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Kopf & HWS

ENDOPROTHETIK AN HALS- UND LENDENWIRBELSÄULE

red endoprothetik aufm

Während Knie- und Hüftgelenke bereits seit vielen Jahrzehnten erfolgreich durch Endoprothesen ersetzt werden, hat sich die Endoprothetik der Wirbelsäule erst deutlich später entwickelt. In der Regel wird dabei nicht der Wirbel, sondern die flexible Bandscheibe ersetzt. Die entsprechenden Implantate werden daher als Bandscheiben- oder Zwischenwirbelprothesen bezeichnet.

Eine verschlissene Bandscheibe zu ersetzen ist für jeden Arzt eine große Herausforderung. Denn das tat muss nicht nur die Bewegungsverhältnisse eines intakten Gelenks nachbilden, sondern darüber hinaus über viele Jahre hinweg großen Belastungen standhalten. Im Laufe der Zeit wurden zahlreiche ursprünglich als vielversprechend erscheinende Ansätze wieder aufgegeben. So versuchten US-amerikanische Chirurgen bereits im Jahr 1959, die Beweglichkeit des Gelenks nachzubilden, indem sie eine Stahlkugel zwischen zwei Wirbel einlegten. Dabei stellte sich jedoch he- raus, dass die Kugel regelmäßig durch die Deckplatte der Wirbel einbrach oder ihre Position im Laufe der Zeit veränderte. Aber auch mithilfe weniger harter Materialien lässt sich ein funktionierender Bandscheibenersatz  nur bedingt herstellen. So versuchte ein Hersteller noch vor wenigen Jahren, eine verschlissene Bandscheibe durch eine flexible Scheibe aus Polyurethaschaum zu ersetzen. Da die Implantate jedoch verrutschten, mussten sie praktisch alle wieder ersetzt werden.

WAS MUSS EINE ZWISCHENWIRBEL- ENDOPROTHESE LEISTEN?

Es sind im Wesentlichen zwei Aufgaben, die eine Zwischenwirbelendoprothese erfüllen muss: Zum einen muss sie die Höhe einer Wirbeletage wieder herstellen, was zum Beispiel dann not- wendig ist , wenn die Wirbelkörper aufeinanderzusacken drohen. Grund dafür kann sein, dass die Bandscheibe dehydriert ist und ihre Stabilität eingebüßt hat. In einem solchen Fall kann der Einsatz einer Zwischenwirbelendoprothese verhindern, dass die durch die aus- getrocknete und somit dünner gewordene Bandscheibe hervorgerufene Höhenminderung eine Instabilität mit schmerzhafter Beweglichkeit und potenzieller Bedrängnis der Nervenstrukturen hervorruft. Zum anderen schafft die Zwischenwirbelendoprothese die Voraussetzung dafür, dass durch die gelenkige Verbindung der Wirbelkörper die maximale Beweglichkeit er- halten bleibt. Das entsprechende Segment muss somit nicht wie früher versteift werden, was immer dazu führt, dass die benachbarten Wirbelsegmente einem erhöhten Verschleiß, einer sogenannten Anschlussdegeneration, ausgesetzt sind.

ENDOPROTHETIK DER HALSWIRBELSÄULE

Insgesamt kommt dem Bandscheibenersatz an der Halswirbelsäule eine höhere Bedeutung zu als dem Einsatz an der Lendenwirbelsäule. Seinen Grund hat dies darin, dass Patienten von dem Erhalt einer beweglichen Halswirbelsäule deutlich stärker profitieren. Eine Einschränkung der Kopfbeweglichkeit nach links, rechts, oben und unten, die durch eine Versteifung hervorgerufen wird, wird als wesentlich gravierender empfunden als eine Verschlechterung der ohnehin geringeren Beweglichkeit der Lendenwirbelsäule. Zudem treten vor allem an der Halswirbelsäule Bandscheibenvorfälle und  Abnutzungserscheinungen in mehreren übereinanderliegenden Etagen auf. Daher würde eine Versteifung eine deutliche Einschränkung der Lebensqualität zur Folge haben. Der Einsatz einer Bandscheibenprothese erfolgt in der Regel von vorne. Auf diese Weise ergibt sich der Vorteil, dass weit weg vom Rückenmark operiert wird. Somit wird eine verse- hentliche Verletzung der im Spinalkanal verlaufenden Nerven unwahrscheinlich.

ENDOPROTHETIK IM LENDENWIRBELBEREICH / DYNAMISCHE STABILISIERUNG

Obwohl sich die meisten Rückenbeschwerden im Lendenwirbelbereich vorfinden, haben sich bislang nur wenige Prothesenmodelle bewährt, die sich durch gute Langzeitergebnisse auszeichnen. Dies liegt sowohl an der hohen Belastung als auch daran, dass ein Bandscheibenersatz an der Lendenwirbelsäule trotz regelrechter Implantation mit einer Einsteifung ein- hergeht. Damit entfällt vielfach ein

Großteil der erhofften Vorteile gegen- über einer Versteifungsoperation.

Eine vielversprechende Alternative stellen dynamische Stabilisierungen dar, welche schmerzhafte Bewegungen unterbinden, ohne dass die Wirbeletage komplett versteift wird. Bei der dynamischen Stabilisierung werden zwei Wirbelkörper mithilfe teilflexibler Stäbe miteinander verbunden. Prinzipiell ist dies also ein ähnlicher Vorgang wie bei einer Versteifung, allerdings bleibt eine kontrollierte Restbeweglichkeit des Segments bestehen. Auf diese Weise verringert sich die Stauchungsbelastung der Bandscheibe, was bei Nervenwurzelirritationen zu einer Linderung führen kann. Zugleich bleibt der natürliche Belastungsstimulus der Band- scheibe erhalten. So lässt sich die Gefahr einer weiteren Degeneration und eines  Bandscheibenvorfalls  reduzieren, während die natürlichen Drehzentren erhalten werden.

WELCHE AUSSCHLUSSKRITERIEN SIND ZU BEACHTEN?

Für Patienten, die unter einer erheblichen Schädigung der Knochenmasse leiden, wie es etwa bei einer Osteoporose der Fall ist, kommt der Einsatz einer Bandscheibenprothese in der Regel nicht infrage, da sich das Implantat unter Umständen nicht stabil im Knochen verankern lässt. Nicht angezeigt ist eine prothetische Wirbelsäulenversorgung auch bei

  • chronisch-entzündlichen Erkrankungen der Wirbelsäule,
  • Wirbelgleiten mit ausgedehnten Defekten an der hinteren Wirbelsäule,
  • starken Verschiebungen oder ausgedehnten Destruktionen oder Vernarbungen an der Rückseite.

von Reinhard Hanfrieder