Rückenspezialist Dr. med. Reinhard Schneiderhan exklusiv im Interview mit Orthopress
Herr Dr. Schneiderhan, Sie gelten als bekannter renommierter Orthopäde und Schmerztherapeut und haben sich in Ihren vier interdisziplinären Medizinischen Versorgungszentren (MVZ) in München/ Taufkirchen auf die Behandlung von Wirbelsäulenerkrankungen spezialisiert. Wie hat sich die Corona-Krise Ihrer Ansicht nach auf Patienten mit Rückenschmerzen ausgewirkt?
Dr. Schneiderhan: Zahlreiche Patienten haben in unseren MVZen Termine zur diagnostischen Abklärung und auch Behandlungen abgesagt. Am deutlichsten war diese Reaktion nach dem Bekanntwerden einer möglichen Ansteckung unserer Bundeskanzlerin nach einem Arztbesuch, infolgedessen wir einen Rückgang der Patientenzahlen von über 50% verzeichnen konnten.
Sie sprechen hier vom ambulanten Bereich. Doch wie hat sich die Corona-Pandemie auf die Entwicklung Ihrer stationären Patienten ausgewirkt?
Dr. Schneiderhan: Bis Mitte März hatten wir noch etwa identische Fallzahlen zum Vorjahr. Dann kam die Bekanntmachung des bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 19.03.2020, die festlegte, dass soweit vertretbar, alle planbaren Behandlungen zurückzustellen oder zu unterbrechen sind, um möglichst umfangreiche Kapazitäten für die Versorgung von Covid-19-Patienten freizumachen. Für uns bedeutete dies, dass wir in der Klinik, in welcher wir unserer größten Kapazitäten hatten, von einem auf den anderen Tag keinen Zugang mehr hatten. Gottseidank hatten wir das Glück und konnten all unsere Notfallpatienten in unserer zweiten Partnerklinik versorgen.
Wie haben Ihre Patienten auf die Terminverzögerung reagiert?
Dr. Schneiderhan: Ein Großteil unserer Patienten, die auf eine minimalinvasive oder operative Behandlung warten, leiden unter starken akuten-/ oder chronischen Rückenschmerzen. Hier war das Verständnis einer wochenlangen weiteren Wartezeit auf die ersehnte Behandlung verständlicherweise nicht sehr groß.
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Viele Arztpraxen haben sich kurzfristig einen Corona-Notfall-Plan zurechtlegen müssen. Welche Strategie haben Sie verfolgt?
Dr. Schneiderhan: Teilweise haben wir unseren Schmerzpatienten eine Telefonsprechstunde durch unser Ärzteteam angeboten. Patienten aus dem direkten Umkreis haben wir natürlich intensiv ambulant behandelt. Aber der Großteil unserer Patienten, der aus ganz Deutschland zu uns anreist, musste leider einfach warten. Denn das Reisen war erheblich eingeschränkt und Hotels und Gastronomie waren bekannterweise nicht verfügbar. Es kehrt seit Mitte Mai aber wieder mehr und mehr die Normalität zurück.
Welche Auswirkungen hatte die Pandemie auf Ihren Praxis-Ablauf?
Dr. Schneiderhan: Mir war sehr schnell klar, dass nur ein sehr offener und kritischer Umgang mit der auch für uns völlig neuen Situation möglich war. Und dies betraf Patienten, Praxismitarbeiter aber auch unsere Ärzte. Eine unserer Allgemeinärztinnen wurde Covid-19-Verantwortliche und koordinierte die Hygienemaßnahmen und Verdachtsfälle und war Ansprechpartner für das Gesundheitsamt. Es gab zahlreiche Verdachtsfälle von Seiten der Patienten, aber auch der Mitarbeiter, die entsprechend betreut werden mussten. Wir hatten erfreulicherweise keinen einzigen positiven Fall. In der Anfangsphase standen jedoch tägliche Meetings-/ und Schulungsmaßnahmen auf dem Tagesplan. Patienten wurden und werden weiterhin bevor sie in die Praxis kommen, telefonisch nach einem festen Fragenkatalog befragt. Bei Verdacht auf Kontakt zu einem Covid-19-Infizierten oder bei klinischen Symptomen muss erst eine externe Abklärung erfolgen. Wir haben außerdem unsere Sprechstundenzeiten gedehnt, um weniger Patienten gleichzeitig in den Praxis-/ und Diagnostikräumen zu haben und – ganz wichtig – Wartezeiten minimal zu halten. Ich habe sehr früh eine allgemeine Maskenplicht für Patienten und alle Mitarbeiter eingeführt, was uns bis auf ganz wenige Ausnahmen viel Zuspruch von Seiten der Patienten gebracht hat.
Und wie groß waren die Folgen für Ihre Kliniktätigkeit?
Dr. Schneiderhan: In der Phase nach der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege konnten wir nur Notfälle in einer unserer Partnerkliniken durchführen. Das belief sich dann auf ein Viertel bis maximal ein Drittel unserer normalen stationären Patienten-Fallzahlen. Seit dem 18.05.2020 dürfen wir wieder zunehmend planbare stationäre Behandlungen anmelden, sodass wir bis Ende Juni mit einigermaßen normal stationären Abläufen rechnen dürfen.
Wie hat die Covid-19-Pandemie den Ablauf der stationären Aufnahme verändert?
Dr. Schneiderhan: Patienten, bei denen eine stationäre Aufnahme und Behandlung medizinisch begründet ist, müssen 2 Tage vor der stationären Aufnahme einen Covid-19-Test machen lassen und sich dann in häusliche Quarantäne oder in die Quarantäne in einem Hotel begeben. Sofern das Testergebnis negativ ausfällt, kann der Patient problemlos stationär aufgenommen werden.
Welche Folgen hatten die Lock-down-Maßnahmen Ihrer Meinung nach für den Bereich der Wirbelsäulen-Schmerzmedizin?
Dr. Schneiderhan: Die Lock-down-Maßnahmen waren absolut notwendig, um die Folgen der Covid-19-Pandemie auf die Gesundheit der Bevölkerung möglichst gering zu halten. Wir dürfen uns heute glücklich schätzen, dass Deutschland durch zeitnahe, deutliche aber auch maßvolle Maßnahmen im Vergleich zu vielen anderen Ländern relativ gute Statistiken vorweisen kann. Folgen für Wirbelsäulen-Schmerzpatienten sind aber eindeutig eingetreten.
Wir Schmerztherapeuten wissen aus der Schmerzforschung, dass Schmerzen, die 3 Monate und länger bestehen, zu einem chronischen Schmerz und somit zu einer chronischen Schmerzkrankheit als eigenständiges Krankheitsbild führen. Durch die bereits genannten Punkte der Zeitverzögerung und jetzt auch eingetretenen Kapazitätsengpässen wird bei vielen Patienten eine Chronifizierung des Schmerzgeschehens entstehen. Neben der verzögerten adäquaten Behandlung darf man nicht vergessen, dass in der Zeit des Lock-down der größte Teil der Physiotherapiepraxen geschlossen hatte und Ärzte aus organisatorischen Gründen ein zum Teil nur reduziertes Behandlungsprogramm anbieten konnten. Hinzu kommt, dass viele Menschen auf ihr gewohntes Rückentraining in ihrem Fitness-Studio verzichten mussten, weil diese ebenfalls geschlossen hatten. Erschwerend hinzu kam die Home-Office-Tätigkeit mit überwiegend sitzender Tätigkeit. In der Summe ist die Zahl der akuten, aber auch chronischen Rückenschmerz-Patienten gestiegen.
Würden Sie momentan selber ohne große Bedenken in eine Arztpraxis oder Klinik gehen?
Dr. Schneiderhan: Ja, jederzeit. Ich selbst habe im Lock-down meine ganzen Vorsorge-Untersuchungen in diversen Facharztpraxen durchführen lassen und habe mich dabei immer sehr wohl und sicher gefühlt. Rückenschmerzpatienten sollten jetzt unbedingt wieder zu ihren Ärzten gehen. Die Hygiene-Standards in den deutschen Kliniken waren noch nie so hoch wie heute. Nach meiner Einschätzung können Patienten ihren stationären Aufenthalt auch in der Corona-Zeit ohne große Sorgen planen.
Welchen Rat haben Sie für Patienten mit Rückenschmerzen?
Dr. Schneiderhan: Gehen Sie ohne Bedenken zu dem Arzt Ihres Vertrauens und lassen sich diagnostizieren und behandeln. Nur so können Sie eine Chronifizierung des Schmerzgeschehens verhindern.
MVZ Praxisklinik
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