Minimalinvasive Schlittenprothese erhält Lebensqualität
Unser Knie ist das wohl komplizierteste Gelenk unseres Körpers: Einerseits muss es für Stabilität sorgen, damit wir uns sicher fortbewegen können, andererseits muss es aber auch ein hohes Maß an Beweglichkeit bieten. Wie hoch diese ist, erfahren die meisten von uns erst dann, wenn sie nicht mehr oder zumindest nicht mehr schmerzfrei in die Hocke oder den Schneidersitz gehen können. Nicht selten ist der Grund dafür eine arthrotische Veränderung des Kniegelenkes. Dabei nimmt die Knorpelmasse, welche unsere Gelenkflächen umgibt, immer weiter ab. Am Ende reibt Knochen auf Knochen und verursacht selbst in Ruhe höllische Schmerzen.
„Ist dieses Stadium einmal erreicht, hilft eine konservative medikamentöse Behandlung nicht mehr weiter: Dann muss über eine Knieprothese nachgedacht werden“, wissen die Hamburger Orthopäden Dr. Christian-F. Hoffmann, Dr. Thomas Kaiser und Nils Kerwer aus der Gemeinschaftspraxis Großhansdorf. Die Belegärzte der Park-Klinik Manhagen führen die endoprothetische Versorgung des Kniegelenkes durch konventionelle Oberflächenprothesen und minimalinvasive Schlittenprothesen durch.
Schmerzfreiheit allein ist heute allerdings für einen Patienten, der vor der Entscheidung zum Gelenkersatz steht, nicht mehr das einzige Kriterium. Natürlich wünscht er sich zusätzlich zur Beseitigung seiner Beschwerden auch einen Großteil seiner Beweglichkeit und damit bereits verloren geglaubte Lebensqualität zurück.
Funktionierenden Hüftgelenkersatz gibt es dabei schon seit mehreren Jahrzehnten; das Einsetzen eines neuen Kugelgelenks ist heute eine Standardoperation beim älteren Menschen. Anders sieht es beim Kniegelenkersatz aus: Immer noch raten viele Ärzte ihren Patienten auch bei anhaltenden Schmerzen von einem solchen Eingriff ab: Zu unsicher sei der Ausgang dieser Operation, zu ungewiss die Langzeitprognose beim Ersatz des am stärksten belasteten Gelenks unseres Körpers. Dr. Kaiser: „Dennoch haben Menschen mit fortgeschrittener Kniegelenksarthrose aber kaum eine Wahl, wenn sie einen großen Teil ihrer ursprünglichen Lebensqualität wiedergewinnen möchten.“
Schlittenprothese ersetzt nur die Oberflächen
Dabei hat besonders die Knieprothetik in den letzten Jahren bemerkenswerte Fortschritte gemacht. Die Entwicklung von der rein stabilisierenden Prothese zum vollwertigen Gelenkersatz vollzog sich dabei ungeahnt rasant.
Heute unterscheidet man in der Kniegelenksprothetik zwei verschiedene Bereiche: Auf der einen Seite steht die „Totalendoprothese“, bei der das gesamte Gelenk ersetzt wird. Diese Operation gehört sicherlich zu den größten chirurgischen Eingriffen, die an den menschlichen Extremitäten überhaupt vorgenommen werden. Auf der anderen Seite ist es heute möglich, bei Patienten mit entsprechender Indikation nicht das gesamte Gelenk auszutauschen, sondern nur den Teil, der tatsächlich auch verschlissen ist. Diese so genannte „Schlittenprothese“ ersetzt dabei auf einer Seite die beschädigte Oberfläche des Kniegelenks. Obwohl der dazu notwendige Eingriff nicht so aufwändig wie der Totalersatz ist, war dennoch bislang eine immer noch recht umfangreiche Operation nötig. Mit dem „Oxford Knee Phase III“ des Medizintechnik- und Pharmakonzerns Biomet Merck hat sich dies nun grundlegend geändert. Dies liegt vor allem daran, dass es bei der Implantation einer unikondylären Schlittenprothese nicht mehr notwendig ist, die Patella (Kniescheibe) zur Seite wegzuklappen. Der Nutzen dabei liegt auf der Hand: Anders als bisher werden umliegende Muskeln und der Bandapparat nicht überdehnt, durchtrennt oder sonstwie in Mitleidenschaft gezogen. „Die Implantation des Oxford Knee kann daher mit Fug und Recht als echte ‚minimalinvasive’ Operation bezeichnet werden“, erläutert Dr. Hoffmann. „Es ist nur ein etwa 6 cm langer Schnitt entlang der Kniescheibe notwendig, um den Gelenkersatz einzubringen.“
Selbst Sport ist in Maßen wieder möglich
So ist in der Regel nur ein etwa achttägiger stationärer Aufenthalt notwendig und das Knie kann sofort nach dem Eingriff belastet werden. Da der gesamte Streckmechanismus von dem Eingriff nicht beeinträchtigt wird, entfällt die aufwändige Rehabilitation wie bei der herkömmlichen Prothese. Wird eine klassische Schlittenprothese eingebaut, so muss mit einer „Auszeit“ von mindestens 14–21 Tagen gerechnet werden. Muskeln und Bänder sind dann so weit geschwächt, dass mittels einer speziellen Krankengymnastik die Bewegungen trainiert werden müssen, bevor an eine Belastung gedacht werden kann.
Ein weiterer Vorteil: Die Belastbarkeit ist nach Ausheilen der Operationswunde ungleich höher als bei anderen Prothesenarten: Selbst viele Sportarten können so vom Patienten in Maßen wieder ausgeübt werden.
Studie bescheinigt längere Haltbarkeit
Wichtig an einer Prothese ist aber nicht nur die schnelle Einsatzfähigkeit und Belastbarkeit des neuen Gelenks, sondern insbesondere die Haltbarkeit. Auch diese ist beim Oxford Knee exzellent im Vergleich zum bisher üblichen Gelenkersatz.
Möglich wurde die Entwicklung durch eine spezielle Anlage, welche die Prothese in ihrer Bewegung exakt vermisst. In der „Roentgen Stereophotogrammetric Analysis” (RSA) werden Röntgenstrahlen dazu verwandt, die Bewegung des Implantats relativ zum Knochen zu erfassen – und das mit einer Genauigkeit von wenigen Zehntelmillimetern. Diese Untersuchung erlaubt quasi einen virtuellen Langzeitvergleich verschiedenster Implantate und damit eine Aussage darüber, wo und wann sich die Prothese vermutlich einmal lockern wird und ersetzt werden muss. Durch das weltweit umfangreichste Knieprothesen-Register, die so genannte „Schwedenstudie“, wird dem Oxford Knee eine längere Standzeit als jeder anderen Schlittenprothese bescheinigt. Damit kommt man so erstmals bei der Lebensdauer eines Oberflächenersatzes am Knie in den Bereich von Hüftgelenksprothesen. Einziger Wermutstropfen: „Bestimmte Voraussetzungen müssen auch auf der Patientenseite gegeben sein, um das Oxford Knee zu implantieren“, so Nils Kerwer. „Der durch die Arthrose entstandene Verschleißschaden darf sich nur auf die Knieinnenseite erstrecken, und aus Gründen der Stabilität muss das vordere Kreuzband noch intakt sein.“
Auch der Revisionseingriff ist unproblematischer
Aber was, wenn nach zehn oder fünfzehn Jahren doch einmal ein Zweiteingriff notwendig werden sollte? Dr. Kaiser: „Auch dieses Problem ist mit dem Oxford Knee viel geringer, da ja nur eine geringe Traumatisierung des Knochens sowie des Muskel-/Bandapparats erfolgt ist. Man kann also davon ausgehen, dass sowohl von der Knochenmasse als auch der Stabilität der sie umgebenden Strukturen her sehr viel bessere Voraussetzungen für einen Revisionseingriff gegeben sind.“
aus ORTHOpress 04|2002
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