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Knie

Bei Ärger mit dem Knie: Lieber gleich zum Spezialisten

Doctor examining patient knee in clinic

Jeder zweite Deutsche diesseits des fünfzigsten Lebensjahres klagt Umfragen zufolge über häufig auftretende Kniegelenksschmerzen. Es handelt sich also nicht um eine „zu vernachlässigende Minderheit“, sondern um einen großen Anteil der Bevölkerung. Die Kosten für Behandlung und Arbeitsausfall verschlingen jährlich Milliarden. Immer mehr Gewicht wird daher schonenden, minimalinvasiven Behandlungsmethoden beigemessen, welche eine schnelle Rehabilitation und damit Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess ermöglichen. Mit dem Facharzt für Orthopädie Dr. Karsten Moeller aus der Berliner Meoclinic haben wir uns über die neuesten Trends in der Behandlung von verschleißbedingten Kniegelenkserkrankungen sowie von Sport- und Unfallschäden unterhalten.

„Wichtig ist, dass der behandelnde Arzt die nicht-operativen und die operativen Behandlungsmethoden beherrscht. Nur so kann ein individueller, an die Bedürfnisse des Patienten angepasster Behandlungsplan erstellt werden. Häufig sind ja Operationen gar nicht notwendig, wenn eine konservative Behandlung auch zum Erfolg führen kann“, erklärt Dr. Moeller. Statische Kniegelenksbeschwerden lassen sich zum Beispiel meist schon durch eine einfache Schuhzurichtung günstig beeinflussen. Bei mäßigen Knorpelschäden und auch bei Verletzungen im Sport lassen sich die Regenerationskräfte des Körpers z.B. durch Pulsierende Signal Therapie (PST) entsprechend aktivieren. Auch mit der Homöosiniatrie, der Applikation von naturheilkundlichen Wirkstoffen an klassische Akupunkturpunkte, lassen sich derartige Regenerationsprozesse in Gang setzen. Ein anderer interessanter Ansatzpunkt in der Behandlung von Gelenkschmerzen bei Knorpeloberflächenverschleiß und Arthrose ist die Injektionsbehandlung mit dem körpereigenen Knorpelschutzwirkstoff Orthokin. Hierbei wird – nach einer normalen Blutabnahme – aus dem Blut des Patienten ein dort vorhandener Knorpelschutzstoff aufwändig isoliert und angereichert. Über eine Gelenkinjektion wird das Orthokin dann direkt in das erkrankte Gelenk eingebracht und der weitere Knorpelverschleiß aufgehalten. Studien zufolge kommt es bei 70% der behandelten Patienten zu einer deutlichen Beschwerdelinderung. Dr. Moeller: „Die Behandlungserfolge mit dieser neuen Methode sind vielversprechend. Gerade nach einer sanierenden Gelenkspiegelung (Arthroskopie) bei Gelenkverschleiß ist eine derartige ergänzende Behandlung sinnvoll. Es handelt sich bei Orthokin ja um eine körpereigene Substanz. Somit gibt es quasi keine allergischen Reaktionen und Unverträglichkeiten.“

In der operativen Behandlung von Kniebandverletzungen hat sich in den letzten Jahren die Schlüsselloch-Chirurgie durchgesetzt. Dr. Moeller hierzu: „Die Operationsschritte können so exakter erfolgen und die Hautschnitte sind kleiner. Die Sehnentransplantate für den vorderen Kreuzbandersatz mit der Semitendinosus-Sehne können über einen nur zwei Zentimeter großen Hautschnitt entnommen werden; die Operation selbst wird ebenfalls nur über zwei kleine Hautschnitte durchgeführt.“ Eine so durchgeführte Operation dauert selten länger als 45 Minuten. Die Befestigung der Transplantatsehnen erfolgt mit zwei Schrauben, die innerhalb von zwei Jahren vom Körper absorbiert werden. Trotzdem ist die Fixierung der Sehnentransplantate so fest, dass auf eine Schienennachbehandlung verzichtet werden kann und eine frühzeitige Sportfähigkeit erreicht werden kann. „Neben dem angenehmen kosmetischen Effekt durch kleine Schnitte entfällt somit für die Patienten also auch die Notwendigkeit einer operativen Schraubenentfernung.“ Aber auch bei der Kreuzbandersatzoperation gilt: Das Behandlungskonzept sollte individuell auf den Patienten abgestimmt sein. Das beginnt schon mit der Wahl der Transplantatsehne. Dr. Moeller: „Ein versierter Operateur ist in der Lage mit drei verschiedenen ortsständigen Sehnen am Kniegelenk einen qualitativ hochwertigen Kreuzbandersatz durchzuführen. Zur Verfügung stehen die Semitendinosus-Sehne, die Patella-Sehne und die Quadrizeps-Sehne.“ Dies ist umso wichtiger, wenn ein sportlich sehr aktiver Mensch nach einer Kreuzbandoperation erneut einen Unfall erleidet und eine nochmalige Bandersatzoperation notwendig wird.

In der Behandlung von lokalisierten unfallbedingten Knorpelschäden berichtet Dr. Moeller über eine weitere neue Behandlungsmöglichkeit, die ebenfalls minimalinvasiv im Rahmen einer Gelenkspiegelung angewendet werden kann: „Hier wird während einer Arthroskopie aus einer nicht belasteten Region des Kniegelenkes eine Stanze mit gesundem Knorpel entnommen und in einen stark belasteten Bereich des Kniegelenkes mit geschädigtem Knorpelüberzug transplantiert.“ Derartige Operationen ließen sich bislang nur mit einer ausgedehnten operativen Eröffnung des Gelenkes durchführen.

Auch im Bereich der Meniskuschirurgie im Rahmen einer Gelenkspiegelung hat sich das operative Behandlungskonzept gewandelt. Nicht immer muss verletztes Meniskusgewebe operativ entfernt werden. Dr. Moeller: „Wir versuchen heute bei der Arthroskopie so wenig Meniskusgewebe zu entfernen wie möglich. Geeignete Meniskusrisse lassen sich sogar mit kleinen resorbierbaren Klammern wieder zusammennähen, ohne dass überhaupt Meniskusgewebe entfernt werden muss. So kann der Meniskus seine Pufferfunktion weiterhin wahrnehmen und das Risiko eines Knorpelverschleißschadens ist minimiert.“ Aber auch die früher als sehr aufwändig geltenden „großen Operationen“ wie Beinachsenkorrekturen und der Einbau eines künstlichen Gelenkes haben durch immer perfekter ausgefeilte Techniken in der Hand von Spezialisten ihren Schrecken für die Patienten verloren. „Beinachsenkorrekturen zur Behandlung einer innenseitigen Teilarthrose des Kniegelenkes zum Beispiel können mit einem kleinen Hautschnitt unterhalb des Kniegelenkspaltes durchgeführt werden. Der Eingriff erfolgt minimalinvasiv unter optischer Kontrolle mittels eines transportablen Durchleuchtungsgerätes im Operationssaal. Nach einem solchen Eingriff ist keine Gipsruhigstellung oder Bewegungslimitierung mehr notwendig. Der Krankenhausaufenthalt dauert nur wenige Tage“, erklärt Dr. Moeller.

Kann sich ein betroffener Patient mit dem Zustand eines schwer arthrosegeschädigten Kniegelenkes nicht mehr arrangieren, so ist ein Gelenkersatz notwendig. Auch beim Einsetzen künstlicher Gelenkoberflächen wird heute jedoch darauf geachtet, so viel körpereigenes Gewebe wie möglich zu erhalten. „Das eigene Gelenk ist immer besser als jede Gelenkprothese: Es lohnt sich, so viel wie möglich davon zu erhalten. Es sind ja meist nur die Knorpeloberflächen und der unmittelbar darunter liegende Knochen von dem Verschleißschaden betroffen.“

Auch hier wird auf die Gelenkbiologie Rücksicht genommen: „Wir implantieren überwiegend künstliche Gelenkoberflächen, bei denen nur sehr wenig Knochengewebe entfernt werden muss. Auch die Gelenksbänder bleiben erhalten und geben den künstlichen Gelenkoberflächen die gleiche Führung, die sie dem ursprünglichen, körpereigenen Knie gegeben haben. So ist eine reibungslose Funktion des Kunstgelenkes gegeben.“

Abschließend lässt sich sagen, dass die Möglichkeiten der modernen Behandlung von Kniegelenksbeschwerden heute überaus variantenreich sind. Sie können in der Hand des auch in konservativen Therapien erfahrenen Spezialisten in Bezug auf das Lebensalter und das Aktivitätsniveau individuell auf die Bedürfnisse und Ansprüche des Betroffenen abgestimmt werden.

Ein Archivbeitrag* aus ORTHOpress 3 | 2001
*Archivbeiträge spiegeln den Stand zur Zeit der Erstveröffentlichung wieder. Die aktuelle Einschätzung des Sachverhalts kann durch Erfahrungszuwachs, allgemeinen Fortschritt und zwischenzeitlich gewonnene Erkenntnisse abweichen.