Search
0
Anzeige
Fuß- & Sprunggelenk

Füße mit Verstand behandeln

Mann nach Fußoperation

Die moderne Fußchirurgie – eine aktuelle Standortbestimmung

Gerade in der heutigen Zeit, in welcher sowohl im Beruf als auch im Alltag großer Wert gelegt wird auf Mobilität, Aktivität und darauf, dass jemand bei der Bewältigung der anstehenden Aufgaben „mit beiden Beinen fest auf der Erde steht“, sind gesunde und belastbare Füße besonders wichtig. – Aktuelle Untersuchungen zeigen jedoch, dass es in Deutschland, Land der Autofahrer und Reisenden, schlecht um unser wichtigstes Fortbewegungsmittel steht. Jeder Zweite erleidet im Verlauf seines Lebens eine Fußerkrankung und jeder Dritte entwickelt eine Fußfehlstellung; am häufigsten sind Knick-, Senk-, Spreizfüße und Zehendeformitäten. Diese Fußdeformitäten haben eine beträchtliche funktionelle Bedeutung, nicht nur für den Fuß selbst, sondern für den gesamten Bewegungsapparat; deshalb kommt der Fußchirurgie hier auch ein großer Stellenwert zu.

„In meiner orthopädischen Praxis stellen sich überwiegend Patienten mit Beschwerden an Händen und Füßen vor“, so Dr. J.-C. Gellrich. „Die Fußprobleme sind oft Folge von Überlastungen, z.B. durch langes Laufen und Stehen auf harten Böden, oder kommen vom Tragen nicht fußgerechter Schuhe“, fährt der Stuttgarter Orthopäde fort. Diese Art von Beschwerden würden in der Regel nach einer Ruhephase bzw. dem Ausziehen der schmerzenden Schuhe abklingen.
Halten jedoch die Schmerzen übermäßig lang an bzw. kehren sie immer wieder, sollten die Füße einem Spe­zia­listen gezeigt werden. Bei diesen Beschwerden kann es sich auch um Symptome für eine Vielzahl verschiedener Krankheiten handeln, wie u.a. Zuckerkrankheit, Nerven­schädigungen, Durchblutungsstörungen, Gelenk­erkrankungen und Hautkrankheiten. Überwiegend sind Fußdeformitäten und Gelenkerkrankungen für die zudem meist belastungsabhängig auftretenden Fußbeschwerden verantwortlich.

„Glücklicherweise kann den meisten Fußproblemen mittels so genannter konservativer Behandlungsmaßnahmen (Verbände, Einlagen, Schuh­­zurichtungen, Physiotherapie, ggf. Injektionen) geholfen werden – vorausgesetzt, sie stellen sich rechtzeitig in der Sprechstunde vor“, sagt Dr. Gellrich mit Nachdruck. „Mit großem Erstaunen stelle ich immer wieder fest, dass die meisten Patienten im Allgemeinen sehr wenig über ihre Füße wissen. Hinzu kommt die Tatsache, dass der behandelnde Arzt die Füße seiner Patienten in über 50% der Fälle noch nie gesehen hat.“ Wenn sich die Patienten schließlich einem Spezialisten vorstellen, sind die Fehlstellungen am Fuß bzw. an den Zehen dann oft so weit fortgeschritten, dass nicht einmal mehr normale Konfektionsschuhe getragen werden können bzw. die Schmerzen an den Füßen nicht mehr auszuhalten sind und Druckschäden an der Haut entstehen.
Wird eine Fußerkrankung bzw. -deformität einem Spezialisten vorgestellt, dann erfolgt nach eingehender Befragung und Untersuchung, ggf. Veranlassung weiterer diagnostischer Maßnahmen, die Einleitung einer Behandlung. „Mittels neuer Untersuchungsmethoden, hier insbesondere der Kernspin- und Computertomografie sowie spezieller Lauf- und Ganganalysen, lassen sich die Fußbeschwerden heute zunehmend besser differenzieren und die Pathomechanismen klären“, erläutert Dr. Gellrich. Anhand der erhobenen Befunde wird mit dem Patienten gemeinsam entschieden, welche individuelle Behandlungsmaßnahme und ob u.U. eine Operation im vorliegenden Fall angezeigt ist.
Nicht selten stellen sich in der Praxis von Dr. Gellrich Patienten, bei denen vor Jahren eine Operation am Fuß durchgeführt wurde, mit neuerlichen Beschwerden vor. Der Grund für die erneuten Fußprobleme: Noch zu Beginn der Neunzigerjahre wurden Beschwerden und Fehlstellungen an den Zehen mit Hilfe einer teilweisen Resektion des betroffenen Gelenkes operativ versorgt. Dies führt zwangsläufig zur Instabilität des Gelenks und nicht belastungsfähigen Zehen, die aber für das Abrollen des Fußes unerlässlich sind. Hinzu kommt, dass mit dieser Methode nicht den unterschiedlichen Ursachen von Fehlstellungen und den jeweiligen pathologischen Veränderungen Rechnung getragen werden konnte, so dass sowohl Patienten als auch Operateure mit den Operationsergebnissen nicht zufrieden gewesen seien. Entsprechende Nachoperationen hätten das bestehende Problem häufig noch vergrößert.

„Dem Fußchirurgen stehen heute eine Vielzahl unterschiedlicher Operationsverfahren bei ein und derselben Fußerkrankung zur Verfügung, so sind beispielsweise allein für die Behandlung des Hallux valgus mehr als 50 verschiedene Techniken bekannt“, erörtert Dr. Gellrich. „Dank neuer Instrumentarien und schonender bzw. standardisierter Operationstechniken, wie wir sie aus der Handchirurgie kennen, sowie eines intensiven Erfahrungsaustauschs auf internationaler Ebene sind die heutigen Ergebnisse von Fußoperationen wesentlich erfolgreicher geworden.“
Bei Erwachsenen wird heute die Fehlstellung in der Regel am Knochen, unter Erhaltung des betroffenen Gelenks, korrigiert, während bei Jugendlichen und Kindern oft Weichteileingriffe an Sehnen, Bändern und Gelenkkapseln allein ausreichend sind. Bei fortgeschrittenen Gelenkfehlstellungen (Luxationen) empfehle es sich, insbesondere an den Zehen eine Versteifung des zerstörten Gelenkes durchzuführen, um derart eine sichere Gelenkstabilität auf Dauer zu gewährleisten. Das Korrekturergebnis ist in der Regel unmittelbar nach der Operation übungsstabil, teilweise wird sogar eine Belastungsstabilität erreicht, wodurch eine frühe Nachbehandlung und Mobilität der Patienten möglich werden. Längere Ruhigstellungen des Fußes in Gips- bzw. Schienenverbänden sind heute nicht mehr notwendig. „Meine Patienten können daher meist unmittelbar nach der Operation den Fuß mit einem speziellen Verbandschuh wieder belasten“, berichtet Dr. Gellrich.

Während Sehnenverletzungen bis auf einige Ausnahmen bei der Achillessehne generell operativ versorgt werden sollten, lassen sich Bandrupturen in der Regel konservativ behandeln. Allerdings ist bei Bandverletzungen, die nicht konsequent ausgeheilt, mehrfach aufgetreten sind oder – wie dies leider häufig vorkommt – übersehen wurden, eine operative Rekonstruktion erforderlich, um Folgeschäden an den Gelenken (hier meist Knorpelschäden) zu vermeiden, welche durch die verletzungsbedingte Instabilität auf Dauer hervorgerufen werden können. „Die exakte anatomische Wiederherstellung der verletzten Bandstrukturen ist hierbei primäre Operationsmethode, da dadurch die größte Stabilität und das beste funktionelle Ergebnis erreicht ist“, so Dr. Gellrich.
Bei entsprechender Operationsindikation favorisiert Dr. Gellrich dabei grundsätzlich die minimalinvasiven arthroskopischen Gelenkeingriffe in seiner täglich praktizierten Fußchir­urgie, weil sie den herkömmlichen offenen Operationsverfahren häufig überlegen seien und weniger Operationsrisiken bzw. Komplikationen bergen.

Dr. Gellrich resümiert die jüngsten Entwicklungen: „Erfreulicherweise tritt der Fuß in der heutigen Medizin immer mehr aus seinem Schattendasein, welches er in den vergangenen Jahren in Deutschland noch geführt hat und das im krassen Missverhältnis zu der Bedeutung steht, die der behinderte Fuß für den Betroffenen selbst hat. Die moderne Fußchirurgie wird dank der guten Operationsergebnisse auch das Schreckensbild der Vergangenheit aus den Köpfen der Patienten verbannen. Dennoch lassen sich nicht alle Fußbeschwerden operieren, vielmehr muss es zukünftig Ziel sein, die Fußdeformitäten möglichst zu vermeiden. Daher sollten wir unsere Füße mit Verstand behandeln, denn sie tragen uns Tag für Tag.“

aus OrthoPress 1 | 2000

Alle Beiträge dienen lediglich der Information und ersetzen keinesfalls die Inanspruchnahme eines Arztes*in. Falls nicht anders angegeben, spiegeln sie den Stand zur Zeit der Erstveröffentlichung wider. Die aktuelle Einschätzung des Sachverhalts kann durch Erfahrungszuwachs, allgemeinen Fortschritt und zwischenzeitlich gewonnene Erkenntnisse abweichen.