders jüngere Patienten bis zu 60 Jahren mit eher unauffälliger Bildgebung, die konservativ austherapiert sind. Sie haben meist direkt im Rücken lokalisierte breitflächige Schmerzen, insbesondere beim Wechsel der Position (zum Beispiel vom Liegen ins Sitzen oder Stehen), die nicht radikulär sind, also nicht in die Beine ausstrahlen. Mit ReActiv8 werden die Nervenäste, die den Musculus Multifidus steuern, in einem minimalinvasiven Eingriff mittels Elektroden punktiert. Anschließend werden diese Elektroden mit dem Impulsgeber verbunden, das ganze System wird unter der Haut implantiert. Von außen können wir den Impulsgeber dann magnetisch aktivieren. Zweimal täglich für etwa 30 Minuten wird der tief liegende Muskel trainiert.

Wie läuft die Implantation des ReActiv8-Systems ab?

Dr. Christopoulos: Ich führe den Eingriff zur Implantation der Elektroden immer in Vollnarkose durch, er ist nach etwa 30 – 40 Minuten abgeschlossen, die Vor- und Nachbereitung nicht eingerechnet. Die Elektroden und eine ca. zehn Jahre haltende Batterie verbleiben nach dem Eingriff übrigens im Körper, sodass eine zweite Operation für die Entfernung nicht nötig ist. Durch die regelmäßige Stimulation des Nervs gewinnt der Muskel an Kraft und kann seine ursprüngliche Aufgabe, die Stabilisierung der Wirbelsäule, wieder erfüllen. Wenn wir ca. zwei Jahre nach der Implantation ein MRT-Bild der Lendenwirbelsäule machen würden, würden die meisten denken, dass jetzt nur noch Muskel und kein verfettetes Gewebe mehr da sein müsste. Dem ist aber nicht so: Einmal verfettetes, also kaputtes Gewebe regeneriert sich nicht, aber die noch übrigen Muskelzellen werden mit ReActiv8 stärker. Das MRT-Bild nach der Behandlung mag noch genauso aussehen wie vor dem Eingriff, doch die Betroffenen haben keine Schmerzen mehr: Damit ist das Ziel erreicht.

Wie sind die Erfolgsaussichten mit ReActiv8?

Dr. Christopoulos: Ich habe mich bereits auf vielen Kongressen mit dem System beschäftigt und setze es jetzt seit etwa einem Jahr ein. Erfahrenere Kollegen im Ausland (USA) benutzen es schon etwas länger und teilweise auch bei Patienten mit Wirbelgleiten oder Ähnlichem. Man wird mutiger, wenn man sieht, dass man den Menschen mit der Neurostimulation helfen kann. Ein halbes Jahr nach der OP berichten über 80 Prozent der Patienten von einer Besserung ihrer Schmerzen. Auf der analogen Schmerzskala von 0 (kein Schmerz) bis 10 (stärkster vorstellbarer Schmerz) kommen manche von einer 10 auf eine 5, andere sogar von einer 10 auf eine 2. Die meisten können in der Folge ihre Schmerzmedikamente erheblich reduzieren oder sogar ganz absetzen.

Wann sollte die Behandlung der Rückenschmerzen erfolgen?

Dr. Christopoulos: Meiner Meinung nach sollte man gerade bei Menschen, die schon seit Jahren ohne Pathologienachweis im MRT Schmerzen haben, aktiv werden und das System implantieren, um Spätfolgen zu vermeiden. Mit anderen Worten: Manche Instabilitäten könnten von einer Schwäche des Musculus Multifidus, die nicht bekannt war bzw. nicht diagnostiziert wurde, herrühren. Wenn das System eine breitere Anwendung findet, könnten Schädigungen an der Wirbelsäule mit komplizierten Eingriffen gegebenenfalls vermieden werden. Hochwertige Studien werden uns das in der Zukunft zeigen.

Dr. med. Charilaos Christopoulos,
Chefarzt Wirbelsäulenchirurgie

ATOS Orthoparc Klinik GmbH
Aachener Straße 1021 B
50858 Köln

Tel.: 0221 / 48 49 05 - 0
Fax: 0221 / 48 49 05 - 90

charilaos.christopoulos@atos.de
www.atos-kliniken.com