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Es geht auch endoskopisch: Karpaltunnelsyndrom

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Neben dem Bandscheibenvorfall ist das Karpaltunnelsyndrom eines der häufigsten Nervenkompressionssyndrome unserer Zeit: Die Einengung des Mediannervs (lat. n. medianus), welcher an der Halswirbelsäule entspringt und durch die Arme hindurch den Daumen sowie den Zeige- und Mittelfinger mit Gefühl versorgt, tritt nicht nur bei Sekretärinnen auf, sondern bei allen Berufsgruppen, die Unterarm, Handgelenk und Finger über Gebühr belasten.

Wird der Mediannerv in seinem Verlauf auf irgendeine Weise mechanisch beeinträchtigt, dann treten auch hier typische Schmerzen auf, wie sie leidgeprüfte Patienten mit Bandscheibenvorfällen oder eingeklemmtem Ischiasnerv kennen. Die Einengung des Nervenkanals tritt dabei meist in den Biegungen der Handwurzelknochen, dem sog. „Karpaltunnel“ auf. Rheumatische Verdickungen der Sehnenscheiden können dabei genauso ursächlich sein wie Vorsprünge der Handwurzelknochen nach schlecht verheilten Brüchen. Auch hormonelle Veränderungen, wie sie etwa bei einer Schwangerschaft eintreten, können zu Einklemmungen der Nerven führen. Meist bleibt die Ursache jedoch weit gehend unbekannt. Wenn ein Karpaltunnelsyndrom früh genug diagnostiziert wird, kann in vielen Fällen eine Operation hinausgeschoben werden. Dies ist aber nur dann möglich, wenn eine konservative Therapie, d.h. eine Ruhigstellung des Handgelenks mittels einer Schiene und die Gabe nicht-steroider Antirheumatika (NSAR) in Verbindung mit traditioneller Behandlung, angewandt wird. Die Frage, ob ein Eingriff erfolgen muss, klärt in der Regel ein Besuch beim Neurologen. Der misst mittels zweier Elektroden die Geschwindigkeit, mit der die Nervenimpulse von den Halswirbeln zu den Fingerspitzen fließen. Nimmt diese signifikant ab, bevor die Nervenbahn die Handwurzelknochen erreicht, liegen die Ursachen der Beschwerden wahrscheinlich schon im Hals- oder Nackenbereich, es könnte also im ungünstigen Fall auch ein Bandscheibenvorfall vorliegen. „Versiegt“ der Strom jedoch erst zwischen Handwurzel und Fingern, handelt es sich mit einiger Sicherheit um das Karpaltunnelsyndrom. 

Dabei drückt ein Band, welches quer über die in der Handwurzel verlaufenden Sehnen gespannt ist, das ligamentum carpi transversum, auf den unterhalb angesiedelten Mediannerv. Diese ständige Belas­tung quetscht den Nerv regelrecht ab; die Folge sind Gefühllosigkeit der Finger und starke Schmerzen, die dem Betroffenen beinahe jede Tätigkeit zur Qual werden lassen und ihm nicht selten den nächtlichen Schlaf rauben.

Dabei ist die Operation des Karpaltunnelsyndroms ein nur etwa 10 bis 15 Minuten dauernder und vergleichsweise harmloser Eingriff, der unter lokaler Betäubung durchgeführt wird: Nach einem Hautschnitt von etwa drei Zentimetern Länge schneidet der Arzt das unter der Haut liegende, den Nerv belastende Band einfach durch. 

Seit den Achtzigerjahren nun kann diese Operation auch endoskopisch vorgenommen werden. Es ist dann nur ein kleinerer Schnitt (ca. 15 mm) erforderlich, da ja nur eine Öffnung geschaffen werden muss, welche es erlaubt, die winzig kleinen Instrumente bis zur Operationsstelle vorzuschieben. Der endoskopische Eingriff hat dabei gegenüber der „offenen“ OP gewisse Vorteile, erläutert der Frankfurter Orthopäde Dr. Thomas Pfeifer: „Nach der en­doskopischen Operation des Karpaltunnelsyndroms sind die Patienten in der Regel nicht nur früher arbeitsfähig, auch der postoperative Wundschmerz ist deutlich geringer als bei der früher üblichen Operation. Zudem liegt der winzige Hautschnitt in der Handgelenksfalte. Dies ist nicht nur aus kosmetischen Gründen angenehmer – es tritt hierbei meist nur ein geringes Narbenproblem auf.“ Auf Grund der schnellen Ausheilung können selbst beidseitig betroffene Patienten innerhalb kurzer Zeit (etwa 3 Wochen) an der Gegenseite operiert werden.

Nicht angezeigt ist der endoskopische Eingriff bei Patienten mit anatomischen Anomalien, chronischer Polyarthritis, Ganglien oder einer früheren Handgelenksfraktur. Dr. Pfeifer: „Hier muss im Einzelfall entschieden werden, ob auf Grund der Vorgeschichte die Operation per Endoskop in Frage kommt.“

Nach der Operation sind die Patienten fast sofort beschwerdefrei. Die Haut wird intrakutan mit einem Faden vernäht, wobei bewusst keine Fäden in die Tiefe gehen, um keine Wucherungen (Fadengranulome) entstehen zu lassen. Nach wenigen Stunden, wenn die Betäubung nachgelassen hat, kann der Patient wieder seinem normalen Tagwerk nachgehen. Die Durchtrennung des ligamentum carpi transversum beeinträchtigt Stabilität oder Funktionsfähigkeit der Hand in der Regel kaum. Nur wenige Patienten spüren noch ein paar Tage nach dem Eingriff subjektiv eine leichte Schwäche beim Zugreifen; diese verschwindet jedoch meist, sobald die Hand- und Unterarmmuskulatur durch die gewohnten Bewegungen wieder gekräftigt werden. Der Patient kann also (sofern die Operation rechtzeitig erfolgt ist) davon ausgehen, dass Gefühl und Beweglichkeit nach dem Eingriff wieder weit gehend der eines Menschen ohne Nerveneinengung entsprechen. 

Wichtig: Im fortgeschrittenen Stadium muss das Karpaltunnelsyndrom unbedingt operiert werden. Der eingeklemmte Nerv versorgt nämlich nicht nur die Finger mit Gefühl; er ist auch zuständig für die Steuerung des Muskels am Daumenballen. Wird er beeinträchtigt, bildet sich der Muskel zurück. Der Daumenballen ist dann nicht mehr nach oben gewölbt, sondern zeigt eine Vertiefung. Einmal eingetreten, kann dieser Folgeschaden trotz Operation kaum wieder vollständig behoben werden.

von Michael Reuß

Ein Archivbeitrag* aus ORTHOpress 3 | 2000
*Archivbeiträge spiegeln den Stand zur Zeit der Erstveröffentlichung wieder. Die aktuelle Einschätzung des Sachverhalts kann durch Erfahrungszuwachs, allgemeinen Fortschritt und zwischenzeitlich gewonnene Erkenntnisse abweichen.

Fragen und Antworten

Gibt es einen Selbsttest, mit dem man feststellen kann, ob man ein Karpaltunnelsyndrom hat?

Wenn man mit zwei Fingern innen leicht auf das betroffene Handgelenk klopft, so kann es zu einem leichten Kribbeln im Daumen kommen. Dies kann ein Hinweis auf ein Karpaltunelsyndrom sein.

Was ist die neuartige Axomera-Therapie?

Bei der Axomera-Therapie werden dünne Nadeln im erkrankten Gewebe platziert. Über ein mikroprozessgesteuertes Stimulationsgerät wird ein elektrisches Feld erzeugt, welches individuell auf den Patienten abgestimmt wird. So sollen die Zellen im erkrankten Gewebe auf Reparatur programmiert werden. Die Behandlung wird auch beim Karpaltunnelsyndrom eingesetzt.