Die verkalkte Schulter und ihre Behandlung
Aus gutem Grund entkalken gewiefte Hausfrauen und -männer ab und an ihre Kaffeemaschinen. – Doch wie verhält es sich mit der Einlagerung des Calciumoxids im menschlichen Körper? Relativ „populär” sind hier die Arteriosklerose und vor allem Verkalkungen an Herzkranzgefäßen sowie Schlagadern, die zu Herzinfarkt bzw. Schlaganfall führen können. Kalk – und das ist weniger geläufig – spielt aber auch eine zentrale Rolle im Bereich der vielfältigen Erkrankungen des Schultergelenks. In der nunmehr vierten Folge unserer Reihe „Schultersprechstunde” gibt der Schulterexperte und Orthopäde Dr. Stefan Preis von der Kölner Klinik am Ring daher heute Auskunft zu den zentralen Aspekten dieses Krankheitsbildes.
Herr Dr. Preis, gleich zu Anfang gefragt: Droht uns im Alter nun auch eine Verkalkung der Schulter?
Die Verkalkung in der Schulter bzw. der Supraspinatussehne hat nichts mit den bekannten Kalzifizierungen zu tun und ist unabhängig vom Alterungsprozess zu sehen. Sie tritt meist im mittleren Erwachsenenalter auf, bei Männern wie Frauen gleichermaßen.
Und wodurch wird sie hervorgerufen?
Durch Minderversorgung mit Blut in einem kritischen Bereich der Sehne, wo zwei unterschiedliche Gefäßnetze für die Versorgung zuständig sind. Sofern diese – anlagebedingt – nicht derart überlappen, dass eine gleichmäßige Blutversorgung erfolgt, fallen hier Kalziumsalze aus und bilden die Kalkschulter.
Wie äußert sich eine solche Erkrankung?
Ab einer gewissen Größe und in einer bestimmten Position bereiten die Verkalkungen dann Symptome, d.h. Schmerzen bei bestimmten Bewegungen durch den Druck des Kalkdepots bis hin zu nächtlichen Ruheschmerzen und u.U. einer chronischen Entzündung des Schleimbeutels.
Auf welche Weise stellt der Arzt die Erkrankung fest?
Die Diagnostik umfasst Anamnese, klinische Untersuchung sowie apparative Untersuchungen, d.h. zunächst Ultraschall und – bei bestehendem Verdacht auf eine Verkalkung – eine spezielle Röntgenuntersuchung. – Die Therapie orientiert sich an der Intensität der Beschwerden. Anfangs kommen sanfte Therapiemaßnahmen zum Einsatz, also Eis- und Salbenbehandlung, bei Bedarf antiphlogistische, d.h. entzündungshemmende Mittel. Bei höherem Leidensdruck sind u.U. lokale Injektionen angezeigt sowie begleitende Elektrotheapie oder Ultraschalltherapie zur Stimulierung des Stoffwechsels, was im günstigen Fall dazu beitragen kann, dass sich die Verkalkungen von selbst abbauen. – In manchen Fällen limitiert sich die Erkrankung von selbst: Wenn das Kalkdepot dem Druck nicht mehr standhält, sich die Kalziumsalze in den Schleimbeutel ergießen, kommt es nämlich im Rahmen des Entzündungsprozesses zur vollständigen Absorption der Verkalkung. In einem solchen Fall helfen wir den heftig schmerzgeplagten Patienten ebenfalls auf symptomatische Weise.
Wenn nun ein Patient auf die genannten konservativen Maßnahmen nicht adäquat anspricht?
Dann besteht die Möglichkeit zu einer operativen Therapie. Früher hat man solche Verkalkungen ausschließlich offen entfernt, heute gehen wir arthroskopisch vor – mit den bekannten Vorteilen für den Patienten. Zwei Vorgehensweisen müssen dabei unterschieden werden: Bei Verkalkungen, die eine cremige, „zahnpastaartige” Konsistenz haben, kann man die Rotatorenmanschette schlitzen und das Depot vollständig ausdrücken und absaugen. Verkalkungen mit kristallinem Charakter, die wie ein Zuckerguss in der Sehne liegen, benötigen dagegen mehr Zeit zum Abbau, der intraoperativ dadurch angeregt wird, dass das Depot „geneedelt” wird: Kleinste Verletzungen werden gesetzt und dadurch Reparationsprozesse initiiert, Blutgefäße sprossen ein und im Rahmen der vermehrten Blutversorgung wird die Verkalkung in einem mehrere Wochen andauernden Prozess resorbiert.
Das bedarf dann sicher einer längeren Ruhigstellung der Schulter?
Nein, in beiden Fällen setzt man in der Nachbehandlung auf Frühmobilisation. Denn schließlich dienen diese Maßnahmen dem Zweck, dass der Patient seine Schulter wieder möglichst schmerzfrei bewegen kann.
Herr Dr. Preis, vielen Dank für Ihre Ausführungen!
Ein Archivbeitrag* aus ORTHOpress 2 | 2000
*Archivbeiträge spiegeln den Stand zur Zeit der Erstveröffentlichung wieder. Die aktuelle Einschätzung des Sachverhalts kann durch Erfahrungszuwachs, allgemeinen Fortschritt und zwischenzeitlich gewonnene Erkenntnisse abweichen.